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Zirkusleute sind heute Schausteller

Von Boris Canje 18.10.2006, 16:09

Seyda/MZ. - Schon eher weil nicht der Seydaer Pfarrer Thomas Meinhof den Gottesdienst leitete, sondern Martin Heinke. Und der ist Zirkuspfarrer. Auf den Tag genau seit 50 Jahren waren am Mittwoch nämlich die früheren Artisten Marianne und Horst Franke verheiratet.

Sehr jung waren die beiden, als sie sich kennen lernten. Er 20, sie 15. Beide waren Zirkusartisten in zwei verschiedenen Familienunternehmen. Ihr Metier war das Trapez, sie waren Luftakrobaten. Marianne Frank war unheimlich gelenkig, trat auch als Schlangendame auf. Ihr späterer Mann zeichnete ebenso für den Auf- und Abbau des Zeltes verantwortlich. Während der Winterzeit, als damals auch in Sälen aufgetreten wurde, haben sie sich das erste Mal gesehen. Und es hat sofort gefunkt. Geheiratet wurde vier Jahre später.

Die Zeit danach war nicht gerade einfach. Und das nicht nur, weil sie das ganze Jahr über im Wohnwagen campierten. Sein Vater ging in den Westen, ihm wollte man eine Steuerschuld anhängen. Drei Jahre später verunglückte er tödlich. Bis dahin versuchten sich die drei Brüder mit dem Zirkus durchzuschlagen. Dann gingen sie auseinander. Horst Frank arbeitete anschließend im Zirkus Alberti seines Schwiegervaters. Als dieser 1972 starb, gab es keine Genehmigung, das Unternehmen weiter zu führen. Es durfte lediglich noch die Saison beendet werden. Das Angebot, zum Staatszirkus zu gehen, lehnten beide ab. Ein Teil der Tiere wurde damals erschossen, was für die Zirkusleute ziemlich schmerzlich war.

Doch durch die Lande reisen wollten sie auch weiterhin und taten dies als Schausteller. Es war kein leichter Anfang. Ein Karussell hatten sie nicht. Da wurde aus der Not eine Tugend gemacht. Ein kleines Zelt und mehrere Ponys waren noch vorhanden. Also wurde Reiten angeboten und eine "Ponybahn" auf Schienen gebaut. Los- und Schießbude waren nicht erlaubt. Aber auch Büchsen- und Ringwerfen sowie ein mobiles Lokal halfen über die Runden. Zeitweise zeigten sie auch eine kleine Tierschau, allerdings ohne dafür Eintritt zu nehmen. So waren sie als ein Vergnügungspark auf Rädern unterwegs. Das erste Karussell kam nach der Wende dazu. Sie gehen auch heute noch mit auf Reisen, wohnen aber nicht mehr nur im Wohnwagen, sondern haben sich in Drewitz ein Häuschen gebaut.

Es blieb immer bei einem Familienunternehmen, das nach wie vor unterwegs ist. Die meisten, die dazu gehören, siedelten sich in Meltendorf und Seyda an, deshalb wurde am Mittwoch auch dort gefeiert. Einige sind noch beim Zirkus (Sperlich) tätig, andere als Schausteller. Kein Wunder also, dass der Saal des "Schützenhauses" scherzhaft als zu klein bezeichnet wurde.

Tag und Nacht waren und sind Marianne und Horst Frank zusammen und das seit 50 Jahren. Wenn es mal Streit gab, dann hat sie sich bei ihren Geschwistern ausgesprochen, und dann ging es weiter. Aber beide bekennen übereinstimmend: "Wir haben eine gute Ehe gehabt." Und in der kam auch der Spaß nicht zu kurz. So scherzte Horst Frank, dass seine Marianne mit ihm unbedingt einmal eine Schiffsreise machen möchte, weil er nicht schwimmen kann. "Sie hofft, mich so los zu werden."

Den Jubilaren ist die Familie viel wert. Und so ist ihr größter Wunsch für die Zukunft, "dass die Kinder gesund bleiben, gut untergebracht sind und ihr Auskommen haben."