Verhandlung wegen Schweinemastanlage Verhandlung wegen Schweinemastanlage: Es geht zur Sache in Gerbisbach

Jessen - Es ist die Angst, die Behörden häufig dazu treibt, selbst in umstrittenen - um nicht zu sagen zweifelhaften - Antragsverfahren Genehmigungen zu erteilen. Die Angst der Amtshaftung nämlich. Antragsteller können gegen das Verwehren einer Genehmigung klagen.
„Und wenn das Gericht entscheidet, dass die Genehmigung hätte doch erteilt werden müssen, dann haftet die Behörde für den in der Zwischenzeit entgangenen Gewinn des Antragstellers“, stellt der Berliner Rechtsanwalt Peter Kremer klar. Daraus spricht viel Erfahrung. Kremer vertritt seit Jahren unter anderem Gegner behördlicher Entscheidungen. Wie den Initiativkreis gegen die Schweinefabrik Gerbisbach.
Der hatte am Mittwochnachmittag zu einer Informationsrunde ins Jessener „Café Nord“ geladen. Denn: Nach fast zehn Jahren beginnt am kommenden Dienstag um 10 Uhr vor der 8. Kammer des Verwaltungsgerichtes in Halle das Verfahren. Beklagter ist das Landesverwaltungsamt.
BUND als Kläger
Bei Gründung des Initiativkreises stand noch das Wort „geplante“ vor „Schweinefabrik“. Doch das war 2009 zu streichen. Denn da erteilte das Landesverwaltungsamt in Halle dem holländischen Bauherren die Genehmigung zum Errichten der Anlage für mehr als 20000 Schweine und fast 8000 Ferkel.
Nicht nur die Schweinemastanlage in Gerbisbach ist in weiten Teilen der Bevölkerung umstritten oder wird ganz abgelehnt. Auch in anderen Orten vornehmlich Ostdeutschlands liefen und laufen Verfahren gegen die Betreiber bzw. in der Hauptsache die Genehmigungsbehörden.
Erfolgreich waren zum Beispiel Tierschützer und Umweltaktivisten im Oktober 2017 gegen das brandenburgische Landesumweltamt. Die Behörde hatte eine Schweinemastanlage mit geplanten 40000 Tierplätzen in Haßleben (Uckermark) genehmigt. Das Verwaltungsgericht in Potsdam hob diese Genehmigung auf. Das Gericht ließ eine Berufung nicht zu.
In Malwinkel bei Sandbeiendorf wollte ein Investor ebenfalls eine anfangs 100000er Mastanlage errichten. Da habe sich die Gemeinde sowohl vor als auch nach der Kommunalreform gegen die Anlage ausgesprochen. Das Verfahren schwebe im Moment, schilderte Gabi Wolf den Status quo nach ihrem Kenntnisstand.
In Allstedt (Kreis Mansfeld-Südharz in Sachsen-Anhalt) hatte ein ebenfalls aus Holland stammendes Brüderpaar eine Schweinemastanlage mit 90000 Tierplätzen geplant. Ebenfalls aufgrund massiver Proteste, unter anderem auch wegen der großen Nähe zum Flora-Fauna-Habitat-Gebiet nahe des Kyffhäusers hatten die potentiellen Investoren ihren Antrag noch vor Genehmigung zurückgezogen.
Prompt klagte der Initiativkreis dagegen. Und fand im (Landes-) Bund für Umwelt und Naturschutz in Deutschland (BUND) den Partner, der vor Gericht überhaupt erst einmal Klage einreichen durfte.
Doch selbst das war anfangs gar nicht klar. Durch drei Instanzen haben sich BUND und Initiativkreis als Kläger in den zurückliegenden Jahren gekämpft. Bis zum Bundesverwaltungsgericht in Leipzig, um zu erreichen, dass der BUND überhaupt als Kläger auftreten durfte. Damit war das letzte Hindernis beseitigt, dass am kommenden Dienstag die Verhandlung starten kann.
„Unser rechtliches Ziel ist, dass die Genehmigung aufgehoben wird“, macht Rechtsanwalt Kremer von vornherein deutlich, dass keine kleinen Brötchen gebacken werden. „Dann wäre mit der Anlage in Gerbisbach Schluss“, erklärte er. Allerdings: „Bei diesem Verfahren kann ich ihnen überhaupt keine Prognose abgeben, wie es ausgehen wird“, bekannte der erfahrene Anwalt.
„Doch ich denke, wir haben sehr gute Ansatzpunkte auf unserer Seite.“ Da geht es etwa darum, dass die Schweinemastanlage „in ganz zentralen Bereichen anders gebaut wurde, als beantragt“. Es geht darum, dass das Landesverwaltungsamt die Bauherren/Betreiber der Anlage von bestimmten Genehmigungsverfahren freistellte. Einen Teil solcher Freistellungen bewertet Anwalt Peter Kremer als rechtswidrig.
Und nicht zuletzt „war die Genehmigung der Anlage dreimal verlängert worden, weil die ja lange gebraucht haben, bis sie in Betrieb gegangen ist. Diese Fristverlängerungen sind inhaltlich relativ sicher rechtswidrig. Weil die da bestimmte Fehler gemacht haben“, wie Kremer meint.
Viele Unterschriften
Allerdings macht der Berliner Anwalt kein Hehl daraus, dass es nach wie vor zahlreiche ungeklärte formelle Rechtsfragen gibt, die das Gericht bewegen könnten, bevor das Verfahren überhaupt in die Erörterung der inhaltlichen Belange einsteigen kann.
Bevor Kremer den Interessierten in der Runde Rede und Antwort steht, ruft Gabi Wolf, die Sprecherin des Initiativkreises, das bisherige Geschehen aus Sicht der Initiative noch einmal in Erinnerung. Einschließlich der Reminiszenz an die damalige Landes-Landwirtschaftsministerin Petra Wernicke (CDU), die zwar viel Verständnis für die Gegner der Anlage geäußert, aber dennoch gemeint habe, gesetzlich spiele das keine Rolle.
Insbesondere habe sie das Verständnis unter dem Eindruck der 5200 Unterschriften geäußert, die der Initiativkreis seinerzeit der Ministerin übergeben hatte. „Doch auch die sind bei der Genehmigung der Anlage missachtet worden“, fasst Gabi Wolf zusammen. Auch im Anhörungsverfahren zur Genehmigung insgesamt vom Initiativkreis 329 Einwendungen eingereicht worden, erinnert sich Gabi Wolf.
(mz)