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Unterwegs mit Andy Henkel Unterwegs mit Andy Henkel: Kies für den Deichbau

Von andreas richter 03.11.2014, 20:36
Natürlich hat auch Andy Henkel in seinem Wagen ein Namensschild an der Frontscheibe. Da weiß jeder sofort, wer hinterm Lenker sitzt.
Natürlich hat auch Andy Henkel in seinem Wagen ein Namensschild an der Frontscheibe. Da weiß jeder sofort, wer hinterm Lenker sitzt. andreas richter Lizenz

jessen - Na toll. Da will ich auf große Fahrt gehen und dann das. Der Himmel zieht sich zu, es fängt plötzlich an zu nieseln. Ungemütlich ist es, als ich kurz nach halb acht am Morgen im Kieswerk Lindwerder stehe und auf meinen Fahrer warte. Ich tausche heute mal meinen Platz am Schreibtisch gegen den Beifahrersitz in einem Lkw. Nur die Vorfreude auf eine sonnige Tour ist dahin.

Zehn Minuten später ist mein Chauffeur für die nächsten Stunden da. Andy Henkel lenkt seinen fahrbaren Untersatz auf die Waage, ich klettere in das Führerhaus und schon geht es los. Zuerst muss ich mich an die neuen Blickwinkel gewöhnen. Am Lenker dirigiert der 30-Jährige aus Linda währenddessen sein Gefährt zielsicher über die Straßen. Weit weg geht es aber nicht. Die Deichbaustelle in Gorsdorf ist das Ziel. Um die 28 Tonnen werden dort abgeladen. Noch viele weitere sollen folgen.

Immer nur rückwärts

Am Ziel ziehe ich erstmals richtig (innerlich) meinen Hut vor Andy Henkel. Wie so oft im Leben eines Lkw-Fahrers, ist auch die Zufahrt in Gorsdorf kompliziert. Der Lindaer muss zuerst in einen Feldweg, dann rückwärts zurück auf die Straße. Und das mit zwölf Metern im Rücken. Danach zur Baustelle, und auch dort bleibt nur der Rückwärtsgang, um das Material an die richtige Stelle zu bekommen. Henkel grinst ein wenig, als er mitbekommt, wie nervös ich auf die nur wenige Zentimeter entfernten Absperrgitter schaue und einen Zusammenprall mit den Außenspiegeln erwarte. Mindestens. „Ist halt Erfahrung“, meint er nur, als ich nach der geglückten Ankunft beinahe in spontanen Applaus ausbrechen will.

Na klar, dass Andy Henkel seit seinem 21. Geburtstag hinter dem Steuer sitzt und den Wagen im Nah- und Fernverkehr lenkt, merkt man. Jessener Kreisel, es wird ziemlich eng, Andy Henkel umkurvt ihn sicher. Und ich verstehe auf einmal viel besser, warum die meisten Brummi-Fahrer von zu klein gebauten Kreisverkehren selten begeistert sind. Andy Henkel: „Schlimmer sind bei Touren durch Jessen im Moment aber die vielen Staus. Die Leute müssen wegen der Bauarbeiten fast immer einen Umweg über den Kreisel nehmen. Sind die Schranken noch zu, wirft mir das schon mal meinen Zeitplan durcheinander.“ Und an den muss sich der Fahrer strikt halten, die Lenkzeiten sind Gesetz. 4,5 Stunden, dann 45 Minuten Pause, dann nochmals 4,5 Stunden. Mehr darf er nicht.

Aktuell hat Andy Henkel den „Luxus“, sich sein tägliches Zeitfenster ein bisschen anders einzuteilen. Er erzählt es bei der nächsten Fuhre. „Ich bin jetzt die fünfte Woche immer nur zwischen Kieswerk und Deichbaustelle unterwegs. Da kann ich die Pausen umlegen und die zulässige Lenkzeit komplett ausreizen.“

Volle Konzentration

Wie? Seit fünf Wochen immer nur diese Strecke? Das klingt so was von langweilig. Wo bleibt denn da die Fernfahrerromantik? „Romantik?“, fragt Andy Henkel und grinst so richtig übers ganze Gesicht. „Die gibt es schon lange nicht mehr. Egal, ob man nur kurze Touren hat oder die ganze Woche unterwegs ist.“ Er mag es sogar lieber, zwischen den Orten in kurzen Abständen zu pendeln. Heißt es für den jungen Mann, nach Berlin zu müssen, ist er wenig begeistert. „Die Stadt ist fürchterlich. Ständig ändern sich Straßenführungen, dann muss man mit unbekannten Baustellenzufahrten klar kommen, hat den Termindruck im Nacken, muss Lenkzeiten einhalten.“

Trotzdem, dieses Pendeln auf immer der gleichen Route, ist das nicht zu eintönig? Ich gähne ja schon nach der dritten Runde. „Hm“, überlegt Henkel kurz, um dann festzustellen: „Eigentlich nicht. Ich mache es halt gern.“ Die volle Konzentration muss eh von der ersten bis zur letzten Minute da sein. „Es heißt ständig aufzupassen. Allein der Güterverkehr hat enorm zugenommen.“ Stimmt, 58 Lkw treffen wir bei nur einer Tour. Die Pkw zähle ich nicht.

Im Straßengraben

Und wie schnell was schiefgehen kann, erlebte Andy Henkel 2013. Da landete er unverschuldet im Straßengraben, blieb zum Glück von schweren Verletzungen verschont, aber der Wagen war Schrott. Der ansonsten immer gut aufgelegte Fahrer wird einen Moment still. „Sich danach das erste Mal wieder auf den Bock zu setzen, hat etwas Überwindung gekostet.“

Wir sind wieder Richtung Lindwerder unterwegs, da piepst mal wieder das Funkgerät. Ein Kollege fragt an, wie es denn mit einer Pause aussieht. Andy Henkel hat nichts dagegen, „ich fahre aber vorher noch mal rasch eine Fuhre nach Gorsdorf rüber“. Bei dieser bin ich dann nicht mehr dabei. Ich habe meine Fotos im Kasten, alle Informationen sind aufgeschrieben. Der Lindaer hat jedoch noch nicht Feierabend. Aber auch für ihn heißt es später, kurz abschalten. Der frische Kaffee steht bereit. (mz)