Stück Lebensfreude ist zurückgekehrt
Jessen/MZ. - Mitunter kommt zu diesem Schmerz aber gleichzeitig die Pflicht, trotzdem weiter den Alltag zu meistern, Verantwortung zu übernehmen, neben dem eigenen Leben das anderer zu gestalten. Da bleibt der eigene Schmerz im Hintergrund. Weil er muss. Angelika Bär aus Jessen kennt dies, sie hat Narben auf ihrer Seele davongetragen. Wenn sie heute ihre beiden Enkelkinder Kevin und Pascal sieht, hat sie zugleich das Gesicht der Tochter vor Augen. Der Tochter, die im vergangenen Jahr an den Folgen einer schweren Krankheit verstarb, deren Kinder Angelika Bär jetzt großzieht.
Die Jessenerin ist eine starke Frau, nach außen. Eine, die nicht stets und ständig jammert. Bei allen Sorgen und Problemen, neben dem Verlust des Kindes und der Verantwortung ihren Enkeln gegenüber, hat sie auch ihren eigenen Alltag zu meistern. Alleinstehend, der Ehemann ist vor zwei Jahren verstorben, keine Arbeit, Haus und Grundstück sind zu unterhalten, das Geld ist knapp, viele Wünsche bleiben unerfüllt. Und da ist auch immer wieder dieses Gefühl, selbst mehr zu wollen, Anerkennung außerhalb der eigenen vier Wände zu finden, gebraucht zu werden.
Inzwischen kann Angelika Bär sagen, dass sie ein Stück aus diesem Lebenstief herausgekommen ist. Sie erlebte das, was sich viele so sehnlichst wünschen: Dass es Menschen gibt, die nicht oberflächlich hereinschauen und wieder gehen, die sich für andere interessieren, die Anteil nehmen an Schicksalen und die sich mühen zu helfen.
Frühjahr 2007, in Jessen setzt sich eine Frau hin, fasst Angelikas Lebensgeschichte in Worte. Maika Heußner kennt die Familie genau. Sie hat mitgelitten in den Tagen, als Angelika Bärs Tochter, ihre beste Freundin, im Sterben lag. Sie hat die Monate danach erlebt, den schwierigen Alltagskampf in dem kleinen Haus in der Alten Wittenberger Straße. Und sie hat sich etwas in den Kopf gesetzt. "Ich wollte helfen, wusste nur nicht so richtig wie. Und wie es der Zufall so will, stoße ich im Fernsehen auf diese Serie bei RTL. ,Helfer mit Herz' mit Vera Int-Veen. Was da geschafft wurde, hat mich fasziniert, und für mich war klar, dass Angelika diese Hilfe haben sollte."
Gedacht, gehandelt, und nach bangem Hoffen die Zusage bekommen. "Ja, wir machen es", so die Mitteilung der Produktionsfirma. Die sich wohl auch deshalb für Angelika Bär entschied, weil andere, wie die ehemaligen AOK-Arbeitskollegen des verstorbenen Mannes, eine Bewerbung schickten.
Es regnet an diesem Sommertag Anfang Juli. Jessen hat sich in ein bescheidenes Grau getaucht. Passend zu einem Montag. Am frühen Vormittag parken zwei Autos in der Altern Wittenberger Straße. Nichts Ungewöhnliches, noch nicht mal wegen ihrer auffallend "ausländischen" Kennzeichen. Auch später registrieren zunächst nur wenige, dass Kameras, Mikrofone und andere Utensilien aus den Wagen geholt werden. Die Fernsehvorhut ist vor Ort, eine aufregende Woche beginnt. "Helfer mit Herz", die Serie des Kölner Privatsenders RTL mit Frontfrau Vera Int-Veen, dreht in der Elsterstadt.
An einem Dienstag ist Vera Int-Veen da, sie schickt Angelika Bär, ihre beiden Enkelkinder Kevin und Pascal sowie Sohn Marcel in den Urlaub. Koffer packen, rein ins Auto und weg. Dies geht im Vergleich zu Dingen, die in diesen Tagen folgen, relativ schnell.
Vielleicht ist dieser Teil des Sendekonzeptes sogar der beste. So manchen würde wohl ein Herzinfarkt ereilen, wenn er erleben würde, was kurz nach der Abreise losgeht. In Jessen startete das Unternehmen mit Musik. Der Spielmannszug lotste lautstark die ersten 70 Helfer auf das Grundstück. Und die sollten nicht die einzigen bleiben. Am Ende, zum Finale, waren 600 Menschen vor Ort. Sicher, auch Schaulustige darunter. Aber das Gros doch Helfer. Menschen, die mit anpackten, Gutscheine und Geschenke abgaben. Nicht zu vergessen die Fernsehleute. Deren Arbeit verlief spannend, mitunter nervend oder überraschend. Mittendrin Vera Int-Veen, die weiß, dass nicht jede Vorstellung in Erfüllung geht. Denn: "Wir werden und wollen nicht alles neu machen oder lösen. Wir geben eine Starthilfe."
Einige Zeit ist seit diesen Tagen vergangenen. Angelika Bär sitzt in ihrer Küche, lässt die Blicke schweifen, wirkt selbst in der Erinnerung ruhig. Ihre Gefühlslage gibt sie nicht so offen preis. Dass dies mitunter falsch sein kann, hat sie gespürt. "Ich bin jemand, der nicht gleich lautjubelnd durch den Garten hopst, meine Freude geht mehr nach innen. Das haben einige nicht richtig verstanden. Es gab Leute, die sogar dachten, dass ich mich nicht freuen würde, ja unzufrieden bin. Was nicht stimmt." Eine große Dankbarkeit empfinde sie, die bis heute anhält. "Ich weiß jetzt, was wahre Hilfe bedeutet. Diese Erfahrung ist etwas ganz Besonderes. Dass ich sie erleben durfte, werde ich stets schätzen."
Ist das jetzige Leben ein komplett neues? "Nein, das ist es nicht, und es sollte auch nie ein neues werden. Aber unser Leben hat eine bessere Grundlage bekommen. Denn zwei Herzenswünsche haben sich erfüllt." Die zuvor beengte Wohnsituation der Enkel wurde durch den Einbau zweier Kinderzimmer gelöst, und Angelika Bär trat im August ihre neue Arbeitsstelle an. "Ich habe jetzt wieder etwas für mich, werde gebraucht, was schön ist." Natürlich, und da ist die Jessenerin ehrlich, fiel ihr am Anfang einiges schwer. "Wissen sie, in den ersten Tagen habe ich mich fremd in meinem Haus gefühlt, die Flut der Zuwendungen war mir fast peinlich. Es ist alles wunderbar geworden, aber man muss sich daran gewöhnen, sich wirklich rantasten. Das war für mich nicht so einfach, und auch mein Umfeld brauchte Zeit, dies zu akzeptieren." Jetzt sind diese Hürden überwunden, der Alltag ist eingekehrt.
Das Leben der Familie Bär hat sich gewandelt. In manchen Dingen ist es jetzt sorgenfreier, leichter. Aber manches ist geblieben wie zuvor. Die Narben auf der Seele, die konnte niemand nehmen. Aber sie sind ein klein wenig blasser geworden. Weil ein Stück Lebensfreude zurückgekehrt ist.
Die in Jessen gedrehte Folge der Serie "Helfer mit Herz" wird am Montag, 24. September, um 21.15 Uhr auf RTL ausgestrahlt.