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Streit um Unterhaltsvorschuss Streit um Unterhaltsvorschuss: Jugendamt im Landkreis Wittenberg wird kritisiert

Von Ute Otto 27.05.2016, 09:06
Sitz der Kreisverwaltung ist in Wittenberg.
Sitz der Kreisverwaltung ist in Wittenberg. Archiv/Kuhn

Grabo - Hubert Kemsies aus Grabo war kurz davor, gegen den Landkreis Wittenberg zu klagen. Den Antrag auf Prozesskostenbeihilfe hatte er bereits gestellt. Wochenlang hat der geschiedene Vater zweier Kinder mit dem Jugendamt darüber gestritten, welche Fahrkosten zur Arbeitsstätte bei der Berechnung seiner Leistungsfähigkeit für den Unterhalt anzuwenden sind. Die MZ konnte dem Graboer helfen, das Problem ohne Gericht zu klären.

Weil der Dachdecker mit seinem Nettoverdienst die für das Land Sachsen-Anhalt festgelegte Selbstbehalt-Grenze von 1 080 Euro unterschreitet, bezahlt das Jugendamt den vollen Unterhalt für die beiden Kinder im Alter von neun und sechs Jahren. Das Problem begann mit der turnusmäßigen Überprüfung seiner Leistungsfähigkeit zu Jahresbeginn.

Der Graboer hatte pflichtgemäß angezeigt, dass er im August den Arbeitgeber gewechselt hat. Nun verdient er noch etwas weniger als vorher, hat aber „nur“ 31 Kilometer Anfahrt zur Firma, statt bisher 37. Weil das Jugendamt - analog der Pendlerpauschale des Finanzamtes - nur die einfache Fahrstrecke ansetzte, überstieg Kemsies' Einkommen die Selbstbehaltgrenze um 82 Euro. Diese sollte er künftig selbst tragen und zudem für fünf Monate 320 Euro zurückzahlen.

Nach den Unterhaltsleitlinien mehrerer Oberlandesgerichte ist die tatsächlich gefahrene Strecke mit 0,30 Cent mindestens für die ersten 30 Kilometer anzusetzen, danach kann der Satz auf 20 Cent reduziert werden. Auch in diesem Fall würde Kemsies die Selbstbehaltgrenze nicht erreichen. Mit dieser Auskunft seines Rechtsanwaltes, ein Experte für Familienrecht, schrieb der Graboer einen Widerspruch an das Jugendamt und erhielt die Antwort, dass kein Widerspruch möglich ist, da es sich nicht um einen Bescheid im rechtlichen Sinne handele. Da bat Kemsies die MZ um Unterstützung. „Es geht nicht darum, dass ich den Unterhalt nicht zahlen will“, so der Vater. „Ich habe das Geld nicht, müsste es mir leihen. Dann hätte ich gleich gar nichts mehr übrig, um mit den Kindern etwas zu unternehmen, wenn sie bei mir sind.“

Der Landkreis reagierte auf die Anfrage der MZ, ob sich das Wittenberger Jugendamt eigenmächtig über Gesetze hinweg setzt, sofort: „Die Leistungsfähigkeit für Herrn Kemsies wird neu berechnet“, so Kreissprecher Ronald Gauert. (mz)