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Steinsdorf Steinsdorf: Vier Gründe zum Feiern

Von Hans-Dieter Kunze 04.08.2013, 16:55
Ute Grundmann und Tochter Jessica weisen zu Beginn des Festzugs auf zwei der Steinsdorfer Feier-Anlässe hin.
Ute Grundmann und Tochter Jessica weisen zu Beginn des Festzugs auf zwei der Steinsdorfer Feier-Anlässe hin. H.-D. kunze Lizenz

Steinsdorf/MZ - Wenn das kein Anlass zum Feiern war! Große Jubiläen in einem kleinen Ort und das alles noch im Viererpack. Obwohl, Ortsteilbeiratsvorsitzender des Jessener Stadtteils, Reinhard Schüler, sieht das recht gelassen: „Wir Steinsdorfer finden immer einen Grund zum Feiern.“

Obwohl, diesmal war es eine Menge Arbeit, die im Vorfeld, schon Monate voraus, gestemmt werden musste. Doch mit viel Enthusiasmus und Begeisterung ging das Veranstaltungsteam, darunter die Mitglieder vom Ortsteilbeirat, ans Werk. Erklärtes Ziel war es, dass es auf jeden Fall wieder einen Festzug durchs Dorf geben sollte. Immerhin ist der letzte, zu 630 Jahren ersturkundlicher Erwähnung, schon wieder fünf Jahre her. Steinsdorfer sprechen aber immer noch mit einem Leuchten in den Augen davon. Doch, wie soll man so etwas auf die Beine stellen? Immerhin sinkt auch in Steinsdorf die Einwohnerzahl kontinuierlich, 90 sind es gegenwärtig noch. Aber zum Glück gibt es ja auch Enthusiasten in Nachbarorten, die gerne mit einspringen.

Von beiden Seiten

So zog am Samstag als Lohn der Anstrengungen ein bunter Tross in farbenfrohen Bildern durch den Ort und wieder zurück, so dass die Zuschauer sich den Trubel von beiden Seiten anschauen konnten, ohne die Straße überqueren zu müssen. Obwohl, die war ohnehin kurzzeitig für den Durchgangsverkehr gesperrt. Kameraden der freiwilligen Feuerwehr machten mit ihrem Einsatz den Weg frei. Für Marschrhythmen sorgte der Spielmannszug Schweinitz in grün-weißem Outfit. Jedem Festzugteilnehmern dahinter war es freigestellt, seinen Laufstil individuell zu wählen. Denn in Holzpantinen, leichten Schlappen oder gar barfuß – je nach reflektierter Zeitepoche - läuft es sich äußerst schlecht im Gleichschritt. Ute Grundmann und Tochter Jessica machten auf ihrem Plakat deutlich, worum es hauptsächlich ging: 635 Jahre Steinsdorf und 25 Jahre Dorffest. Die Familien Wroblewski und Müller sowie Helga Geißler trugen Schilder, die auf die unterschiedliche Schreibweise des Ortsnamens hinwiesen. Alles begann laut urkundlicher Erwähnung im Jahre 1378 mit Steinstorff, 1565 hieß der Ort Steynsdorf, später bürgerte sich dann bis zur heutigen Zeit Steinsdorf ein. Es folgten die Honoratioren und Hoheiten: Jessens Bürgermeister Dietmar Brettschneider, Stadtteilbeiratsvorsitzender Reinhard Schüler sowie zwischen ihnen Franziska Janowski, Weinprinzessin von 2008, und Bianka Vogt, die 2003 als Heidekönigin amtierte. Die Steinsdorfer Fahne wurde hoch zu Ross stolz von Knut Genennichen präsentiert.

Außenstelle im Dorfteich

Was aber suchten ausgerechnet der Meeresgott Neptun in Person von Dieter Ziehe und zwei Nixen in Steinsdorf, am Rande der märkischen Kiefern-Streusandbüchse, gelegen? Doch, alles hatte seinen tieferen Sinn im Festumzug: Neptun hatte nämlich eine „dienstliche Süßwasseraußenstelle“, den Dorfteich nämlich. Zu Ehren seiner Majestät waren die Neptunfeste ausgerichtet, erst später wurde daraus das eigentliche Dorffest.

Bauernvolk war zu sehen, das leichten Fußes über den Asphalt schritt. Die schwere Feld- und Stallarbeit ruhte an diesem feierlichen Tag im Anwesen der Darstellerfamilie Hanowski. Auch Scherenschleifer Günter Geißler sagte sich, dass am Festtag eh keiner scharfe Messer, Sicheln, Pflugschare und Sensen braucht, zeigte aber auf einem Handwagen hinter sich herziehend die von Kurbelhand getriebene Maschine, dass er jederzeit dazu bereit wäre. Denn das steinalte Modell ist noch voll funktionsfähig. Fragt sich nur, ob viele noch die nötige Muskelkraft dafür aufbringen können.

Junge Pioniere in weißer Bluse und mit blauem Halstuch, dargestellt von der Familie Karow, erinnerten daran, wie man sich damals ein erkleckliches Taschengeld beim VEB Sero verdienen konnte – mit Altpapier, Lumpen, Pappe sowie Gläsern und Flaschen. Aber das ist keine Nostalgie mehr, Händler griffen diese Idee auf und tauschen einiges gegen Euro. „Ich schaffe auch Zeitungen und vor allem Werbeprospekte weg“, meinte spontan eine Zuschauerin, dem Jungpionieralter längst entwachsen. „Immerhin reicht es dann für ein schönes frisches Brot“, verriet sie verschmitzt lachend.

Dagegen hat Katleen Döring heute schlechte Karten. Damals zog man mit einem Leiterhandwagen zum Steinsdorfer Dorfkonsum und packte das Gefährt voll mit Milch, Fleisch, Fisch, Butter und sonstigem Essbaren. Heute muss man zum Einkaufen das Auto nehmen. Denn Steinsdorf hat bekanntlich (noch?) keinen Discounter. Reinhard Schulze aus Großkorga hätte dagegen eher die Qual der Wahl, welchen seiner Schnauferl aus seiner umfangreichen Treckersammlung er zum Einkauf nutzt. Das könnte locker der „Pionier“, Baujahr 1950, sein, der im Umzug neben anderen Traktoren und historischen landwirtschaftlichen Geräten im Schlepp zu sehen war. Auch Thomas Grünwald aus Steinsdorf könnte das mit seinem blauen Allradtrecker Marke Eigenbau und Servolenkung. Aber man muss ja nicht unbedingt mit einem 30 Ps starken Allradtrecker vorm Einkaufsmarkt vorfahren.

Störche haben es da einfacher. Seit mehr als 100 Jahren nisten sie in Steinsdorf. Allerdings, diesmal gab es keinen Nachwuchs. Dafür ertönt seit 275 Jahren die Kirchenglocke. Sie hat alle Epochen unbeschadet überstanden, auch die Weltkriege. Gisbert Döring wies mit einem Schild darauf hin.

Alles in allem war es ein schöner, sehenswerter und interessanter, zum Nachdenken anregender Umzug zur 635-Jahr-Feier. Mit viel Liebe und in zahlreichen Stunden der Freizeit vorbereitet. Anschaulich moderiert wurde er von Helga Ziehe, wie vor fünf Jahren bereits.

Mehr als 100 Jahre nisten in Steinsdorf Störche. Als größere „Küken“ ließen sich Cheyenne (l.) und Jona-Mylee Schüler im Wagen ziehen.
Mehr als 100 Jahre nisten in Steinsdorf Störche. Als größere „Küken“ ließen sich Cheyenne (l.) und Jona-Mylee Schüler im Wagen ziehen.
H.-D. Kunze Lizenz
Meeresgott Neptun alias Dieter Ziehe nebst zweier Nixen gehörten zum farbenfrohen Bild des Festzugs am Sonnabendnachmittag.
Meeresgott Neptun alias Dieter Ziehe nebst zweier Nixen gehörten zum farbenfrohen Bild des Festzugs am Sonnabendnachmittag.
H.-D. Kunze Lizenz