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Teil-Legalisierung von Cannabis So werden Schüler im Kreis Wittenberg über Gefahren von Drogen aufgeklärt

Mitarbeiter von Resowitt informieren im Jessener Freizeittreff „Wiesengrund“ über das Gesetz zur Teil-Legalisierung von Cannabis. Was die jugendlichen Projekt-Teilnehmer darüber erfahren.

Von Thomas Tominski Aktualisiert: 01.07.2024, 08:42
Keine leichte Sache. Tim Biernath versucht in Jessen, den Parcours trotz  Simulationsbrille zu  meistern. Dies  sorgt für viel Heiterkeit.
Keine leichte Sache. Tim Biernath versucht in Jessen, den Parcours trotz Simulationsbrille zu meistern. Dies sorgt für viel Heiterkeit. (Foto: Thomas Tominski)

Jessen/MZ. - Tim Biernath setzt sich die Simulationsbrille auf und versucht, beim Losgehen nicht die Orientierung zu verlieren. Mehrere Hütchen stehen als Hindernisse im Weg, am Ende des Parcours liegt ein Ball, den der Teenager mit Schwung ins Tor befördert. „Ich habe alles sehr verschwommen gesehen“, schildert er seine ersten Eindrücke. Biernath ist zudem „völlig überrascht“, dass sein Reaktionsvermögen nur sehr verzögert funktioniert hat.

Im Rahmen des vom Landkreis geförderten und von Resowitt durchgeführten Projekts „Häng ab was dich abhängt“ – im Freizeittreff „Wiesengrund“ Jessen geht es speziell um das Thema Teillegalisierung von Cannabis – nutzt jeder Teilnehmer die Chance, mehr oder minder über den Parcours zu stolpern. Die Stimmung unter den Jugendlichen ist gut, jeder gibt einen Kommentar ab. Biernath erzählt, dass Cannabis schon Thema auf dem Schulhof gewesen sei, er sich mit der Materie aber noch nicht näher beschäftigt habe. Ist das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis okay? „Ich persönlich finde es nicht gut.“

Die Chefin des Freizeittreffs, Jennifer Röder, hat ebenfalls Schwierigkeiten, geradeaus über den Platz zu laufen. Simuliert wird mit der Brille ein Drogenrausch. „Das war eine sehr intensive Erfahrung. Ich habe meine eigenen Füße nicht mehr gesehen“, meint die 38-Jährige, die es grundsätzlich gut findet, dass Mitarbeiter von Resowitt aus der Lutherstadt solche Projekte durchführen.

Anhand  eines konstruierten Chatverlaufs müssen sich die Projekt-Teilnehmer  zum  Thema Teil-Legalisierung von Cannabis äußern.
Anhand eines konstruierten Chatverlaufs müssen sich die Projekt-Teilnehmer zum Thema Teil-Legalisierung von Cannabis äußern.
(Foto: Thomas Tominski)

Gesundheitliche Risiken

Sachgebietsleiter Christian Heimann und Vanessa Stropp, die sich Luise Alt, studentische Praktikantin bei Resowitt, zur Verstärkung mitgebracht haben und seit März 2024 vor allem an Schulen präsent sind, erzählen über gesundheitliche Risiken bei der Einnahme von Rauschmitteln und binden die Jugendlichen stets in die Aufarbeitung dieses wichtigen Themas ein. „Die körperliche Pubertät ist mit 18 Jahren abgeschlossen, die geistige mit 21. Deshalb gilt in den USA Alkoholverbot bis zum 21. Lebensjahr“, verdeutlicht Heimann Risiken für junge Konsumenten. Persönlich, so Vanessa Stropp, werde im Team die Ja-aber-Haltung vertreten. Mit dem Gesetz werden weder der Konsum deutschlandweit reduziert oder der Schwarzmarkt-Verkauf eingedämmt.

In Schulen, Kinder- und Jugendeinrichtungen sowie Sportstätten und in deren Sichtweite ist kiffen nicht zulässig. Bei einem kleinen Spiel wird den acht Teilnehmern im „Wiesengrund“ die Frage gestellt, wieviel Prozent in welcher Altersgruppe schon Erfahrungen mit Cannabis gemacht haben. Da zählt bereits ein aktiver Zug am Joint. Der Großteil, das Spektrum reicht von zwölf bis 17 Jahren, tippt auf etwa 75 Prozent. Sie sind sich sicher, dass gerade in den Großstädten ordentlich gekifft wird. Stropp und Heimann liefern nach der Schätzrunde die Auflösung auf Grundlage einer Studie. Deutschlandweit haben neun Prozent Erfahrungen gemacht. Bei den 12- bis 13-Jährigen sind es 0,5 Prozent, bei den 16- bis 17-Jährigen 20. Die Zahl explodiert erst ab der Gruppe 18 bis 25. 50 Prozent löst sogar bei der Jugend aus Jessen Erstaunen aus.

Freizeittreff-Chefin  Jennifer Röder hört interessiert zu.
Freizeittreff-Chefin Jennifer Röder hört interessiert zu.
(Foto: Thomas Tominski)

Offene Diskussionsrunde

Wie erwähnt: Die Teilnehmer aus Jessen sind voll mit in das Projekt eingebunden. Sie führen mit Stropp und Heimann offene Diskussionen, simulieren mögliche Situationen und geben persönliche Einblicke. „Der Konsum von Cannabis erhöhte das Schlaganfallrisiko“, heißt es aus der der Runde. Schlaf, Ruhe und Gelassenheit sind aus ihrer Sicht noch positive Aspekte, doch bei Herzrasen, Panikattacken, Bluthochdruck, Gedächtnisverlust oder ständiger Übelkeit hört der Spaß auf. „Ich habe gehört“, sagt ein Junge, „dass Konsumenten des Öfteren an Bindehautentzündung leiden.“ Ja, meint Stropp, der Betroffene blinzele nicht mehr und in Folge jucken die Augen. Dazu kommt, dass der Rauch diese zusätzlich reizt. „Wir sind hier, um Fakten zu vermitteln“, so die Mitarbeiterin.

Vanessa Stropp  und  Christian Heimann  von Resowitt leiten das Projekt.
Vanessa Stropp und Christian Heimann von Resowitt leiten das Projekt.
(Foto: Thomas Tominski)

Der Verein Resowitt habe im Sommer 2023 ein Programm zur Suchtprävention in den Bereichen Alkohol- und Medienkonsum, Medienbildung sowie illegale Substanzen gestartet. Seit Frühjahr werde auch über Cannabis informiert. Das Angebot richte sich vordergründig an Schulen und Jugendclubs. „Es kann nach Erledigung aller Formalitäten auch von Privatpersonen genutzt werden“, ergänzt Heimann. Beispiel: Die Eltern eines Teenagers veranstalten eine Party und laden dazu das Team von Resowitt ein. „Eigentlich gibt es in der Region noch zu wenige Projekte zum Thema Suchtprävention“, betont der Sachgebietsleiter, der die Förderung seitens des Landkreis mit „sehr lobenswert“ herausstreicht.

Vanessa Stropp  geht auf die einzelnen  Notizzettel  ein.  Hier haben  die  Jugendlichen  aufgeschrieben,  welche  Konsequenzen der Konsum   haben  kann.
Vanessa Stropp geht auf die einzelnen Notizzettel ein. Hier haben die Jugendlichen aufgeschrieben, welche Konsequenzen der Konsum haben kann.
(Foto: Thomas Tominski)

Der 13-jährige Willi Schmolke hört gespannt zu. „In meinem Alter ist Cannabis kein Thema. Selbst in der Schule nicht. Ich kenne vieles nur aus Radio oder Fernsehen.“ Grundsätzlich kann er sich vorstellen, dass man nach einem Joint ordentlich aufgedreht ist.