1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Schweinemast in Gerbisbach: Schweinemast in Gerbisbach: Punktsieg für Kritiker

Schweinemast in Gerbisbach Schweinemast in Gerbisbach: Punktsieg für Kritiker

Von Klaus Adam 28.02.2019, 14:34
Blick auf die Schwei­ne­ma­st­an­lage Ger­bis­bach.
Blick auf die Schwei­ne­ma­st­an­lage Ger­bis­bach. Archiv/Thomas Christel

Gerbisbach/Halle - Der Genehmigungsbescheid vom 10. August 2009 zur Errichtung der Schweinemastanlage in Gerbisbach ist rechtswidrig und nicht vollziehbar. Dieser an sich lapidar klingende Satz kann gut und gern als Paukenschlag bewertet werden.

Er ist am Dienstagabend der zentrale Punkt des Urteils der achten Kammer am Verwaltungsgericht Halle. Nach gut zweieinhalb Stunden Beratungszeit verkündete die Kammer diesen Urteilsspruch. Mehr als sechs Stunden lang hatte sie zuvor in der Verhandlung die Einwände des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND) gegen das Landesverwaltungsamt Halle als Genehmigungsbehörde erörtert, das Für und Wider von beiden Seiten vernommen.

Zwischen beiden Streitparteien saßen Barry van den Broek und Helmut Rehhahn, Betreiber und Projektmanager der Anlage, mit ihrem Rechtsvertreter als so genannte Beigeladene.

Skepsis an Heilbarkeit

Länger als die Verfahrensbeobachter im Zuschauerraum warten mochten, beriet also die aus drei Berufsrichtern und zwei Schöffinnen bestehende Kammer am Abend ihr Urteil. Dessen Wortlaut wurde daher um so gespannter am gestrigen Mittwochmorgen beim Gericht erfragt.

Wer erwartete, dass es in der Verhandlung etwa darum ginge, wann, wie oft und in welchem Maße die Schweinemastanlage die Lebensqualität störende Gerüche verbreitet oder ob die Haltung dem Tierschutz entspricht, hätte falsch gelegen. Es ging einzig darum, festzustellen, ob in verwaltungsrechtlicher Hinsicht im Genehmigungsverfahren Fehler begangen wurden oder eben nicht. Akribisch wurden die aus Sicht der Kläger bestehenden Kritikpunkte erörtert. Etwa, ob die angewandten Prognoseverfahren tatsächlich die zielführenden waren, zum Beispiel zum Immissionsschutz. In einigen Punkten ging es auch um die Frage, ob das, was heute kritisiert wird, zum Genehmigungszeitpunkt schon Stand der Technik bzw. erkennbar war.

„Die FFH-Verträglichkeitsprüfung (FFH ist die Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie der EU - die Redaktion) genüge nicht den an sie zu stellenden Anforderungen“, lautet es in der Presseinformation des Gerichtes zum Urteil nach dem eingangs zitierten Satz weiter. „Bei der Immissionsprognose lägen fachliche Mängel bezüglich der Ermittlung der von der Anlage ausgehenden Immissionen vor“, heißt es außerdem. Allerdings: „Da diese Fehler in einem ergänzenden Verfahren beseitigt werden können, sei aber nicht die Aufhebung der Genehmigung auszusprechen, sondern nur deren Rechtswidrigkeit festzustellen“, zitiert die Pressemitteilung den Spruch der Kammer abschließend. Die Kläger hatten die Aufhebung beantragt.

Projektmanager Helmut Rehhahn äußerte denn auch auf die MZ-Anfrage nach dem Urteil überzeugt: „Wir werden die im Urteil geforderten Untersuchungen und Gutachten in Auftrag geben und nachreichen, um die Anlage rechtssicher zu machen.“ Daran glaubt der Anwalt der Kläger, der Berliner Peter Kremer, allerdings nicht. Er gehe stark davon aus, dass die Mängel in der Genehmigung nicht behoben werden können und diese damit endgültig aufgehoben wird, erklärt der BUND in seiner Presseinformation. Kremer wörtlich: „Angesichts der zahlreichen und gravierenden Mängel, die bei

der mündlichen Verhandlung zur Sprache kamen, dürfte die Hürde sehr hoch sein. Der Betreiber der Schweinemastanlage müsste aktuelles geltendes Recht einhalten. Und die Anforderungen insbesondere aus dem Naturschutzrecht haben sich deutlich verschärft.“ Der Landesvorsitzende des BUND, Ralf Meyer, sagt: „Die Entscheidung ist ein weiterer Baustein im Bemühen des BUND, gegen die tierquälerische Massentierhaltung vorzugehen. In Sachsen-Anhalt muss auch künftig mit starkem Gegenwind gerechnet werden.“

Gabriele Wolf, die Sprecherin des Initiativkreises gegen die Schweinemastanlage, betont gegenüber der MZ, „dass der lange Kampf nun das erste Mal zu einem greifbaren Ergebnis geführt hat. Wir werden das Verfahren gegen die Schweinemastanlage auch weiter vorantreiben. Unser Ziel ist es, dass die Anlage stillgelegt wird.“ Sie bedankte sich bei allen Unterstützern, die dem Initiativkreis organisatorisch und finanziell zur Seite standen. „Wir haben auch weiterhin einen langen Atem. Darauf kann sich der Schweinemäster einstellen.“

Erst genau prüfen

Im Landesverwaltungsamt, dem Beklagten in der Sache, werde man erst die genaue Urteilsbegründung abwarten, hieß es am Mittwoch aus der dortigen Pressestelle auf MZ-Anfrage. „Erst nach einer eingehenden Prüfung der Urteilsgründe kann entschieden werden, ob weitere rechtliche Schritte durchgeführt werden“, teilte Sprecherin Denise Vopel mit. Die Kammer hat die Berufung zum Oberverwaltungsgericht zugelassen.

Neben dem erwähnten Urteilsspruch die Genehmigung der Anlage betreffend hat das Gericht eine weitere Klage ausgesetzt. Die griff zwei Bescheide zur Fristverlängerung an. Hier will sie zunächst ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes in Leipzig abwarten. Das wird sich mit der Frage befassen, ob der BUND in dieser Frage „klagebefugt ist, das heißt, ob er in eigenen Rechten verletzt ist“, wie es in der Mitteilung des Gerichtes heißt. Eine weitere, eher verfahrensrechtlich relevante Klageerweiterung wurde vom Gericht in diesem Verfahren nicht behandelt und deshalb formell abgewiesen. Sie kann aber, wie Kremer dazu erklärt, Gegenstand eines neuen Verfahrens sein.

(mz)