Pyrenäenberghund gegen Wolf Pyrenäenberghund gegen Wolf: Der Schutzhund zieht die Grenze

Zwuschen - Seit einem Monat ist Ruhe. Hobbyschäfer Frank Seide wirkt ausgeschlafen und blickt zufrieden über die Koppel.
Dort grasen Rhönschafe, Heidschnucken und Schwarzköpfe, die nach mehreren Wolfsattacken zwangsläufig als Herde zusammengewachsen sind. Seides Pyrenäenberghund ist der Chef im Ring. „Wir sind ein eingespieltes Team“, betont der 59-Jährige, der die Qualitäten des vierbeinigen Bodyguards sehr schätzt.
Der Hobbyschäfer erzählt, dass er seine Koppel inzwischen von 4,5 auf neun Hektar vergrößert hat. Nach der Demontage des Zwischenzauns sei der Pyrenäenberghund, der im Herdenschutz-Zentrum Wiesenburg von Mario Lindenborn geprägt worden ist, sofort sein neues Revier abgelaufen. „Er hat am Koppelzaun Duftmarken gesetzt“, so der Prettiner, der nebenbei bemerkt, dass es trotz aller augenblicklichen Zufriedenheit der allerletzte Versuch ist, die Herde zu retten.
Schafe gehören auf Weideflächen und nicht in den Stall. Wenn der Wolf erneut zuschlägt, zieht Seide die Reißleine.
Der Erfolg hat auch seine Schattenseiten. Leute rufen an und wollen den Namen des Vierbeiners wissen. Sein Hund sei kein Kuscheltier, meint der Prettiner und weist ausdrücklich darauf hin, dass der weiße Bodyguard nicht gefüttert werden darf. Dies ist allein Aufgabe des Herrchens. Grundsätzlich stellt diese Rasse für Spaziergänger oder Landwirte keine Bedrohung dar, doch der Zaun gilt als Grenze. Den Sicherheitsabstand bestimmt der Hund.
Besuch bei Mario Lindenborn
Vor ein paar Tagen ist Seide in Wiesenburg gewesen. „Ich habe mir einen neun Wochen alten Welpen gekauft“, verrät der Prettiner. Die junge Hündin der Rasse Pyrenäenberghund läuft derzeit in der Schafherde von Mario Lindenborn mit, um sich an Tiere
zu gewöhnen. Mitte Dezember wechselt der Vierbeiner das Bundesland. Der 49-jährige Leiter des Herdenschutzzentrums, der vor Ort auch ein Tierheim betreibt, erklärt, dass es nicht ratsam sei, den Welpen gleich auf der Koppel einzusetzen. Die Hündin muss zunächst in den Alltag des Schäfers integriert werden.
Dazu gehören Auto- und Einkaufsfahrten, der Umgang mit anderen Nutztieren oder Verhaltensregeln im Haus. Im Frühjahr 2019 darf der Welpe beim großen Pyrenäenberghund in die Lehre gehen. Für die Klassifizierung ist Swen Keller von der Interessengemeinschaft Herdenschutz plus Hund aus Aken zuständig. Zu diesem Zeitpunkt ist die Hündin bereits zwei Jahre. Seide erzählt, dass er sich eine Prüfungsabnahme der IG in Kühren (Ortsteil von Aken) angesehen hat und total begeistert gewesen ist. Mehr noch: „Ich werde dort Mitglied.“
Kein Interesse am Zwinger
Die Frage, ob der Wolf - in der Glücksburger Heide befindet sich ein Rudel - seit Wochen einen Bogen um die Koppel macht, kann Seide nicht konkret beantworten. Er sei nur einmal überrascht gewesen, dass sein Bodyguard im Tiefschlaf auf der Weidefläche gelegen und sein Auto nicht gehört hat. Das heißt wohl, dass er zuvor ordentlich zu tun hatte. Herdenschutzhunde sind nachtaktiv und haben einen anderen Rhythmus, doch bei sich nähernden Motorengeräuschen gehen sie normalerweise in Habachtstellung.
„Das kann nicht nur ein Reh gewesen sein“, ist sich der Schäfer zu den mutmaßlichen „Besuchern“ sicher. Jetzt steht der Vierbeiner hinter dem Zaun und hört seinem Herrchen zu. Die provisorische Hütte (Kälberunterstand) nutzt er nur im Notfall. Der 59-Jährige ist überrascht, dass der Hund selbst bei Schneeregen auf der Wiese liegt. Im offenen Zwinger dreht er nur Ehrenrunden.
Seide hat inzwischen vom Wolfskompetenzentrum Iden (bei Stendal) Post bekommen. In dem Schreiben, sagt er, wird bestätigt, dass es sich bei den knapp 30 Rissen um Wolfsangriffe handelt. Dies habe die eingeschickte Speichelprobe ergeben. Jetzt will der Prettiner einen Entschädigungsantrag beim Amt für Landwirtschaft, Flurneuordnung und Forsten stellen. „Da kocht die Sache noch einmal richtig hoch.“ (mz)