1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. Nur 20 Meter entfernt: Nur 20 Meter entfernt: Hobby-Schäfer wehrt Wolf mit Jeep ab

Nur 20 Meter entfernt Nur 20 Meter entfernt: Hobby-Schäfer wehrt Wolf mit Jeep ab

Von Thomas Tominski 23.02.2018, 17:23
Wölfe sorgen in Sachsen-Anhalt für mitunter hitzige Diskussionen.
Wölfe sorgen in Sachsen-Anhalt für mitunter hitzige Diskussionen. dpa

Linda - Frank Seide hat ein mulmiges Gefühl im Magen. Der Hobbyschäfer aus Prettin schaut minütlich in Richtung Wald, wohin er aller Wahrscheinlichkeit nach einen Wolf vertrieben hat. Seide erzählt, dass ihn Spaziergänger beim Koppelbau in Linda darauf aufmerksam gemacht haben, dass er von Isegrim beobachtet wird.

Drei Tage später stehen sich Mensch und Tier gegenüber. „20 Meter voneinander entfernt“, fügt der Schäfer erklärend hinzu. Seide ist ein Mann der Tat, springt in seinen Geländewagen - und gewinnt das Duell Pferdestärken satt kontra einer Wolfsstärke.

Laut seiner Einschätzung sei es eine Mischung aus Schäferhund und Wolf gewesen, aus der Größe XXL wird er nicht so richtig schlau. „War schon abnorm“, sagt er und beschreibt das Fell mit dreifarbig.

Schwierige Kontaktaufnahme

Um seine 80 Schafe macht sich der Prettiner Sorgen. Seit dem Sichtkontakt mit dem „Fremdling“ laufen sie aufgeregt über das 10.000 Quadratmeter große und per Elektrozaun abgesteckte Areal auf den Lindaer Wiesen und meiden sogar den Kontakt mit Seide. „Die kommen nur zum Füttern näher“, sagt er und beweist, dass selbst seine vertrauten Lockpfiffe keinen Erfolg bringen.

Der Schäfer hat seine Hunde zu Hause gelassen. Dies sei bei einem Koppelbetrieb nicht nötig. Der Zaun ist hoch und steht unter Strom. Wenn der Wolf die Drähte berührt, merkt er, dass Saft drauf ist. Doch die Raubtiere (oder ein einzelnes Tier) sind bekanntlich gute Jäger.

Laut Seide, der Rhönschafe und Heidschnucken in seiner Herde hat, treibt der Wolf die nervöse Herde in eine Ecke und schnappt dann zu. „Die drücken an der Stelle den Zaun runter.“

Gegenseitiger Respekt

Der Schäfer ist täglich drei Stunden vor Ort. Er weiß, dass er gegen das Raubtier wenig ausrichten kann und betont, dass er persönlich großen Respekt hat. „Wir haben uns zunächst zehn Minuten belauert. Dann habe ich die Initiative ergriffen und bin in meinen Geländewagen gesprungen.“

Am 12. Mai findet in Zwuschen bei Dixförda der vierte Vieh- und Bauernmarkt auf dem Gelände der Glücksburg Agrar statt. Organisator ist Frank Seide, der zwischen Dixförda und Steinsdorf eine kleine Schafzucht betreibt. Los geht es um 9 Uhr, das Ende der Veranstaltung ist für 17 Uhr geplant. Bisher haben sich 40 verschiedene Händler angesagt. Schwerpunkt ist die Schäferei. Gezeigt wird auch die Verarbeitung der Wolle.

Hauptbeute sind mittelgroße bis große Huftiere, der Mensch steht nicht auf der Speisekarte des Canis lupus. Doch der Prettiner traut der Sache nicht. Er fragt sich: Warum soll das Tier jagen, wenn der Tisch vor seiner Nase gedeckt ist?

Seide kennt die „Leitlinie Wolf“, die das Ministerium für Umwelt, Landwirtschaft und Energie von Sachsen-Anhalt im Juli 2017 verabschiedet hat. Ziel der Leitlinie ist es, das Zusammenleben mit dem Wolf möglichst konfliktarm zu gestalten. Der Schäfer geht nicht auf Konfrontationskurs und fordert den Abschuss der Tiere, doch wer den Schaden hat, sehe zwei Euro pro Kilo gerissenes Fleisch nicht als adäquate Entschädigung an.

Zudem liege ihm die Weiterzucht von Rhönschafen und Heidschnucken am Herzen. Warum zwei Sorten? Seine Tiere sind Feinschmecker. Jede Sorte frisst nur bestimmte Gräser. Damit die Mischung endgültig stimmt, laufen zusätzlich ein paar Ziegen in der Herde mit. Diese mimen nicht den Wachhund, sondern putzen den Rest weg.

Der Prettiner schaut auf seine über die Wiesenfläche rennenden Schafe, stellt das Leittier mit „der Boss“ vor und freut sich über die Lämmer, die ihren Spieltrieb ausleben. „Die Lammzeit geht noch bis März“, sagt er und erzählt etwas leiser, dass einige Tiere für Ostern geschlachtet werden.

Der 59-Jährige will nicht noch einmal so eine Situation wie 2014 erleben, als Wölfe fünf seiner Schafe auf einer Weide bei Zwuschen gerissen haben. Doch gegen einen Jäger von Format ist er machtlos.

(mz)