Musikschule in Jessen Musikschule in Jessen: Mit offenem Ohr und Herzen

Jessen - „Mission Impossible“ spielt Franka Schütze auf ihrem Keyboard und beschert damit dem Tag der offenen Tür in der Jessener Außenstelle der Kreismusikschule einen spannungsgeladenen Schlussakkord. Allerdings ist die anspruchsvolle Titelmelodie der gleichnamigen TV-Serie für die 15-Jährige keine „unlösbare Aufgabe“. Sie trägt das Stück bravourös vor und bekommt reichlich Beifall dafür – ebenso wie weitere 13 Musikschüler, die zuvor auf dem Klavier, der Gitarre, Violine, Blockflöte und Trompete beeindruckt hatten.
Ganze Familien kommen
Einen Nachmittag lang sind Interessierte aller Altersgruppen eingeladen, im bekannten rotgeklinkerten Gebäude auf zwei Etagen – quasi „Tonleiter hinauf, Tonleiter hinab“ – auf Entdeckungsreise zu gehen. Zur großen Freude von Leiterin Ute Burkhardt und ihrem Team kommen sogar noch mehr Menschen als im vorigen Jahr.
Hauptsächlich sind es Familien, deren Kinder die Musikschule besuchen – oder künftig besuchen wollen. Eine Aufnahme ist schon ab zwei Jahren möglich – zunächst in den Kurs „Musikalische Früherziehung“. Seit 1990 wird er von Johanna Eisenblätter geleitet. Kein Wunder, dass sie mitunter schon zwei – oder gar drei Generationen einer Familie kennt. Auch die Geschwister Tom (12), Noemi (9) und Debora (6) Böttcher aus Elster wurden von ihr spielerisch in die Klangwelt eingeführt. Alle drei haben sich nacheinander für Trompete entschieden und lassen sich von Klaus Vogelsang, Lehrer für Blechblasinstrumente, unterrichten. Katrin Böttcher, die Mutter des Bläsertrios, lobt: „Wir stellen immer wieder fest, dass die Kinder durch das Musizieren enorm an Selbstvertrauen gewinnen.“ Weil schon das Zuhören so viel Spaß macht, würde sie am liebsten auch noch ein Instrument lernen.
„Zu spät ist es nie. Unsere ältesten Schüler sind über 50 Jahre alt“, macht Jörg Schnepel Mut. Er unterrichtet Gitarre. In Jessen ist es eines der gefragtesten Fächer. Wie gut fleißige Gitarristen nach nur einem Jahr Unterricht spielen können, zeigt der achtjährige Fabian Schiller im Übungskabinett mit mehreren Musikstücken. Die Geschwister Tara (8) und Bennet (11) Mohrs präsentieren sich am frühen Abend sogar im Duett von Klavier und Gitarre, während im Nachbarzimmer Otto-Bernhard Glüer auf das Keyboard neugierig macht. Mit Dorit Zaffky hat er eine 45-jährige Schülerin, die zum Unterricht aus Ahlsdorf (Elbe-Elster) anreist. „Ich erfülle mir einen Traum. Vielleicht lerne ich sogar noch, die Orgel in unserer Kirche zum Klingen zu bringen“, bemerkt sie – und wird von ihrem Lehrer ermuntert, noch etwas kraftvoller zu spielen.
Schon am Nachmittag nutzt Sarah Henze (8) aus Elster die Gelegenheit, Oma Erni, Opa Horst und Mutti Grit zum Extra-Konzert einzuladen: Neben ihrer Klavierlehrerin Ute Burkhardt sitzend spielt sie mit ihr vierhändig einen Frühlingswalzer. „Fantastisch, zwei Jahre lernt das Mädchen erst Klavier! Ich bin hin und weg“, gesteht Oma Erni und kommentiert: „Hier wird mit offenem Ohr und offenem Herzen gelehrt.“
Entspannen im Musikschulcafé
Seit vielen Jahren unterrichtet Dorothea Schulze im Fach Blockflöte und hat zahlreiche Schüler zu meisterhaftem Spiel geführt. Das Instrument lässt sich in den Stimmlagen Sopran, Tenor, Alt und Bass sowohl solo als auch im Ensemble virtuos einsetzen. Das zeigen Milena Letz mit einer ungarischen Komposition und ein Blockflötenquartett, das zum Vergnügen aller Zuhörer mittelalterliche Tanzmusik vorträgt.
Einer der wenigen Räume, aus denen keine Musik klingt, ist das extra eingerichtete „Musikschul-Café“. Zwei ehrenamtliche Mitarbeiterinnen haben den Service übernommen und tragen auf ihre Weise zum Wohlgefühl der Gäste bei. Der kleine Leo (2) ist von einem großen Stück Kuchen sehr angetan. Während er dies verspeist, verrät Mutter Alexandra Findeis aus Kleindröben: „Bei uns sitzt Oma am Klavier, die Tante spielt Schlagzeug, und Leo übt schon auf der Mundharmonika.“ Kein Wunder also, wenn der Steppke bald den musischen Kreis von Johanna Eisenblätter verstärkt. Falls es genügend Interessenten gibt, besteht sogar die Möglichkeit, einen Babykurs zu eröffnen, Mindestalter: eineinhalb Jahre.
Die Musikschule möchte weiterhin alle Fächer in der bisherigen breiten Palette unterrichten. Dazu gehören auch Schlagzeug, Holzblasinstrumente, Laute und Gesang. „Uns fehlen nicht die Schüler, sondern ausreichend Lehrer“, berichtet Ute Burkhardt über ein Problem, das nicht allein in Jessen und Wittenberg, sondern in vielen Musikschulen des ländlichen Raumes besteht: „Neben festangestelltem Personal werden Honorarkräfte gebraucht, doch in der Umgebung haben wir kaum noch Musiker, die dafür infrage kämen. Die Theaterszene, aus der sie früher schöpfen konnten, existiert kaum noch. Also sind weite Anfahrtswege – etwa aus Dresden, Leipzig und Berlin – nötig. Das verursacht mehr Kosten.“ Mit Blick auf die erfreuliche Resonanz des Tages der offenen Tür blicken die Musikschullehrer jedoch optimistisch auf das neue Schuljahr. (mz)