Logistik Logistik: Zellendorf bekommt wieder Bahnsteig
Zellendorf/MZ - Ab 15. Dezember, zum Fahrplanwechsel bei der Deutschen Bahn AG, sollen in Zellendorf wieder die Züge der Regionalexpress-Linie RE 5 Stralsund-Berlin-Jüterbog-Falkenberg halten. Das war zuletzt 1995 der Fall, dann wurde Zellendorf vom Zugverkehr quasi abgekoppelt, die Personenzüge fuhren durch, die nächsten Haltepunkte waren Linda beziehungsweise Oehna. Das wollten sich die betroffenen Bürger nicht gefallen lassen. Wiederholt gab es Initiativen und Vorstöße, dass Nahverkehrszüge wieder in Zellendorf haltmachen.
Seit 2000 wird verhandelt
Niedergörsdorfs Bürgermeister Wilfried Rauhut (parteilos) – Zellendorf ist einer von 22 Orten in diesem Gemeindeverbund – erinnert sich: „Seit dem Jahr 2000 sind wir intensiv dran und verhandelten mit der Deutschen Bahn AG, dem Land Brandenburg und dem Landkreis Teltow-Fläming.“ Immer wieder gab es Hoffnung, vage Versprechen, Zu- und schließlich Absagen zwecks Neubau eines Bahnsteiges. Denn der alte war desolat, das Ein- und Aussteigen eine Gefahr für die Reisenden. Darin waren sich alle einig. „Deshalb freuen wir uns umso mehr, dass unsere Hartnäckigkeit von Erfolg gekrönt ist“, so Rauhut.
Die Bauarbeiten begannen am 2. September und sollen voraussichtlich bis Mitte Oktober komplett abgeschlossen sein (der Schienenersatzverkehr ist bereits morgen aufgehoben). Die Baukosten für die Bahnsteiganlage in Zellendorf sind auf etwa 290 000 Euro veranschlagt, teilte ein Bahnsprecher mit. Für die Bauarbeiten erteilte die DB Station & Service AG, Bau- und Anlagenmanagement RB Ost, der Hasselmann GmbH aus Plauen den Zuschlag. Errichtet wird ein so genannter Außenbahnsteig, 140 Meter lang und drei Meter breit. Zum Gleis hin werden Betonelemente gesetzt, der übrige Bereich wird gepflastert. Der Übergang zu den Zügen wird barrierefrei sein. Ein Wetterschutzhäuschen sowie Sitzgruppen gehören zur Ausstattung, ebenso eine Info-Vitrine und die Bahnsteigbeleuchtung.
Die Bahnstrecke Jüterbog-Falkenberg-Röderau wurde bereits 1848 in zwei Etappen eingeweiht. Sie verbindet die heutigen Trassen Berlin-Halle/Leipzig und Dresden-Leipzig und war bis 1875 die Hauptverbindungsstrecke von Berlin nach Dresden. Erst 1875 wurde die 16 Kilometer kürzere Strecke über Elsterwerda und Doberlug-Kirchhain eingeweiht und von der Berlin-Dresdener Eisenbahngesellschaft bedient. Seit 1871 kreuzt die alte Verbindung in Falkenberg die damalige Strecke Halle-Sorau-Guben. Dort entstand ein großer Turmbahnhof. Betreiber der Strecke Jüterbog-Röderau war die Berlin-Anhaltische Eisenbahngesellschaft, im 19. Jahrhundert vier Jahrzehnte lang eine der bedeutendsten Deutschlands. Älteren Bürgern ist Herzberg-West noch als Anhalter Bahnhof geläufig.
Nach dem Zweiten Weltkrieg ließ die sowjetische Siegermacht zwischen Röderau und Jüterbog durchgängig das zweite Gleis als Reparationsleistung demontieren. In den 1970er Jahren wurde der Abschnitt Röderau-Falkenberg wieder zweigleisig ausgebaut und die Strecke bis Jüterbog elektrifiziert. Von Falkenberg bis Jüterbog wird weiterhin eingleisig gefahren. Die Höchstgeschwindigkeit der gesamten Trasse ist auf 100 Stundenkilometer festgesetzt, ausgenommen Langsamfahrstellen. Zwischen Falkenberg und Berlin bis Stralsund bedient der Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) die Strecke.
Freude über den Bahnsteigbau herrscht auch bei der Fläming-Air GmbH. Der Verkehrslandeplatz ist dann auch bequem zu Fuß erreichbar. „Wir warten schon seit Jahren auf diese Anbindung, das Dranbleiben vor allem der Gemeinde Niedergörsdorf hat sich gelohnt“, sagte Martin Eckardt, Geschäftsführer von Fläming-Air. „Berlin rückt für uns näher“ fügt Flugleiterin Monika Hackel an. Denn von Zellendorf bis Berlin-Südkreuz und Hauptbahnhof dauert die Fahrt nur rund eine Stunde. Auch für „fliegende Geschäftsleute“ oder Sportflieger wird dieser neue Haltepunkt sicher interessant werden.
Die Anbindung musste auch mit dem Verkehrsverbund Berlin-Brandenburg (VBB) abgestimmt werden. Er bedient die Strecke und die Stationen zwischen Stralsund und Falkenberg mit dem RE 5. Mit dem Fahrplanwechsel am 15. Dezember wird es von Montag bis Freitag 20, Samstag und Sonntag je 18 Abfahrten von Zellendorf, zumeist im Zweistunden-Takt, geben. Linda und Holzdorf werden weiterhin bedient. Auch für hier zusteigende Reisende gilt der gegenüber der Bahn günstigere Nahverkehrstarif, obwohl sie in Sachsen-Anhalt liegen. „Holzdorf und Linda sind als Tarifwabe dem Landkreis Teltow-Fläming zugeordnet.“ So formulierte es VBB-Pressesprecherin Elke Krokowski auf MZ-Nachfrage. Durch die Inbetriebnahme von Zellendorf als Haltepunkt werde sich die Fahrzeit des RE 5 lediglich um ein bis zwei Minuten verlängern.
Ein weiteres Hindernis für die Wiederaufnahme eines durchgängigen Zugverkehrs zwischen Jüterbog und Falkenberg ist die Brücke über die Schwarze Elster bei Premsendorf (die MZ berichtete). Derzeit wird die neue Stahlkonstruktion in der Nähe des Bahnübergangs von Premsendorf vormontiert. Die Brücke soll ebenfalls bis zum Fahrplanwechsel sowohl durch Personen- als auch Güterzüge wieder befahrbar sein. „Wenn“, so schränkt Bahnsprecher Gisbert Gahler ein, „es in dieser Zeit keinen extremen Wasserstand des Flusses gibt.“
Marode Brücke bereitet Sorgen
Ein weiteres Nadelöhr an der Strecke liegt zwischen Oehna und Jüterbog nahe Rohrbeck. Es ist die Bahnüberführung, die über die Landesstraße von Dennewitz nach Oehna führt. Der Durchlass ist extrem schmal und niedrig, Lkw und Busse passen gerade mal so hindurch, die Brücke insgesamt ist in marodem Zustand. Züge dürfen sie nur im Schritttempo passieren. Sogar internationale Schnellverbindungen wie der IC/EC 27 Berlin-Dresden-Prag, der über Röderau und Falkenberg fährt. Ein Ersatzbauwerk muss dringend her. „Da sind wir ebenfalls schon seit Jahren dran, um andere Straßen durch unsere Gemeinde zu entlasten“, unterstreicht der Bürgermeister. Die gewählten Strecken, beispielsweise zwischen Gölsdorf und Oehna, werden als Umleitungen genutzt, sind dafür aber nicht ausgelegt.
Auch beim Brückenbauwerk ist es bereits seit Jahren ein regelrechtes Tauziehen, vor allem zwischen Gemeinde, Bahn und dem brandenburgischen Landesbetrieb Straßenwesen. Guido Güthling, Straßenmeister in Luckenwalde, meinte nur: „Mit der Bahn sind es immer zähe Verhandlungen.“ So habe man sich bis heute vergeblich darum bemüht, das alte Kopfsteinpflaster unter der Brücke (es ist Bahngelände) durch Asphalt zu ersetzen. „Da sind schon vor über hundert Jahren Pferdefuhrwerke drüber gerollt“, meinte er sarkastisch. Wilfried Rauhut erinnert sich, dass dafür die Jahre 2008/2009 mal im Gespräch waren; zeitgleich mit dem Bahnsteigbau in Zellendorf. Jetzt werde von der Bahn als frühestmöglicher Termin das Jahr 2015 genannt.
Wichtige Ausweichstrecke
Bahn-Pressesprecher Gahler bestätigt, dass die Trasse Berlin-Jüterbog-Falkenberg und weiter in Richtung Süden eine generelle Bedeutung habe, besonders bei Störungen oder Baumaßnahmen. Verstärkt genutzt werden müsste sie im Zeitraum zwischen August 2016 und Dezember 2017 zwischen Wünsdorf und Elsterwerda. In dem Abschnitt der Trasse Dresden-Doberlug-Kirchhain-Berlin sind umfangreiche Bauarbeiten geplant.
Jörg Podzuweit aus Jüterbog hat für alles nur ein müdes Lächeln übrig. Er ist stellvertretender Sprecher der Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft, Landesverband Brandenburg. „Die Probleme sind doch seit Jahrzehnten bekannt“, sagt er und wirft der Bahn kurzsichtiges Denken vor. Denn um einen durchgehend zweigleisigen Ausbau der Strecke Falkenberg-Jüterbog wie zwischen Riesa und Falkenberg werde man nicht umhinkommen. Über die Schwarze Elster bei Arnsnesta könne man ein zweites Brücken-Trogbauwerk schieben und der neue Bahnsteig in Zellendorf müsse dann eben verlegt werden.
Jetzt wurde er dort gebaut, wo einst das zweite Gleis verlief. Er ist der festen Überzeugung: „Die Trasse von Dresden nach Berlin über das Gleisdreieck Röderau bei Riesa, Falkenberg und Jüterbog wird als durchgängige Hochgeschwindigkeitsstrecke gebaut. Nur wann, das ist ungewiss.“ Als Argumente führt der Eisenbahnexperte unter anderem an, dass es auf dieser Trassierung wenige niveaugleiche Straßenübergänge, weniger enge Kurven und geringere Steigungen als auf der Strecke über Doberlug-Kirchhain gäbe. Zudem seien es über Röderau nur 16 Kilometer mehr Schienenweg. Podzuweit schlussfolgert: „Der bisherige Streckenverlauf auf der angeblichen Direktverbindung wird trotz Ausbaus den Zuwachs im Zugverkehr auf lange Sicht nicht mehr verkraften.“