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KZ-Gedenkstätte Lichtenburg Prettin KZ-Gedenkstätte Lichtenburg Prettin: Gymnasiasten setzen Eindrücke künstlerisch um

Von Detlef Mayer 30.09.2014, 09:14
Blick in den Hof des Schlosses Lichtenburg in Prettin.
Blick in den Hof des Schlosses Lichtenburg in Prettin. DPA/archiv Lizenz

Prettin - „Das ganze Lager steht im Karree/ bis zu den Knien im kalten Schnee./ Die letzten Kommandos sind verhallt,/ der Häftling fest auf den Bock geschnallt./ Die mit den Totenköpfen und den gekreuzten Knochen an den Mützen - schwitzen./ Ärmel hochgekrempelt - von den Seiten - Peitschen./ Der, den man quält - zählt. / Dann Schmerzgebrüll - plötzlich ist’s still./ Er fällt vom Bock - halb tot gepeitscht/ und wird von den Schlägern zum Bunker geschleift.“ Das Gedicht heißt „Auspeitschen“ und wurde von Gustav Hammermann verfasst. Der überzeugte Kommunist war 1935/36 Häftling im KZ Lichtenburg Prettin.

Linolschnitt zeigt Zelle

Danielle Nitzsche, jetzt Zehntklässlerin des Jessener Gymnasiums, nahm diese Zeilen Ende des vergangenen Schuljahres im Rahmen eines Projektes über Nationalsozialismus und authentische Orte der Gräuel zum Ausgangspunkt für einen Linolschnitt. Er zeigt eine Zelle des Bunkers auf dem Prettiner Schloss-Gelände, dass von 1933 bis 1945 als Konzentrationslager missbraucht wurde. Die Tür in der Eisengitter-Wand steht offen und gibt den Blick frei auf eine leere Fensternische.

Zu den Techniken, welche die Nachwuchskünstler aus dem Jessener Gymnasium anwandten, um ihre Eindrücke grafisch umzusetzen, gehören neben anderen die Radierung und die Monotypie.

Bei der Radierung wird die Zeichnung mit einer Nadel seitenverkehrt in eine Kunststoffplatte geritzt. Alles, was schwarz erscheinen soll, muss eingeritzt werden. In die so entstandenen feinen Rillen reibt man mit einem Lederballen Farbe ein. Die Farbe auf der Oberfläche der Platte wird abgewischt, so dass nur in den Vertiefungen Druckfarbe verbleibt. Die Platte wird nun in der Tiefdruckpresse auf angefeuchtetes Spezialpapier abgedruckt. Durch den hohen Druck nimmt das Papier die Farbe aus den Rillen auf.

Bei der Monotypie walzt man Druckfarbe auf eine Platte. Auf diese Platte wird ein Blatt dünnes Papier gelegt und darauf gezeichnet. Das Papier kann zuvor auch eine andere Farbe aufgewalzt bekommen oder mit Schablonen bedruckt werden. Die Zeichnung, die auf der Druckfarbe entsteht, zeigt sich nach dem Abheben des Papiers seitenverkehrt auf dessen anderer Seite. Bei dem Projekt wurde auf einige so entstandene Blätter mit Holzlettern gedruckt.

Wer dieses und etliche weitere grafische Werke von Jessener Gymnasiasten - die damit versuchten, für ihre Eindrücke und Gedanken beim Besuch der Lichtenburg eine künstlerische Entsprechung zu finden - selbst in Augenschein nehmen möchte, hat ab sofort dazu Gelegenheit. Den Radierungen, Linolschnitten, Federzeichnungen sowie Schrift- und Schablonendrucken der vormaligen Neuntklässler (etwa 70 Mädchen und Jungen aus vier Klassen) ist eine Ausstellung gewidmet, die am Mittwoch um 14.30 Uhr in der Prettiner KZ-Gedenkstätte ihre feierliche Eröffnung erlebt und dort anschließend bis zum 28. November zu besichtigen ist.

Häftlinge kommen zu Wort

Die Vernissage wird verbunden sein mit einem kleinen Programm. Flötenmusik soll erklingen und Schüler werden Texte von einstigen Häftlingen des KZ Lichtenburg vortragen sowie eigene Aufzeichnungen. „Die Texte der Gefangenen waren zum Teil auch Grundlage für die grafischen Arbeiten der Neuntklässler“, macht Kunstlehrerin Gabriele Zabel aufmerksam. Sie führte gemeinsam mit ihrer Kollegin Birgit Pahlow und der Kemberger Künstlerin Andrea Lange Regie bei der bildlichen Umsetzung des in der KZ-Gedenkstätte Erlebten und Erfahrenen. Den Titel für die daraus kreierte Ausstellung liefert eine Zeile aus dem „Lichtenburger Lagerlied“. Zu Beginn der zweiten Strophe heißt es darin: „Keiner kam freiwillig jemals nach dir hin“. Übrigens bezieht sich - ebenfalls in der Exposition zu sehen - ein Linolschnitt von Alexandra Hermann ausdrücklich auf dieses Lagerlied. Das Werk zeigt einen ausgemergelten Häftling nackt auf der blanken Pritsche seiner Zelle liegend.

Innerhalb des kombinierten Geschichte-Kunst-Projektes, das Mitte Juli für den neunten Schuljahrgang des Jessener Gymnasiums lief, hatten die Jugendlichen nur einen Tag Zeit, nämlich den 16. Juli, ihre Grafiken anzufertigen. Vorausgegangen waren im Kunstunterricht allerdings ein Vertrautmachen mit den verschiedenen Techniken und erste Versuche dazu, wie Gabriele Zabel berichtet. „Am Tag des Kunstprojektes haben wir von 7.15 bis 13 Uhr intensiv gearbeitet“, erinnert sich die Kunsterzieherin. Dazu wurden, den Techniken entsprechend, vier Gruppen gebildet. „Die Schüler haben sich frei für eine Technik entschieden, die ihnen liegt.“ Und die Ergebnisse können sich sehen lassen. Einige der Schöpfungen sollen als Dauerleihgaben in der Lichtenburg bleiben. „Die Auswahl der betreffenden Werke erfolgt erst noch. Das passiert gemeinsam mit Melanie Engler, der Leiterin der Gedenkstätte.“ (m)

Die Schöpfer dieses Druckes heißt Elisabeth Lehmann („Die Toten mahnen uns“).
Die Schöpfer dieses Druckes heißt Elisabeth Lehmann („Die Toten mahnen uns“).
Detlef Mayer Lizenz
Diese Radierung stammt von dem Schüler Lucas Könnecke (Dachboden/Schlafsaal).
Diese Radierung stammt von dem Schüler Lucas Könnecke (Dachboden/Schlafsaal).
Detlef Mayer Lizenz