Kraftfahrzeuge sind ihr Metier
Annaburg/MZ. - Der ehemalige Eigentümer, Herr Mühlbach, handelte mit Fahrrädern, Nähmaschinen und diversen anderen Artikeln. Fritz Roedler besaß in Kemberg bei Wittenberg eine Teigmühle und war gelernter Kaufmann und Müller. Das Grundstück war Eigentum der evangelischen Kirche in Annaburg. Fritz Roedler führte das Geschäft weiter und gründete dann eine Kfz-Werkstatt.
In der Ehe von Pauline und Fritz Roedler kamen drei Kinder zur Welt. Der Sohn Otto Roedler wurde am 13. Januar 1908 in Berlin geboren. Er erlernte den Beruf eines Autoschlossers und bestand im Jahr 1931 in Halle seine Meisterprüfung des Kfz-Handwerks. Im Jahre 1935 war der Zeitpunkt für einen Generationswechsel herangereift, deshalb übernahm am 12. April 1935 der Sohn Otto das Geschäft von seinem Vater und heiratete im gleichen Jahr seine Braut Hildegard Bornemann aus Annaburg. Die Ehefrau war am 25. Juni 1911 als Tochter des Glasermeisters Bornemann in Annaburg in der Mühlenstraße geboren worden. In der Ehe von Hildegard und Otto Roedler wurden am 7. Mai 1937 der Sohn Dieter und am 6. Mai 1940 die Tochter Reni geboren.
Einen guten Ruf
Die Kfz-Werkstatt von Otto Roedler hatte Jahrzehnte einen sehr guten fachlichen Ruf in Annaburg und Umgebung. In der Werkstatt wurden Pkw und Motorräder repariert. So wurde der erfahrene und fleißige Kfz-Meister Otto Roedler im Jahr 1959 zum 25-jährigen und im Jahr 1984 zum 50-jährigen Geschäftsjubiläum würdig geehrt. Die Firma Otto Roedler erhielt im Verlaufe der Jahrzehnte ihres Bestehens viele Auszeichnungen. Unter anderem konnte Otto Roedler am 1. April 1987 auf das 75-jährige Bestehen der Kfz-Werkstatt Roedler zurückblicken.
Bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges im Jahr 1939 unterhielten das Ehepaar Hildegard und Otto Roedler gemeinsam die Kfz-Werkstatt, die Tankstelle, ebenfalls am Markt gelegen, sowie ein Geschäft zum Verkauf von Fahrrädern, Kfz- und anderen Ersatzteilen. Otto Roedler musste in den Krieg. Er überlebte und kam nach amerikanischer Kriegsgefangenschaft wieder in seine Heimat und zu seiner Hilde zurück. Während der Kriegsjahre führte die Ehefrau die Tankstelle weiter. Das Geschäft und die Werkstatt blieben während dieser Zeit geschlossen. Die erste russische Kommandantur nach 1945 in Annaburg befand sich für einige Wochen auf dem Grundstück der Roedlers und danach im ehemaligen Geschäft Bortfeld, jetzt Textilgeschäft Becker. Nach den Kriegswirren wurde durch die Familie Roedler die schwierige Situation des Neuanfangs gemeistert und Geschäft, Tankstelle und die Werkstatt wieder eröffnet. Nach einigen Jahren wurde aus Altersgründen als Erstes die Tankstelle an Josef Liebig abgegeben, aber die Werkstatt wurde durch Otto Roedler bis zum 31. Dezember 1986 betrieben. Somit arbeitete der Altmeister Otto bis zum 78. Lebensjahr in seiner geliebten Werkstatt.
Zwischenzeitlich gründete Sohn Dieter am 15. April 1962 in der Mühlenstraße in Annaburg selbst ein Autohaus mit Kfz-Werkstatt. Auch Dieter Roedler hat die Kfz-Handwerksmeisterprüfung abgelegt und nach kurzer Zeit noch den Kfz-Meister in Elektrik draufgesetzt. Die Meisterprüfungen waren damals wie heute eine Herausforderung. Dieter spezialisierte sich auf die russischen Automarken Moskwitsch und Wolga. Deshalb musste er Studienreisen nach Moskau unternehmen, um sich vor Ort schulen zu lassen. Dieter Roedler blieb als einer der wenigen während der DDR-Zeit parteilos und privater Unternehmer.
Stolz auf Moskwitsch
Altmeister Ottos ganzer Stolz war ein Moskwitsch, den er sich zulegte und mit welchem er viele Reisen mit seiner Ehefrau unternahm.
Nach der Wende wurde Dieter Vertragshändler für die Marke Citroën. Otto Roedlers Enkel "Toni" war bei seinem Opa in der Werkstatt und hat bei den Reparaturen "geholfen". Toni nutzte die Wartezeit bis zum Studienplatz, um sich Kenntnisse in den Werken von VW und Audi zu erwerben. Um die Handwerkstradition der Familie Roedler fortzusetzen, legte Toni Roedler seinen Kfz-Handwerksmeister in Arnsberg im Westteil Deutschlands am 15. August 1991 als Bester des Lehrgangs mit Auszeichnung ab. Otto Roedler war stolz der Gründer von drei Handwerksmeistergenerationen zu sein und hoffte, dass Urenkel Max, Tonis Sohn, eventuell in die Fußstapfen seiner Vorfahren tritt.
Toni arbeitete einige Jahre im Betrieb seines Vaters Dieter, um dann 1995 eine Koreareise zu unternehmen. Er wurde in Deutschland und in Europa einer der ersten Daewoo-Vertragshändler und gründete seine eigene Firma am 1. Februar 1995. Zwei Jahre später wurde sein Autohaus fertig gestellt und eingeweiht. Am 30. Juni 1998 ging Vater Dieter in den Ruhestand und verkaufte seine Firma sowie Waschanlage an seinen Sohn Toni. Aber Dieter Roedler kann sich ebenso wenig wie über Jahre sein Vater Otto zur Ruhe setzen, sondern hilft seinem Sohn, wo er nur kann.
Noch einmal zurück zum Altmeister Otto Roedler. Neben seiner beruflichen Tätigkeit war Otto auch in der Annaburger Feuerwehr seit dem 11. Oktober 1926 aktiv tätig. Bis zu seinem Tode genoss er in der Löschtruppe hohes Ansehen.
Zusammenfassend kann man feststellen, dass die Familie Roedler bis in die vierte Generation dem Kfz-Beruf treu geblieben ist.