Kneipenfest Kneipenfest: Jessener feiern mit heißen Rhythmen

Jessen/MZ - Eine Mischung aus Partyspaß und Frühlingsgefühlen zieht am Samstagabend durch die Stadt: Sechs Wirtshäuser beteiligen sich an Jessens sechstem Kneipenfest - bestens vorbereitet für etwa 1 000 Gäste.
Im Jessener „Schützenhaus“ zählen Marion Morczinietz und Olaf Müller aus Blönsdorf zu den ersten Gästen, die sich je ein Armband zum Preis von zehn Euro kaufen. Die Plätze am Tresen sind noch weitgehend frei, doch Rüdiger Döbelt frohlockt: „Kneipennacht-Gäste sind wie Frühlingsgefühle: Sie kommen zaghaft – und dann wie im Sturm.“ Recht soll er behalten – nach Mitternacht erreicht die Stimmung ihren Höhepunkt, die Jungs von „Tor 11“ aus Potsdam geben ihren Einstand mit Oldies von CCR bis Smokie ebenso wie mit Deutschrock, 80er-Hits und Partysound – bis gegen vier Uhr. Zeitgleich steigt die Stimmung auch in anderen Lokalen – manchmal wird ein bisschen nachgeholfen – wie im „Bergschlösschen“ geschehen.
Dort zuckt es „Dobby & Friends“ aus Luckenwalde, inklusive „Bongi“ aus Elster, angesichts der Wiedersehensfreude mit Jessener Fans kräftig in den Fingern. Das wird sogleich in Country-Klänge umgesetzt. Dennoch weiß Aron Last aus Schweinitz gegen 21 Uhr noch nicht so recht, ob es gut war, sich auf das Abenteuer einzulassen. Während seine Frau Mandy schon Lachkringel im Gesicht zeigt, bewegt sich bei ihm noch keine Miene. Das will sich Tischnachbarin Andrea Kellert nicht länger mit ansehen und ruft: „Bitte ein Smiley“. Sie kneift ihm in die Wangen. Das hilft – fortan lässt es sich von Lokal zu Lokal immer besser gehen. Solche Anfangsschwierigkeiten hat Henning Berger nicht. Er zählt zum „rollenden Personal“. Soll heißen: Kein Lokal ist vor ihm sicher. Der 68-Jährige bekundet: „Ich bin fit – dem alten Gramatte sei Dank.“ Der legendäre Jessener Lehrer habe ihn einst vom Blockflötenunterricht suspendiert und gefordert: „Geh’ lieber Fußball spielen. - Daran habe ich mich gehalten.“
Per Bus zum nächsten Lokal
Draußen hält der Shuttle-Bus. Noch bleiben einige Plätze frei, doch Chauffeur Rainer Matthäs weiß: „Je später der Abend, umso voller der Bus“. Für Edda und Dietmar Richter ist das Kneipenfest eine Premiere. Im „Bergschlösschen“ haben sie Lust auf „mehr“ bekommen – und freuen sich auf die nächsten Etappen.
Vor der Gaststätte Nord liegt Grillduft in der Luft. Christian Meyer und André Fischer aus Gadegast sind mit Alexander Gröger aus Plossig unterwegs. Nach einer Stärkung ziehen die jungen Männer im Trio weiter – und hätten nichts gegen hübsche Begegnungen - vielleicht sogar mit der Frau fürs Leben. Vielleicht wären sie dann auch „Völlig willenlooos“, wie der Leipziger Musiker Gero Schröder gerade anstimmt. Es wird getanzt, auch wenn zeitweise kaum ein Stehplatz bleibt. Senior-Wirt Klaus Reißaus füllt mit seiner Drei-Generationen-Crew Glas um Glas.
Musiker aus Finsterwalde
Jede Kneipe hat ihr eigenes Flair – im „Weißen Schwan“ gibt es mit „Papa Joe“ aus Finsterwalde ein ganz besonderes. Von Haus aus Gitarrenlehrer holt er aus den Saiten des Instruments im Einklang mit seiner Stimme alles raus, was handgemachte Musik ausmacht: Rauchig klingt sein „Killing me softly“. Er singt „If you going to San Franciso“ so sehnsuchtsvoll, dass Detlef Wimmer gar nicht anders kann, seiner Angelika den Arm um die Hüfte legt – und Runde um Runde tanzt. „Papa Joe ist der Größte“, jubelt er noch.
Vor dem Imbiss am Markt hat Klaus Bludau mit Winfried Musch jede Menge zu tun, um die „besten Bratwürste von Jessen“ zu brutzeln. So wie Familie Henze sind auch andere Gäste „extra deswegen“ da. An der Theke wird gut ausgeschenkt, während „Hufeisen-Oldiepek“ alias Helmer Pekar die Runde mit Titeln unterhält, von denen die jüngsten aus den 60er Jahren stammen. Das ist die Zeit, an die sich Uwe Menzel und seine Frau Sigrun gern erinnern. Das Paar, seit 36 Jahren verheiratet, genießt die Atmosphäre – und manch jüngerer Besucher wünscht sich ein ebensolches Glück.
Gegen 23 Uhr rollen im „Schlosspark-Bowling“ immer noch die Kugeln, doch weit mehr Aufmerksamkeit erfreuen sich „Wolfs Garden feat. Dietz meets Falco“. Mit einer Hommage erinnern Wolfgang Dietz (Gesang) und Jochen Wolf (Gitarre) an den Wiener Ausnahme-Künstler. Die Ähnlichkeit von Dietz mit dem „Falken“ bringt höchsten Genuss. Der „Kommissar“, „Die stillen Römer“ und freilich auch „Jeanny“ holen die 80er Jahre zurück. Falco-typische Posen werden hundertfach erwidert. Sabine Severin und Kerstin Lieschke aus Jessen tanzen weltvergessen.
Die Musik erweist sich als Muntermacher. Die meisten Nachtschwärmer kosten das Vergnügen bis zuletzt aus. Wer sich anfangs im „Bergschlösschen“ verabschiedet hat, trifft sich weit nach Mitternacht woanders wieder. Im „Schützenhaus“ wiegt sich ein Meer von Menschen auf der Tanzfläche. Mitunter können die Jungs von „Tor 11“ sogar ihre Stimme schonen: „Alt wie ein Baum möchte ich werden“ hallt es aus dem Saal – kein Wunder, bei so einer Party. Wer nicht dabei war, hat einen echten Kneipen-Sechser im wahrsten Sinne des Wortes verpasst.