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Karl Lamprecht Karl Lamprecht: Historiker wirkt bis heute

Von Rolf Schumann 24.02.2016, 15:59
Bürgermeister Michael Jahn und Ines Mann an der Gedenktafel für Karl Lamprecht an Jessens Pfarrhaus, in dem der Historiker geboren wurde.
Bürgermeister Michael Jahn und Ines Mann an der Gedenktafel für Karl Lamprecht an Jessens Pfarrhaus, in dem der Historiker geboren wurde. D. Mayer

Jessen - Der 160. Geburtstag des Historikers Karl Lamprecht soll hier Anlass sein, an sein Leben und Wirken zu erinnern.

Am 25. Februar 1856 erblickte er im Jessener Pfarrhaus das Licht der Welt. Nach der Grundschule in Jessen und dem Gymnasium in Wittenberg besuchte er die berühmte Fürstenschule in Schulpforta (heute Bad Kösen), studierte an den Universitäten in Leipzig, Bonn und Marburg und wurde über einen Umweg über das Rheinland schließlich Professor in Leipzig. Neben der Lehrtätigkeit an der Universität, bei der er viele Studenten begeistern konnte, veröffentlichte Lamprecht zahlreiche Bücher, Abhandlungen, Artikel und sonstige Arbeiten, die großen Einfluss auf die Entwicklung der Geschichtswissenschaft hatten.

Veränderung eingeläutet

In den ersten deutschen Lehrbüchern für den Geschichtsunterricht nahmen noch einzelne Herrscherpersönlichkeiten, ihre militärischen und diplomatischen Erfolge einen breiten Raum ein. Erst unter dem Einfluss der Veröffentlichungen Lamprechts zur Kultur- und Wirtschaftsgeschichte änderten sich hier die Darstellungen, vor allem durch die Veröffentlichung seiner „Deutschen Geschichte“ (in zwölf Bänden) sowie der umfänglichen Abhandlung „Deutsches Wirtschaftsleben im Mittelalter. Untersuchungen über die Entwicklung der materiellen Kultur des platten Landes auf Grund der Quellen, zunächst des Mosellandes“ (erschienen im Jahr 1890 ).

Der japanische Professor Hiromitsu Sasaki (Universität Osaka, Millionenstadt in Japan) hat vor einigen Jahren die Gestaltung der deutschen Geschichtsbücher in der Zeit von 1890 bis 1933 untersucht und seine Ergebnisse in einem Vortrag vor der Leipziger Karl-Lamprecht-Gesellschaft vorgestellt. Er hatte die Illustrationen in den alten Schulbüchern verglichen. Die Bilder in den ersten Druckerzeugnissen stellten meistens nur den jeweiligen Landesfürsten dar. Kulturgeschichtliche Bilder, die das Leben der einfachen Menschen zeigten, kamen zuerst in den ausgehenden 80er Jahren des 19. Jahrhunderts in den Schulbüchern auf. Dieser Wandel ist ausdrücklich auf Karl Lamprechts Arbeiten zurückzuführen. Unter dem Einfluss von Lamprechts Gedanken, alle lebendigen Erscheinungen in der Entwicklung der Gesellschaft zu berücksichtigen, hat sich auch bis heute der Forschungsgegenstand der Geschichte erweitert.

Ein kurzer Blick in die Zeitschrift für Globalgeschichte und vergleichende Geschichtsforschung „Comparativ“ zeigt, dass sich, ganz im Sinne Lamprechts, die Historiker mitunter profanen Themen zuwenden, die nicht weltbewegend sind, aber zur Geschichte einer bestimmten Zeit einfach dazugehören. So wird unter anderem in dem Beitrag „Verflochtene Vergangenheit: Geschichtscomics in Europa, Asien und Amerika“ (Jahrgang 24 Heft 4 /2014) die Rolle von Comics untersucht, die als beliebte Literatur unter Jugendlichen einen großen Einfluss auf ihre Denkweise und ihre Vorstellungen ausübt.

Im „Comparativ“ 11 (2001) Heft 1, um hier ein anderes Beispiel zu erwähnen, vergleichen Eva Göbel und Manuel Schramm den Dresdner Striezelmarkt und den Nürnberger Christkindelmarkt in den Jahren 1933 bis 2000 - auch als ein Teil unseres Lebens, der zur Geschichte unserer Epoche gehört. Namhafte Zeitgenossen Lamprechts, die zu seinen Gegnern gehörten, wie Heinrich von Treitzschke oder Leopold von Ranke wären sicherlich entsetzt gewesen, dass Comic-Literatur oder ein Vergleich der Weihnachtsmärkte einmal als ernsthafte Forschungsgegenstände dargestellt werden könnten.

Grund, stolz zu sein

Auch wenn manche Gedanken Lamprechts in Sackgassen führten oder durch die Ergebnisse des Ersten Weltkrieges zum Scheitern verurteilt waren, was er aber nicht mehr erlebt hat, so wirken doch einige Grundgedanken seiner historischen Forschung bis in die heutige Zeit weiter. Jessen kann an seinem heutigen 160. Geburtstag immer noch stolz auf seinen größten Sohn sein. (mz)

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Rolf Schumann ist Mitglied der Karl-Lamprecht-Gesellschaft Leipzig und hat bereits mehrfach Beiträge zu dem Historiker von Weltruf veröffentlicht. Schumann lebte lange in Holzdorf und versuchte, das Andenken an Lamprecht in seiner Geburtsregion zu wahren. Vor über einem Jahr zog Schumann nach Baden-Württemberg, Jessen fühlt er sich aber nach wie vor verbunden.