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Jessen Jessen: Verführungen in der Stadt

Von gabi Zahn 30.09.2013, 20:10
Interessierte Kundschaft gibt es im Wäscheparadies von Edelgard Kunze.
Interessierte Kundschaft gibt es im Wäscheparadies von Edelgard Kunze. Gabi Zahn Lizenz

Jessen/MZ - Wenn die Händler in der Innenstadt ihre Schaufenster noch attraktiver als sonst gestalten, wenn sie Künstler engagieren, feine Häppchen vorbereiten und nach Ladenschluss vor ihren Geschäften Laternen aufhängen und die Eingänge schmücken – dann wird zum Erlebniseinkauf eingeladen. Noch mehr Menschen als je zuvor folgten am Freitag dieser freundlichen Geste.

Von 18 Uhr bis nach 22 Uhr werden die Lange Straße und der angrenzende Markt zur romantischen und aktionsreichen Flaniermeile. Nicht nur 25 ortsansässige Geschäftsinhaber, sogar Unternehmen aus der Region beteiligen sich. Auch die Boutique „Alcatraz“ in der Lindenstraße ist Anlaufpunkt.

Familien mit Kindern zieht es zunächst zur aufregenden Schatzsuche, die vor dem Kosmetikstudio „Allerhand“ von Melanie Kuhl veranstaltet wird. Wieder mit dabei ist Barbara Schlüter von der gleichnamigen Straußenfarm aus Naundorf bei Seyda. Zu ihren ersten Kunden zählen Stefanie Carius und Martin Heinrich. Schnell haben sich die beiden für eine flauschige Straußenfeder entschieden. Die ist auf dem weiteren Weg zumindest vom Gewicht her leicht zu händeln. Barbara Schlüter freut sich über solche kleinen Einkäufe und insbesondere über neugierige Fragen: „Im Vorjahr haben viele, die hier vorbeischauten, bald darauf unsere Farm besucht.“

Seniorin schwingt munter mit

Wer sich etwas schneller bewegen will, als es der Einkaufs-Bummelschritt zulässt, macht beim Zumba-Schnupperkurs mit – angeleitet vom Fitness-Studio Family-Gym. Angesichts von so viel Bewegungsfreude will selbst Oma Frieda Ebert nicht länger im Rollstuhl sitzen. Die 89-Jährige steht auf und schwingt am Arm ihrer Tochter Silvia Jänsch munter mit. Als sie später beim Buchstabensalat-Quiz einen Mondkalender gewinnt, kündigt die Dame, die aus Röblingen am See stammt, an: „Das nächste Mal will ich wieder mit dabei sein.“

Angelika und Detlef Wimmer haben in ihrem Fotofachgeschäft reichlich zu tun, ihre Kundschaft „unter den Hut“ zu bringen. Ein Gläschen Sekt vorher zu trinken, erweist sich als Lockerungsübung. Danach lassen sich auch Kersten und Hans-Joachim Zauner mit verwegenem Lächeln ablichten, „zum 30. Geburtstag“, wie der Ehemann verrät.

Wolfgang Raasch aus Wittenberg schlendert aus Richtung Markt heran und bleibt am Stand der Nachwuchsköche des Jessener Gymnasiums „hängen“. Sophia Nohl, Anne Kim Bischoff und Gina Maria Prokisch servieren deftige Schnittchen und gebackene süße Seezunge. Diese sei die absolute Sahne, schwärmen die Umstehenden. Lukullische Gaumen-Genüsse gibt es überall in den Läden: Kekse, Dips, Kuchen und Törtchen, Pasteten, Konfekt und Würstchen, Suppen und Obst – nicht zu vergessen Getränke mit und ohne Alkohol. Wer davon genug hat und sich um die Gesundheit sorgt, besucht die Apotheke und das SoNa-Sanitätsfachgeschäft.

Fleischer Hecht punktet mit seiner Hausmacher-Leberwurst und würziger Soljanka. Die „Kroatische Suppe“ in der Allianz-Filiale offenbart sich dagegen als gehaltvolle Rotwein-„Speise“ und der Chef Bastian Schüßler als wortgewandter Moderator bei der Auslosung des Preisrätsels. Im „Kräuterlädchen“ lädt Tatjana Leonhardt zur Teeverkostung ein und frohlockt: „Der Zuspruch ist enorm. Auch wenn die Vorbereitung viel Arbeit bedeutet – es lohnt sich. Ich werde mich auch weiterhin an solchen Aktionen beteiligen.“

Klänge aus 1001 Nacht kündigen den nächsten Höhepunkt an: die „Töchter der Nefertari“ sind auf dem rotsamtenen Teppich, der in Verlängerung der Rathausgasse ausliegt, zu bewundern. Sie schwingen ihre Hüften, tanzen sinnlich mit Lichtern und Schleiern. Einfach wunderschön. Nicht alle im Publikum wissen, dass die Frauen in den duftigen orientalischen Gewändern aus Jessen, Schönewalde und Herzberg stammen und spenden umso mehr Applaus, als sie das erfahren. Detlef Fischer aus Jessen schwärmt: „Auch für einen Mann ist so ein Einkaufsbummel ein tolles Erlebnis. Außerdem sehe ich Leute, die ich sonst höchstens zum Heimatfest treffe.“

Yin-Yang und Aktfotos

Andrea Panick reicht in ihrem Geschäft „Glückselefanten“ zum Knabbern. Extra für diesen Abend hat sie auch Vertreter einer bekannten Uhrenfirma vor Ort, mit deren Hilfe jeder seinen eigenen Zeitmesser gestalten kann.

Neugierig auf „Tänze der Renaissance“ macht Marion Conrad aus Linda, die im Buchladen Fischer ihre Bildserie „Yin-Yang-Wandlungen“ ausstellt. Ganz andere Ansichten, darunter Aktfotos, zeigt der Wittenberger Fotokünstler Edgar Raab im „Tintenfass“. Nur zu gern lassen sich die Passanten von einer Frauenstimme anlocken. Verführerisch durchdringt sie die zunehmende Dunkelheit. Die Sängerin begleitet ihre Titel auf der Gitarre. Ihr Künstlername klingt so geheimnisvoll wie manches ihrer Lieder:

Chris Lunatis, mit bürgerlichem Namen Christine Thalmann. Sie wohnt in Doberlug-Kirchhain und trägt Rockballaden ebenso leidenschaftlich vor wie den mystisch angehauchten Song von der Walpurgisnacht: „Trunkenheit von rotem Wein, nacktes Fleisch bei Mondenschein …“ Soso. Schaut her und hört zu, ihr Männer und Frauen. Solche Bilder beschwört sie also herauf.

Tatsächlich scheinen die Zuhörer eine Weile wie verhext vom Gesang zu sein – bis dass sie sich loseisen und das nächste Einkaufserlebnis des Abends inmitten von Jessen ansteuern. Oder zu vorgerückter Stunde beseelt von so viel Trubel den Heimweg suchen.

Erlebniskauf nur mit Hut zeigen Kersten und Hans-Joachim Zauner.
Erlebniskauf nur mit Hut zeigen Kersten und Hans-Joachim Zauner.
Gabi Zahn Lizenz
Beim Zumba geht’s rund.
Beim Zumba geht’s rund.
Gabi Zahn Lizenz
Wie Goldgräber in einer Mine haben sich die Kinder (v.l.) Hannes, Sina und Jannes bei Melanie Kuhl gefühlt und zeigen ihren Eltern, dass sie noch putzmunter sind.
Wie Goldgräber in einer Mine haben sich die Kinder (v.l.) Hannes, Sina und Jannes bei Melanie Kuhl gefühlt und zeigen ihren Eltern, dass sie noch putzmunter sind.
Gabi Zahn Lizenz