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Hobby-Schriftsteller aus Naundorf Hobby-Schriftsteller aus Naundorf: Erhard Schlüter wird 90

Von Detlef Mayer 31.03.2017, 09:51
Der nun 90-jährige Erhard Schlüter aus Naundorf mit seinen drei Büchern, die ihn auch über die Region hinaus bekannt machten: „Jugendjahre hinter Stacheldraht“ (2000 erschienen, 2007 in Englisch), „Ich bin noch gesund“ (2001) sowie „Kleine Geschichten, die das Leben schrieb“ (2011)
Der nun 90-jährige Erhard Schlüter aus Naundorf mit seinen drei Büchern, die ihn auch über die Region hinaus bekannt machten: „Jugendjahre hinter Stacheldraht“ (2000 erschienen, 2007 in Englisch), „Ich bin noch gesund“ (2001) sowie „Kleine Geschichten, die das Leben schrieb“ (2011) D. Mayer

Naundorf bei Seyda - Der Name Erhard Schlüter sen. verbindet sich für viele Menschen in der Region und darüber hinaus vor allem mit seinen drei Büchern: „Jugendjahre hinter Stacheldraht“ und „Ich bin noch gesund“ - in denen er seine fast viereinhalbjährige russische Kriegsgefangenschaft aufgearbeitet hat, sowie die Episoden-Sammlung „Kleine Geschichten, die das Leben schrieb“.

Am heutigen Freitag stehen in erster Linie aber nicht die Werke des Naundorfer Laienschriftstellers im Fokus, sondern Erhard Schlüter sen. selbst. Er begeht nämlich seinen 90. Geburtstag.

„Mit dem Alter nehmen zwar die körperlichen Beschwerden zu“, hält der Jubilar bei bester Laune fest, „aber es ist auch eine gesegnete Zeit.“ Er zeigt sich nach wie vor geistig rege und mit seinen Lebensumständen sehr zufrieden. „Ich spüre, dass es Menschen gibt, die mich begleiten und mir zur Seite stehen auf meinem Weg.“

Als größtes Geschenk bezeichnet er im MZ-Gespräch mit dem Blick auf seine Frau Inge mehrfach, dass „wir als Paar unser Leben nach 64-jähriger Ehe noch zu zweit gestalten, füreinander da sein und uns gegenseitig helfen können. Wir betrachten jeden Tag, den wir miteinander verbringen, als Geschenk.“

In Dankbarkeit dafür möchte er seinen 90. Geburtstag verbringen, der am heutigen Freitag in kleiner Runde mit Freunden und Bekannten zu Hause begangen wird und am Samstag als größere Familienfeier im Gadegaster Lokal „Zum Wiesengrund“.

Fünf Enkelkinder wurden Erhard Schlüter sen. geboren. „Sie haben inzwischen alle ihre eigenen Familien“, berichtet der Jubilar und freut sich über sein gutes Verhältnis zu seinen Kindern und Enkeln. „Wunderbar ist auch, dass ich das Heranwachsen der sechs Urenkel noch miterleben darf.“

Übrigens wird der älteste Urenkel des Jubilars bereits 16 Jahre. Zudem feiert Amelie Cooper, die jüngste Tochter seiner Enkelin Katja, die mit ihrer Familie aus England zurückgekehrt ist und sich nun hier eine Existenz aufbauen will, gemeinsam mit ihrem Urgroßvater Geburtstag - er wird 90 und sie gerade mal drei Jahre alt.

Erhard Schlüter ist ein Naundorfer Urgestein. Am 31. März 1927 wurde er in dem kleinen Ort bei Seyda geboren. Hier wuchs er auf - im landwirtschaftlichen Betrieb der Eltern, und besuchte die Volksschule.

Als 17-Jährigen berief man ihn im Herbst 1944 zum Arbeitsdienst ins frontnahe partisanengefährdete Gebiet nach Polen ein. Ende 1944 wurde er entlassen, doch unterm Weihnachtsbaum lag schon die Einberufung zur Wehrmacht. 1945 ging’s zuerst nach Dresden, von dort zur Ausbildung nach Leisnig und dann im März nach Kurland (Lettland). Fünf Wochen Fronteinsatz folgten mit dem Kriegsende vier Jahre und vier Monate Gefangenschaft in Russland.

Im Spätsommer 1949 aus der Gefangenschaft entlassen, widmete sich Erhard Schlüter wieder der Landwirtschaft. Im Winterhalbjahr 1949/50 beendete er die Landwirtschaftsschule in Jessen, die er 1943/44 begonnen hatte. Am 22. August 1953 heiratete er Inge, geborene Schulze. 1953 und 1955 wurden die Kinder Erhard und Ingelore geboren. 1959 traten Schlüters in die LPG (Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft) ein. Der Familienvater qualifizierte sich zum Meister und studierte zweimal: Agraringenieurwesen (1969 bis 1972) und anschließend Ingenieurpädagogik, arbeitete in der Tierproduktion und dann bis zur Wende als Lehrausbilder.

Nach der Wende wurde Erhard Schlüter sen. in den Vorruhestand geschickt, seit 1991 ist er Altersrentner. Dieser Freiraum ließ ihn seine Neigung zum Schreiben entdecken. 2000 erschien „Jugendjahre hinter Stacheldraht“, 2001 „Ich bin noch gesund“ und 2011 „Kleine Geschichten, die das Leben schrieb“.

Vor allem Katja Cooper, aber auch die anderen Enkel waren, nebenbei bemerkt, der Ausgangspunkt für die Hobby-Schriftstellerei von Erhard Schlüter sen., wollten sie doch irgendwann wissen, was und wo der Opa im Zweiten Weltkrieg war. Mit dem zweiteiligen Artikel „Stille Nacht, Heilige Nacht“ über das Christfest 1946 in russischer Gefangenschaft begann der Naundorfer 1998 in der MZ seine „Karriere“ als Laienautor.

Es folgten besagte drei Bücher, Lesungen vor Rentnern und Schülern u.a. in Jessen, Jüterbog und Herzberg sowie bei der Bundeswehr in Holzdorf, aber z.B. auch Beiträge für den Wittenberger Heimatkalender. „Dadurch habe ich noch mal viele Leute kennengelernt und Briefkontakte bis in die USA und nach Kanada geknüpft“, konstatiert der Jubilar zufrieden.

Leider unvollendet bleiben müssen seine letzten beiden Buch-Vorhaben: ein historischer Roman, der thematisch von der Gefangenschaft ausgeht, und eine Niederschrift über die Entwicklung der Landwirtschaft. Die nachlassende Sehkraft wegen einer Makuladegeneration macht Erhard Schlüter sen. da einen Strich durch die Rechnung. „Das Manuskript des Romans ist aber fertig, vielleicht können es die Kinder oder Enkel mal verwerten.“ (mz)