Gymnasium Jessen Gymnasium Jessen: Windstärke neun gepustet

Jessen - Eine Überdosis Physik unmittelbar vor den Sommerferien verabreicht zu bekommen, das versetzt Schüler gemeinhin nicht in Hochspannung. Die Fünftklässler des Jessener Gymnasiums reagieren jedoch genau anders: Sie lassen sich gut gelaunt darauf ein, in wissenschaftlich fundierter Weise die Stromversorgung einer modellhaften Landschaft von fossilen auf erneuerbare Energieträger umzustellen.
Für das Experiment rollt Heike Müller, wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin am Unabhängigen Institut für Umweltfragen e.V. Berlin, kurz UFU, sogar einen Teppich im Medienraum des Gymnasiums aus. „Energie-Wende-Teppich“ - so heißt er offiziell. Er stellt die Energieversorgung einer Landschaft dar und ist das Kernstück der Mitmachausstellung „Energie gemeinsam wenden“.
Schritt für Schritt soll dabei von konventionellen auf erneuerbare Energieträger umgestellt werden. Dafür müssen die Schüler, in Gruppen aufgeteilt, im dynamischen Wechsel zwei Unterrichtsstunden lang acht Lernstationen absolvieren. „Das ist eine echte Herausforderung“, wertschätzt Lehrerin Sabine Mowitz das intensive Mitwirken ihrer Schützlinge.
Die Gruppe von Julius Roeschke, Tom Niederschuh, Hannes Pflug, Reamonn Wojta und Bennet Mohr ist gerade dabei, das Modell eines Windrades zu konstruieren. Es hat den Durchmesser einer Handfläche. Da müssen die Jungs - und später auch die Mädchen - als „Winderzeuger“ kräftig pusten. Schließlich soll die über eine Leitung angeschlossene Glühlampe gleichmäßig leuchten.
Noch mehr Windenergie kann auf einer Bauplattform im Meer produziert werden. „Da weht der Wind gut und gern mal mit 90 Stundenkilometern“, lässt Heike Müller wissen. Das spornt die Schüler zu echter Lungengymnastik an. Natalie Clemens schafft 79 km/h. Das wäre immerhin Windstärke neun, ein Sturm, der Äste brechen lässt und Ziegel von den Dächern holt. Beim Treten auf dem „Energiefahrrad“ geht es mit 22 km/h etwas ruhiger zu. Wer am Ende die höchste Windstärke schafft, zieht den „Überlebensanzug“ an und darf auf dem Energie-Wende-Teppich eine Veränderung konstruieren, z.B. Braunkohlen- oder Atomkraftwerke austauschen.
An einer weiteren Arbeitsstation zermahlen die Schüler schwarze Körner mit einem Mörser. Es ist Raps, aus dem Öl gewonnen werden soll. Als nachwachsender Rohstoff bildet die Frucht eine Alternative zum fossilen Erdöl. Außerdem erfahren die jungen „Energiearbeiter auf Zeit“, dass auch aus Weizen, Hühnermist, Stroh, Mais und Holzpellets Energie gewonnen werden kann. Im weiteren Verlauf des Projekts beschäftigen sie sich mit Sonnenenergie, mit der Stabilität von Netzen, Energieumwandlung und ihrer Einsparung.
Am Ende ist das zugehörige Arbeitsheft gefüllt und eine der wichtigsten Erkenntnisse lautet: Fürs Energienetz der Zukunft braucht es viele Mitwirkende in unterschiedlichen Bereichen der Volkswirtschaft. Und: Nicht alle Möglichkeiten der Stromerzeugung sind überall machbar und nützlich.
Die Schüler haben auch Einwände vorzubringen: Windräder, die die Landschaft verschandeln, werden von niemandem gut geheißen. Heike Müller verdeutlicht: „Es geht uns nicht darum, einzelne Energieformen zu bevorteilen und andere auszubooten. Uns liegt daran, verständlich zu machen, wie sehr Energieerzeugung, Transport, Umwelt- und Klimaschutz im Zusammenhang stehen. Da sollen auch Für und Wider ausgiebig diskutiert werden.“ (mz)
