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Streitbar und konsequent Großer Verlust: Langjährige Prettiner Kommunalpolitikern Helga Welz ist gestorben

Sie war gerade ein Jahr im Amt als Prettiner Bürgermeisterin, als sie beinahe im wahrsten Sinne des Wortes ihre Wassertaufe erhielt. Vor zwei Wochen ist Helga Welz 83-jährig gestorben.

Von Klaus Adam 01.10.2024, 18:24
So kannte man Helga Welz: Immer mit starker Meinung und stets auf Augenhöhe mit ihren  Gesprächspartnern.
So kannte man Helga Welz: Immer mit starker Meinung und stets auf Augenhöhe mit ihren Gesprächspartnern. (Foto Christel)

Prettin/MZ. - Ein Kämpferherz hat aufgehört zu schlagen. Helga Welz, langjährige ehrenamtliche Bürgermeisterin von Prettin und nach der Bildung der Einheitsgemeinde Annaburg dann Ortsbürgermeisterin, ist bereits am 16. September im Alter von 83 Jahren gestorben. Das hat die Redaktion der MZ erst jetzt erfahren.

„Ich habe noch vor etwa zweieinhalb Monaten mit ihr gesprochen“, sagt Annaburgs Bürgermeister Stefan Schmidt (FWG) auf die MZ-Anfrage, „es ging um neue Projekte, und zwar Kunstprojekte in der Lichtenburg. Da war sie noch voller Elan.“ Er selbst hatte sie vor allem als Ortsbürgermeisterin und als Stadträtin erlebt. „Ihre Beiträge waren immer relevant in der gesamten Zeit, in der sie sich für Prettin einsetzte. Sie war ein äußerst engagierter Mensch. Und in puncto Bürgernähe hat sie Maßstäbe gesetzt.“ Insbesondere werden sich die Prettiner daran erinnern, wie sie sich während der Elbeflut 2002 und danach für ihre Stadt und ihre Bürger eingesetzt hatte. Er sei dankbar, dass er sie „so engagiert in Erinnerung behalten“ könne, so Stefan Schmidt.

„Das ist sehr traurig“, reagierte Jürgen Dannenberg auf den Tod von Helga Welz. Der ehemalige Landrat (Linke) ist aktuell Vorsitzender des Freundeskreises zur Weiterentwicklung der Gedenkstätte Lichtenburg. Dem gehörte die Prettinerin seit seiner Gründung vor fast genau zwei Jahren an. „Sich für die Lichtenburg zu engagieren, das war ein Herzensbedürfnis von Helga Welz“, so Dannenberg. „Besonders hoch zu werten ist ihr Einsatz während des Elbehochwassers 2002 und ihre aktive Rolle zur Beseitigung der Schäden“, würdigt auch er. „Sie war eine streitbare Frau, aber immer sehr konsequent.“

Elbehochwasser 2002

Helga Welz war vor der Wende Mitarbeiterin des Rates des Kreises in Jessen, danach der Kreisverwaltungen in Jessen und Wittenberg in der Unteren Wasserbehörde. Zum Juli 2001 trat sie ihr Amt als ehrenamtliche Bürgermeisterin ihrer Heimatstadt Prettin an. Da konnte sie noch nicht ahnen, dass die Elbeflut schon im August 2002 zur ersten kräftezehrenden und traumatisierenden Herausforderung für die Stadt und ihre Bürger werden würde. Als die Wassermengen in die Stadt und über das Umland hereinbrachen, war sie nicht zu Hause, sondern im Rathaus. Das hatten die Urväter offensichtlich so geschickt gebaut, dass es quasi als Oase aus den Fluten ragte. Helga Welz richtete dort ihren „Kommandopunkt“ ein.

Mit der Unterstützung des gesamten Stadtrates und insbesondere der Aue-Agrar-Genossenschaft kämpfte sie um ihre Stadt. Sie stellte sich gegen Polizeieinheiten, die plötzlich in Prettin einfielen, um eine Evakuierungsanordnung durchzusetzen. Sie vermittelte und erreichte, dass diejenigen, die in ihren Häusern bleiben wollten, es auch durften. Sie fuhr auf einem großen Trecker durch die überfluteten Straßen, um zurückgelassene Tiere mit Trinkwasser zu versorgen. Schon in der Zeit vor dem Dammbruch bei Dautzschen kümmerte sie sich, mit den anderen freilich, um die Organisation der Deichverteidigung und vieles mehr.

Die Arbeitsintensität für die damals noch frischgewählte Bürgermeisterin flaute danach nicht ab, im Gegenteil. Sie setzte im wahrsten Sinne des Wortes Himmel und Hölle in Bewegung, damit die Schäden an den Grundstücken der Prettiner und an der kommunalen Infrastruktur so schnell und so gut wie möglich beseitigt würden. Sie holte Minister und andere Landespolitiker nach Prettin, selbst Ministerpräsident Wolfgang Böhmer kam in die Stadt als sie noch unter Wasser stand. Die Sanierung des früheren Kulturhauses zum Gemeinschaftshaus, die Neugestaltung des Areals am Badesee zum Touristenzentrum mit den damals neu angeschafften Blockhütten, all dies trägt die Handschrift Helga Welz’, die unablässig um die Fördermittel dafür rang.

Stets ein offenes Wort

Und so war die Diskussion um die Eingemeindung ihrer Heimatstadt Prettin als Ortsteil nach Annaburg zum Januar 2011 ein nächster Einschnitt, gegen den sie all ihre Kraft und Persönlichkeit aufwandte. Und der sie auch ganz persönlich traf. Und doch nahm sie die Herausforderung an und stellte sich als Ortsbürgermeisterin zur Verfügung und auch als Stadträtin. Zum Ende des Jahres 2020 zog sie sich jedoch aus der aktiven Kommunalpolitik zurück. Man darf unterstellen, auch dies nicht nur aus Altersgründen.

In Erinnerung bleiben wird Helga Welz vielen durch ihr verbindliches und empathisches Auftreten, das durchaus gespickt war mit burschikosen und schelmischen Spitzen, aber immer „mit offenem Visier“. Und da war es ihr auch egal, ob sie einen Ratskollegen, einen Bürger oder einen Minister vor sich hatte. Am 19. Oktober, 14 Uhr, gibt es zu ihrem Andenken eine Trauerfeier in der Prettiner Stadtkirche. Ihre Urne soll auf hoher See beigesetzt werden.