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Funkturm bei Herzberg Funkturm bei Herzberg: Ein Rätsel bleibt

Von Frank Grommisch 20.03.2018, 13:17
Wie war das mit dem Herzberger Sender? Etliche Heimatgeschichtsinteressierte wollten bei dem Vortrag in Holzdorf mehr erfahren.
Wie war das mit dem Herzberger Sender? Etliche Heimatgeschichtsinteressierte wollten bei dem Vortrag in Holzdorf mehr erfahren. F. Grommisch

Holzdorf - Wo ist er geblieben, der „Riese von den Kremitz-wiesen“? Diese Frage konnte in der heimatgeschichtlichen Lesung des Heimatvereins Holzdorf nicht beantwortet werden. Ansonsten hatte Manfred Lau in seinem Vortrag unter der oben genannten Überschrift eine Fülle von Daten und Fakten zu einem Bauwerk zusammengetragen, das technisch hochinteressant, aber im Dienste der Propaganda der Nationalsozialisten stand und dem deshalb nur eine kurze Existenz beschieden war.

Der so genannte Deutschlandsender III stand nicht bei Holzdorf, aber es hätte dazu kommen können, wie der Referent seine Zuhörer wissen ließ. Denn auf der Suche nach einem geeigneten Standort wurde ein Bereich zwischen Holzdorf und Bernsdorf in die engere Wahl gezogen. In diesem Areal soll sich der geografische Mittelpunkt Deutschlands befunden haben. Daran habe einst ein Obelisk erinnert, aber Näheres ist dazu nicht bekannt.

Doch die Entscheidung zum Bau des Rundfunksenders der Superlative fiel dann auf die Kremitzwiesen zwischen Herzberg und Kolochau an der heutigen B 87. Bereits vor der Machtübernahme der Nationalsozialisten soll es Überlegungen gegeben haben, einen dritten Deutschlandsender zu installieren.

Der Heimatverein Holzdorf, der einmal im Jahr zu einer heimatgeschichtlichen Lesung einlädt, erwies sich erneut als guter Gastgeber. Vorm Vortrag wurde zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Beides ganz frisch. Das Backteam hatte um 6.30 Uhr seine Arbeit aufgenommen, um am Nachmittag frischen Streusel- und Kirschkuchen aus dem Backofen des Vereins servieren zu können.

Ab 1934 lief dann die Planung für den Sender, ab 1937 bis 1939 wurde er gebaut. Wiederholt sei es zu Unfällen, auch mit tödlichem Ausgang, gekommen. Als Hauptelement der umfangreichen Anlagen mit ober- und unterirdischen Bauten entstand ein 337 Meter hoher Mast. Er soll das höchste Bauwerk in Europa und das zweithöchste in der Welt gewesen sein.

Überragt wurde der Rundfunksender bei Herzberg lediglich vom Empire State Building in New York.

Bei Herzberg wurden 600 Tonnen Stahl verbaut. Für die wöchentliche Wartung nach der Fertigstellung und offiziellen Einweihung am 19. Mai 1939 waren 1.600 Stufen hinauf und wieder hinab zu steigen, erfuhren die Gäste des Vortrags. Allein das Auf und Ab habe jeweils zwei Stunden gedauert.

An der Spitze trug der Mast ein begehbares linsenförmiges Dach mit einem Durchmesser von 25 Metern. Aus der Ferne, der Sender sei auch von Holzdorf aus zu sehen gewesen, habe er ausgesehen wie ein großer Nagel, gab Manfred Lau seine Erinnerungen wieder.

Die Baukosten wurden damals mit 18 Millionen Reichsmark angegeben. Zum Vergleich: Die Wohnhäuser, die im Umfeld der Anlage errichtet wurden, hätten 5.000 bis 10.000 Reichsmark gekostet.

Am 20. Juli 1944, dem Tag des Attentats von Stauffenberg auf Hitler, wurde auch in Herzberg ein Stück Geschichte geschrieben. Denn in der Annahme dass Hitler tot sei, wurde der Sender von einer Panzer-Ersatz-Brigade aus Cottbus besetzt und die Bewacher entwaffnet. Doch es war nur ein kurzes Intermezzo, denn rasch wurde die Meldung verbreitet, dass Hitler lebe. Die Aktion war gescheitert.

Das Ende des Deutschlandsenders III bei Herzberg wurde im April 1945 besiegelt. Die Anlage wurde von amerikanischen Flugzeugen bombardiert. Nach dem Einmarsch der sowjetischen Truppen dauerte es nicht lange, bis die Vorbereitungen zum Abbau des Senders begannen.

Der Heimatforscher Helmut Knuppe schreibt in seinem Buch „Ein Riese unter Riesen“, eine der Quellen für den Vortrag am Samstagnachmittag, dass die westlichen Allierten vorgeschlagen hatten, die Herzberger Anlage als Kontrollratssender für alle vier Besatzungsmächte zu etablieren. Doch die sowjetische Seite sei dagegen gewesen.

Bleibt die Frage, wo der Sender geblieben ist. Er könnte in Polen gestanden haben, hinter dem Ural, bei Kiew, Leningrad oder doch in Turkmenistan? Manfred Lau nannte einige der Mutmaßungen und fügte an: „Ein großes Rätsel ist geblieben.“ (mz)