Frust bei Kanuten Frust bei Kanuten: Fluss verbindet, Gesetz trennt

Annaburg - Kanufreunde aus den Kreisen Wittenberg in Sachsen-Anhalt und Elbe-Elster in Brandenburg haben eine Vision: auf der Schwarzen Elster von Bad Liebenwerda ins Jessener Land, über die Mündung in die Elbe bis Elster zu paddeln. Doch hinter Herzberg ist bei Arnsnesta ohne Sondergenehmigung Schluss. Sachsen-Anhalt macht für seinen Abschnitt ein generelles Befahrungsverbot aus naturschutzrechtlichen Gründen geltend. Für einen Fluss, der zwei Landkreise und zwei Länder verbindet, gelten unterschiedliche Gesetze. Das löst seit Jahren Frustwellen aus.
Lautloses Dahingleiten
Für Kanuten gibt es nichts Schöneres, als mit dem Boot schier lautlos dahinzugleiten und dem gleichmäßigen Plätschern des Paddels zu lauschen. Als Background klingt das Zirpen der Grillen vom Ufer herüber, und wer dort Wasservögel und anderes Getier sichtet, hält inne in seiner Bewegung: „Nicht stören, sondern wahrnehmen, wertschätzen, dass man der Natur so nahe kommt“, so beschreibt Lutz Rotte, Vorsitzender des Kanuvereins „Harmonie“ aus Elster, wie es ihm beim Paddeln ergeht. „Dass dieses Erlebnis ausgerechnet auf unserem Heimatfluss, der Schwarzen Elster, von Arnsnesta an nur mit Ausnahmegenehmigung möglich ist, verstehen wir nicht“, hadert er. Dem Verein sei die Sondergenehmigung anlässlich der Elster-Elbe-Fahrt alljährlich im Mai zwar nie verwehrt worden. Dennoch wächst das Unverständnis, dass es überhaupt eines solchen Dokumentes bedarf.
Unterstützung finden die Elsteraner bei Gleichgesinnten im Elbe-Elster-Kreis. Das Fahrverbot im Naturschutzgebiet „Untere Schwarzen Elster“ ab Arnsnesta hemmt auch die Initiativen des Fördervereins Elbe-Elster-Tours in Uebigau. Michaela Winter, geschäftsführende Gesellschafterin, bekundet: „Seit mehr als zehn Jahren betreiben wir sanften Wassertourismus auf der Schwarzen Elster und ihrer weit verzweigten Flusslandschaft. Land, Landkreis, Kommunen, Wirtschaft und Gastronomie stehen voll dahinter. So konnte die notwendige Infrastruktur geschaffen werden. Die Resonanz zeigt, dass dies richtig war. Von einer negativen Beeinflussung der Natur ist nichts zu spüren. Naturschutz und Wasserwandern vertragen sich miteinander, das bestätigen unsere Erfahrungen.“ Zum Naturparkfest in Prestewitz habe sie darüber mit interessierten Paddelfreunden aus Elster/Elbe gesprochen und resümiert: „Wir sind der Meinung, dass ganz normales Kanufahren, so wie es hierzulande betrieben wird, der Landschaft nicht schadet.“
Positive Erfahrungen
Marco Trabitz, stellvertretender Kanu-Vereinsvorsitzender aus Elster, erklärt: „Ich habe unseren Vorstand über die Gespräche in Prestewitz informiert. Wir wollen die Behörden im Kreis Wittenberg auf die positiven Erfahrungen der Nachbarn in Elbe-Elster aufmerksam machen.“ Dabei will auch Frank George, Leiter des Amtes für Bauaufsicht, Umwelt und Denkmalschutz der Herzberger Kreisverwaltung, unterstützen: „Wir sind sicher, dass der Tourismus generell profitiert, wenn die durchgängige Befahrbarkeit des Flusses hergestellt wird. Die hiesigen Erfahrungen zeigen, dass sich Naturschutz und freizeitmäßiger Wasserwandersport nicht ausschließen.“ In diesem Sinne wolle seine Behörde gern die Amtskollegen in Wittenberg informieren.
Wie die Pressestelle des Landkreises Wittenberg mitteilt, haben sich die Zuständigkeiten für die Erteilung der naturschutzrechtlichen Befreiung zum Befahren der Schwarzen Elster geändert. Das den Elsteraner Kanuten vorliegende Dokument wurde 2012 von der Naturschutzbehörde des Landesverwaltungsamtes (LVwA) erlassen. Es ist noch bis 31. Dezember 2017 gültig. Jeweils vom 15. bis 31. Mai und vom 20. August bis 30. Oktober kann demnach der Fluss (mit Einschränkungen und Sondererlaubnis) befahren werden. Seit 1. Januar 2014 obliegt die Zuständigkeit der Unteren Naturschutzbehörde im Landkreis Wittenberg.
In der aktuellen naturschutzrechtlichen Befreiung heißt es unter anderem, dass das Naturschutzgebiet „Untere Schwarze Elster“ flächengleich mit dem gleichnamigen FFH-Gebiet ist. Alle Einschränkungen stellten sicher, „dass die durch das Befahren entstehenden Störungen der im und am Wasser lebenden Tierwelt, insbesondere des Brutgeschehens der Avifauna, auf ein vertretbares und überschaubares Maß beschränkt bleiben“. Brutnachweise existierten für: Drosselrohrsänger, Schilfrohrsänger, Eisvogel, Knäkente, Rohrdommel, Rohrweihe, Uferschnepfe, Schlagschwirl, Rothalstaucher, Tüpfelsumpfhuhn, Beutelmeise.
Pressesprecher Ronald Gauert weist im Gespräch mit der MZ darauf hin, dass die Schwarze Elster im beschriebenen Gebiet nach Ansicht des LVwA Halle und der Unteren Naturschutzbehörde in Wittenberg naturbelassener sei als anderswo. Das gelte insbesondere für den Flussabschnitt vom Beginn des Stadtgebiets Jessen bis zum Mündungsbereich der Elbe. Der Kreis, so unterstrich er, verhindere hier nichts, sondern kümmere sich darum, dass dieses Befahrungsverbot zeitweise aufgehoben werde.
Markus Baudisch, Präsident des Landeskanuverbandes von Sachsen-Anhalt, plädiert für eine gemeinsame Lösungssuche: „Wenn Kanufreizeitsport im Einvernehmen mit der Natur betrieben wird, ist beides vereinbar. Dazu herrscht auch im Bundeskanuverband Übereinstimmung“, weiß der Jurist und erläutert: „Natürlich müssen bestimmte Regeln eingehalten werden, Uferbetretungsverbote an gekennzeichneten Stellen zum Beispiel. Doch über solche Dinge können alle Beteiligten miteinander reden“, schlägt er vor. Marco Trabitz sagt für die Elsteraner Kanuten: „Eine Lösungssuche ist ganz in unserem Interesse. Wir wollen ja paddeln und nicht ständig anlegen. Stege in Klossa oder Schweinitz und Jessen zu bauen, dürfte trotzdem kein Problem sein. Das würde auch die Gastronomen vor Ort freuen.“ (mz)
