Freilufttheater Freilufttheater: Der kleine Prinz am Verkehrslandeplatz

Mügeln/Zellendorf - Es ist ein eigenartiger Planet, auf den der kleine Prinz aus einer fernen Galaxis einfach so herabgefallen ist. Mitten hinein in die Wüste. Dort bastelt ein Pilot an seinem defekten Flugzeug. Es geht für ihn um alles: Wieder starten können oder elend verdursten. Denn die Wasservorräte reichen nur für acht Tage. In der Geschichte des französischen Literaten und Piloten Antoine de Saint-Exupéry (1900 bis 1944) jedenfalls.
Landung in der Dunkelheit
Das Geschehen spielt sich in Zellendorf am Verkehrslandeplatz der Flämin Air GmbH ab. Geschäftsführer Martin Eckard legt eine gekonnte Landung in der Dunkelheit hin, die Vorführung kann beginnen, der Inhalt wird über Lautsprecher erzählt, die Darsteller agieren entsprechend.
Der Pilot erzählt aus seinem Leben. Er wollte Maler werden. Seine Karriere endete bereits im Alter von sechs Jahren. Als er eine Boa malte, die einen Elefanten verschlungen hatte. Alle, die das Bild sahen, meinten nur: Das ist ein Hut. „Also beschloss ich, Flieger zu werden, berichtet der Mann.
Er kommt mit dem kleinen Prinzen ins Gespräch. Der versteht diese Welt überhaupt nicht. Alles ist neu für ihn, nichts erinnert an seinen winzigen Heimatplaneten. Der hat nur drei Vulkane, einer davon ist erloschen. Anschaulich speien dazu die Attrappen auf einem hohen Gerüst auf dem Freigelände Rauch. Der kleine Prinz macht die vielfältigsten Bekanntschaften. Der Pilot soll ihm ein Schaf malen. Eine Blume trifft er. Die hat nur vier Stacheln. Zu wenige, um sich gegen die böse Welt zu wehren, schätzt der Erdenbesucher ein und nimmt sie in seine Obhut.
Verschiedene Begegnungen
Er begegnet einem Geografen. „Geografen sind die wichtigsten Leute. Sie halten alles in Karten für die Ewigkeit fest. Sie dürfen nur keine Säufer sein. Sonst tragen sie jeden Berg doppelt ein.“ Ein Forscher klärt ihn auf: Auf der Erde gibt es 111 Könige, die Negerkönige mitgerechnet, 7 000 Geografen, 400 000 Geschäftsleute, 7,5 Millionen Säufer und 311 Millionen Eitle, kurz – ungefähr zwei Milliarden erwachsene Leute. Der kleine Prinz lernt einen Fuchs kennen. Den möchte er zum Freund haben. „Das geht nur, wenn du mich zähmst. Also, zähme mich!“ „Zähmen, was ist das“, fragt der kleine Prinz. Ein überdimensional großer Fuchs erscheint schließlich, von Statisten an Stangen geführt, aus der Dunkelheit des Waldes.
Flämingtrachten dabei
Direkt neben der „irdischen Waldbühne“, auf der das Leben pulsiert: Tänzerinnen und Tänzer der Dennewitzer Flämingtrachten-Gruppe und der Frauenchor „Raduga“ aus Altes Lager werden mit Tänzen und Liedern in das Geschehen auf einem Nebenschauplatz einbezogen. Sie sollen einen Teil des irdischen Lebens verkörpern. Der kleine Prinz schaut gebannt zu.
Schließlich finden der Pilot und er eine Quelle. In letzter Sekunde rettet der Flieger den Prinzen vor einer Schlange. Der Motor des Flugzeuges läuft wieder, die Zeit des Abschieds ist gekommen. „Ich schenke Dir alle Sterne, auch meinen Planeten. Und alle werden sie lachen. Du wirst der einzige Mensch sein, der sie lachen hört“, verspricht der kleine Prinz. Dann verschwindet er auf den Planeten mit den drei Vulkanen. Nur seine leere Körperhülle bleibt auf der Erde zurück. Martin Eckardt startet, dreht eine Platzrunde und landet sicher wieder auf dem Rollfeld.
Hans-Joachim Frank, Intendant vom „theater 89“ mit Sitz in Berlin und im Kulturzentrum „Das Haus“ in Altes Lager, hat die Geschichte inszeniert. „Der kleine Prinz hat mich und meine Schauspielerkollegen schon immer fasziniert. In Berlin haben wir das Stück seit Anfang der 1970er Jahre gespielt. Aber ich suchte nach etwas Besonderem. Da kamen wir auf die Idee, die Geschichte in der unnachahmlichen Atmosphäre einer Freiluftbühne zu erzählen“, erinnert sich der Regisseur und Intendant. Bei Monika und Rudi Hackel, damals Geschäftsführer der Fläming Air, fand das Projekt sofort Interesse, gemeinsam tüftelte man an der Umsetzung. Die Premiere war am 12. August 2011. Am 26. August des gleichen Jahres verunglückte Rudi Hackel mit seiner Cessna während einer Vorstellung tödlich. Die Hinterbliebenen und die Theaterleute beschlossen, das Vermächtnis von Rudi fortzusetzen - mittlerweile in der vierten Spielsaison.
Für Hans-Joachim Frank steht fest, dass Antoine de Saint-Exupéry harte Erfahrungen, ja sogar Todesängste in der fiktiven Geschichte verarbeitet hat. Er musste selbst mehrfach in der Wüste notlanden, bis er im Zweiten Weltkrieg als Pilot eines Postflugzeuges vermutlich über dem Mittelmeer bei einem bis heute ungeklärten Absturz umkam.
„Die Geschichte ist ein sehr anspruchsvolles Märchen. Alles ist darin literarisch sehr gekonnt verarbeitet“, sagt Hans-Joachim Frank. Schlussfolgerungen für das eigene Leben lassen sich unwillkürlich ziehen. Auch dieser Satz aus dem Stück hat eine tiefe Bedeutung: „Man sieht nur mit dem Herzen gut.“
Lob für die Inszenierung
Monika Hackel zitiert einen Sportflieger aus Stuttgart, der jüngst eine Vorstellung besucht hat: „Die Inszenierung ist weltweit einmalig.“ Sie erzählt auch die Geschichte eines jungen Ehepaares aus Berlin. „Sie waren letztes Jahr so begeistert, dass sie in diesem Jahr wieder kamen.“ Allerdings nicht allein, sondern mit ihrem fünf Monate jungen Sprössling. „Das lag bestimmt daran, dass sie voriges Jahr bei der Aufführung zufällig eine Sternschnuppe sahen und sich etwas wünschten“, schlussfolgert Monika Hackel lachend. (mz)
