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Erinnerungen an 30 Jahre MZ Jessen Erinnerungen an 30 Jahre MZ Jessen: Aus dem Boden gestampft

Von Ute Otto 01.08.2020, 09:50
An ihre Zeit bei der MZ erinnert sich Ursula Gäbeler gern.
An ihre Zeit bei der MZ erinnert sich Ursula Gäbeler gern. Ute Otto

Gross Naundorf - Im Juli 1990 arbeitet Ursula Gäbeler beim Dienstleistungsbetrieb in Jessen, als dessen Chef Klaus Krüger die Mitarbeiter seiner Verwaltung zusammenruft. Der Betrieb sei von der Mitteldeutschen Zeitung beauftragt, den Vertrieb der Jessener Lokalausgabe zu übernehmen, die demnächst starten soll. Wer denn bereit sei, das zu machen. Der frühe Arbeitsbeginn um 3 Uhr ist der Haken. „Mir hat das nichts ausgemacht, ich war schon immer Frühaufsteher“, sagt Ursula Gäbeler. „Dass ich zugesagt habe, war mein Glück. So bin ich der Arbeitslosigkeit entkommen.“

Der 27. Juli ist für den Start der MZ in Jessen bereits gesetzt. „Wir hatten genau eine Woche Zeit, den Vertrieb aufzubauen.“ Über eine Anzeige in der Lausitzer Rundschau wurden Zusteller geworben. Meist melden sich die Postboten aus den Dörfern, die wie viele seinerzeit vor einer ungewissen Zukunft stehen.

Mit ihrem Kollegen Erwin Winkelbauer knobelt Ursula Gäbeler, wie das Netz zu knüpfen ist. Das ländliche Verbreitungsgebiet wird in drei Touren aufgeteilt, deren Fahrer bringen die Zeitungen an die Sammelpunkte, dort sollen sie die Zusteller abholen. „Erwin und ich sind die Touren abgefahren, ob das hinhaut“, erzählt die heute 70-Jährige. Parallel dazu telefoniert Ursula Gäbeler mit jedem der 90 potenziellen Zusteller. „Den letzten habe ich am Abend zuvor um 22 Uhr erreicht.“

Dann schlägt die große Stunde: Die Heißmangel im Höfchen ist als Basis auserkoren. Hierher werden alle 13.000 Exemplare gebracht - in den ersten vier Wochen bekommt jeder Haushalt des neuen Verbreitungsgebietes die MZ. Die Tourenfahrer zählen die Exemplare für jede einzelne Lieferstelle ab, Ursula Gäbeler und Helfer packen die Bündel für die Jessener Boten. (Nach der Einweihung des neue Druckhauses in Halle entfällt das Zählen, weil die Bündel dann nach Bedarf zusammengestellt werden.)

Morgens um 6 ist es geschafft. Geschafft ist auch Ursula Gäbeler. „Ich war nach dieser Woche fix und fertig, ich brauchte eine kurze Auszeit.“ Schließlich wartet schon die nächste Herausforderung. Nach vier Wochen bekommen nur noch Abonnenten die Zeitung - das Probelesen hat schon eine Menge gebracht. Ursula Gäbeler erstellt und bearbeitet täglich die Abonnentenlisten für die Zusteller.

Im November 1990 wird die Jessenerin von der MZ als Gebietsleiterin eingestellt. Auch die Zusteller werden MZ-Mitarbeiter. Fällt einer aus, muss Ursula Gäbeler ad hoc für Vertretung sorgen. Das beschert der kleinen resoluten Frau manche schlaflose Nacht.

Das Zeitungsgeld wird monatlich in bar von den Zustellern kassiert. Bei der Gebietsleiterin wird abgerechnet. Die bringt dann das Geld nach Herzberg zur Bank. „Da bin ich manchen Abend mit zehntausend Mark durch die Gegend gegondelt“, erzählt sie. Als später das Lastschriftverfahren eingeführt wird, bereitet Ursula Gäbeler für jeden Abonnenten einen Überweisungsträger vor, die ausgegeben und unterschrieben wieder eingesammelt und von ihr zur Bank gebracht werden.

„Es war harte Arbeit“, bilanziert Ursula Gäbeler. Als 2008 ihr Mann aufhört zu arbeiten, entscheidet sie, sich ebenfalls zur Ruhe zu setzen. „Aber es war auch eine schöne Zeit“, versichert sie. Ihren Zusteller in Groß Naundorf kennt sie übriges nicht. (mz)