Elektronikmarkt in Jessen Elektronikmarkt in Jessen: Uwe Parche gibt gegen den Onlinehandel auf

Jessen - „Ich hatte gehofft, bis zur Rente hier durchhalten zu können, aber das sollte halt nicht sein.“ Uwe Parche, von dem dieser Satz stammt, schließt zum Jahresende seinen Elektronik-Fachmarkt am Kreisel in Jessen. Am 1. November könnte er das 29. Geschäftsjahr feiern. Doch zum Feiern wird ihm kaum zumute sein.
„Die Umsätze reichen nicht mehr aus, um die Kosten in der Art und Größe des Ladens zu decken“, erklärt Parche in sachlichem Ton. „Seit 2012 sind die Umsätze kontinuierlich gesunken“, meint der Inhaber des wohl größten Fachmarktes in Jessen für Unterhaltungselektronik, Computer und Haushaltselektrotechnik. Einen der Hauptgründe dafür sieht er „in der weiteren Entwicklung des Internets“.
Er habe versucht, durch einige Initiativen dagegen zu steuern. Erfolglos, wie er resümiert. Er habe zum Beispiel angeregt, mit anderen Einzelhändlern in der Region einen gemeinsamen Reparaturservice auf die Beine zu stellen.
Damit sei er auf kein Gegeninteresse gestoßen. Auch er hatte einen Onlinehandel angeboten. Aber um bei Suchmaschinen wie Google weit oben zu stehen, das bedeutet, schnell gefunden zu werden, „das kostet richtig Geld“, meint der Jessener.
Gründe nachvollziehbar
Für den Referenten für Handel bei der Industrie- und Handelskammer Halle-Dessau (IHK), Daniel Loeschke, sind die Gründe, die Uwe Parche zum Schließen seines Marktes zwingen, durchaus nachvollziehbar. Wenngleich er, Loeschke, den Kreis weiter zieht.
Der Anteil des Onlinehandels am gesamten Handelsaufkommen liege noch bei lediglich zehn Prozent. In der Tendenz allerdings schon steigend, „in einigen Segmenten sehr stark“, sagt er. Elektronik und Bekleidung seien momentan tatsächlich die Wachstumsbranchen. Auch Baumarktartikel seien im Internethandel tendenziell stärker nachgefragt. Noch nicht ganz so erheblich sei der Erwerb von Lebensmitteln im weltweiten Netz.
Aber aus seiner Sicht seien es nicht nur die großen Onlinehändler, die den Einzelhändlern vor Ort das Leben schwer machen. Loeschke hält es für unabdingbar, dass die Einzelhändler sich auf eigenen Webseiten präsentieren. Diesen Punkt allerdings erfüllt Uwe Parche. Sein Geschäft ist über die Seite der Euronics-
Liefergenossenschaft, der das Jessener Geschäft angehört, mit Adresse, Telefonnummer und täglichen Angeboten schnell zu finden. Dort ist auch der Onlineshop aufgeschaltet.
Städte sitzen mit im Boot
Der IHK-Handelsreferent sieht den Internethandel „in Zukunft weiter ansteigen.“ Das sei auch gewollt. Aber: „Das Kundenverhalten hat sich verändert“, sagt Loeschke. Liefergemeinschaften wie Euronics haben darauf reagiert und bieten beispielsweise die Alternative „kaufen online und abholen vor Ort im Laden“. Händler vor Ort müssen da ihren Platz finden. Und auch die Kommunen müssen nach Auffassung Loeschkes „ihre Hausaufgaben machen“.
Soll heißen, je mehr Läden in den Innenstädten leer stehen, desto mehr ziehen sich zwangsläufig die Kunden aus den Zentren zurück. Sie fahren dorthin, wo sie ein Einkaufserlebnis haben. Jessen gehört nun, das räumt der IHK-Mann ein, zu den kleineren Städten, die es in dieser Hinsicht nicht leicht haben.
Für IHK-Mann Loeschke sind die Finalisten, also die Einzelhändler vor Ort, gut beraten, „wenn sie versuchen, das beste aus beiden Welten zu vereinen“. Die Kammer böte dazu zahlreiche Hilfen, Informationsmaterial, Vorträge usw., an. „Es gibt auch Förderprogramme.“
Für Uwe Parche zählt das alles nicht mehr. Seit Mai steht sein Entschluss fest, den Markt geordnet zu schließen, bevor die Insolvenz droht. Zwei seiner Mitarbeiter, die von Anfang an dabei sind, haben bereits Anschlussarbeitsstellen gefunden. Sein jüngerer Kollege und er selbst seien noch auf der Suche. Ab Anfang Dezember wird Parche mit dem Räumungsverkauf starten.
Seit 29 Jahren selbstständig
Als das Dienstleistungskombinat in Jessen gleich nach der Wende begann, auch Heimelektronik anzubieten, übernahm Uwe Parche, Jahrgang 1962, diesen Bereich. Seit er 1988 die Offiziersschule der Bereitschaftspolizei abgebrochen hatte, war er Produktionsleiter des VEB Dienstleistungen. Als der VEB (Volkseigener Betrieb) aufgelöst wurde, war das für den Jessener der Start in die Selbstständigkeit.
In der sogenannten Mühle gegenüber dem heutigen Rewe-Markt war damit der erste Standort des Geschäftes. Als Mitte der 90er Jahre das Elster-Center nahe der Jessener Altstadt fertiggestellt war, zog Parche mit seinem Geschäft dorthin und hatte eine deutlich größere Ladenfläche zur Verfügung. 2007 vollzog er noch einmal einen Bruch.
Mit dem Umzug in das Wohn- und Geschäftshaus am Kreisel in Jessen vergrößerte sich die Verkaufsfläche noch einmal auf fast das Doppelte. Nun hatte er den Platz, auch Küchengroßgeräte anbieten zu können. Bis zum Schluss am Jahresende werden die Kunden wie gewohnt bedient, es werde auch Ware, die fehlt, nachbestellt, sagt Parche.
(mz)