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Kritik an Datenerhebung Eigenwilliges Zensusergebnis: In Jessen „verschwinden“ Leute

Das Ergebnis der Einwohnererhebung „Zensus 2022“ ist den Kommunen übermittelt worden. Warum Bürgermeister Michael Jahn die ermittelten Zahlen anzweifelt.

Von Klaus Adam 01.11.2024, 15:47
Auf mehrere Arten wurde vor zwei Jahren auf den Zensus aufmerksam gemacht.
Auf mehrere Arten wurde vor zwei Jahren auf den Zensus aufmerksam gemacht. (Foto: Daniel Karmann/DPA)

Jessen/MZ. - Es gibt Ärger in der Stadt Jessen. Genauer gesagt, in der Stadtverwaltung ärgert man sich. Nach dem Ergebnis des im Jahr 2022 veranstalteten Zensus – das den Städten nun zugestellt wurde – fehlen Jessen 514 Einwohner. Das sind 3,6 Prozent. Zu viele, als dass man dies als Lappalie zu den Akten legen würde.

Denn gegenüber den laut Zensus 2022 im Statistischen Landesamt geführten 13.910 Einwohnern führte das Jessener Einwohnermeldeamt zum Stichtag insgesamt 14.424 Einwohner. „Die erhebliche Differenz wirft daher Fragen auf“, formulierte Bürgermeister Michael Jahn (SPD) in seiner Stellungnahme zum Anhörungsverfahren. Die kennzeichnete er nicht nur in der Überschrift, sondern auch im Duktus des Gesagten als Beschwerde. Sprich: An der Sorgfalt der Erhebung wird gezweifelt. Oder wie es der Bürgermeister ausdrückt: „Diese nun übermittelte vorgesehene Feststellung der amtlichen Einwohnerzahl überrascht.“

Etwa mehrere Adressen

Den Ausgangspunkt der Differenzen könnten Einwohner markieren, die an zwei oder mehreren Adressen gleichzeitig gemeldet sind. Dazu kommentiert Michael Jahn gegenüber der MZ, dass „natürlich auch der Meldebestand unwiderlegbar fragwürdig ist, solange bei uns mangels eindeutiger Identifizierung und Datenabgleich mehrfache Anmeldungen von Personen nicht ausgeschlossen sind.“ Aber er sagt auch, dass der Verweis auf die Rechtmäßigkeit und Richtigkeit des Zensus darauf hindeute, dass dem Land seine Daten für die Ermittlung von Bedarfen und Zuweisungen „angenehmer“ seien, da sie geringer ausfallen. Landeszuweisungen an Kommunen werden gewöhnlich nach Einwohnerzahl vergeben.

Gegenüber der MZ bekundete Jessens Bürgermeister, dass er den Aufwand für die Zensus-Erhebung „für absolut fragwürdig“ halte, da „in Deutschland sowohl die Personendaten des Finanzamtes, die der Renten- und Krankenversicherung bis hin zu den Meldedaten des Einwohnermeldeamtes abgleichfähig wären, wenn man nicht künstlich den ‚Datenschutz‘ für die mangelhafte und nachlässige Gewährleistung unserer Ordnung missbrauchen würde“.

Den Widerspruch im Anhörungsverfahren zu den Zensuszahlen habe Jessen auch an den Städte- und Gemeindebund gesandt, „mit der Hoffnung, dass sich viele Städte derart äußern, wenn man nicht schon den Mut verloren hat“.

Allerdings haben die beiden anderen Städte im Altkreis Jessen, Annaburg und Zahna-Elster, solche Probleme nicht. „Bei uns gibt es keine großen Unterschiede zwischen Zensusergebnis und Daten des Meldeamtes“, erklärt der Bürgermeister von Zahna-Elster, Peter Müller (Freie Wähler), auf die MZ-Anfrage.

Und auch für die Stadt Annaburg bringt das kürzlich übermittelte Zensusergebnis keine großen Überraschungen, wie Bürgermeister Stefan Schmidt (Freie Wählergemeinschaft Annaburg) auf die MZ-Anfrage antwortet. Ganz im Gegenteil, das Statistische Landesamt geht von „acht oder neun Einwohnern mehr“ aus, als die städtischen Meldedaten ausweisen. „Da ist das Ergebnis aus Halle nahe dran an unseren Daten“, so Stefan Schmidt. Und gegen „amtlich festgestellte Mehrpersonen“ wird sich keine Gemeinde auflehnen. Da dürfte der Pragmatismus siegen.

Bleibt also die Causa Jessen. In seiner Erwiderung an das Statistische Landesamt wirft Bürgermeister Jahn etwa die Frage auf: „Wie genau wurde durch die ehrenamtlichen Erhebungsbeauftragten nachgewiesen, dass Personen an einer bestimmten Adresse (eventuell) tatsächlich nicht wohnhaft waren? Gibt es hierfür Belege?“ Aus Sicht der Kommune sei eine ausschließliche Ermittlung allein vor Ort „nicht zielführend“. Personen seien aus verschiedensten Gründen nicht immer am Wohnort anzutreffen. Gründe dafür könnten zum Beispiel Urlaub, Montagetätigkeit, Krankenhausaufenthalte, Reha-Behandlungen oder ähnliches sein, so der Bürgermeister in seiner Stellungnahme an das Statistische Bundesamt.

Zudem habe die Stadtverwaltung selbst in den durch die Statistiker übermittelten Zahlen unerklärliche Differenzen gefunden. So stimmten in den Daten des Landesamtes einige Teilsummen nicht. Etwa hatte die Stadt einen Meldebestand von 14.424 Einwohnern übermittelt. In seinen Zahlen „unterschlägt“ das Landesamt allein hier drei Einwohner. „Wenn sich diese Fehlerhaftigkeit (...) auch auf die einzelnen Teilsummen überträgt, könnte dies zu einer erheblichen Abweichung führen bzw. Grund für eine derartig hohe Differenz sein“, subsumiert Jessens Bürgermeister in seinem Schreiben.

Die Stadt habe die Meldedaten zum damaligen Stichtag im Jahr 2022 noch mehrmals abgeglichen. Und ist zum Ergebnis gekommen, „dass sich die Gesamteinwohnerzahl der Stadt Jessen (Elster) nicht in der Höhe verändert hat und bei 14.424 verblieben“ ist.

Laufendes Verfahren

Die Anfrage der MZ beim Statistischen Landesamt, ob Jessen ein Einzelfall ist oder sich auch andere Kommunen einschlägig beschwert haben, beantwortete das Landesamt unter dem Verweis darauf, dass es ein noch laufendes Verfahren ist, nicht.

Auch vom Präsidenten des Städte- und Gemeindebundes, dem Zerbster Bürgermeister Andreas Dittmann, war aus Zeitgründen zumindest zeitnah noch keine Antwort auf die gleiche Frage zu erhalten.