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KZ-Gedenkstätte Lichtenburg Prettin Diesen frischen Blick von außen haben Architektur-Studenten der FH Aachen auf die Lichtenburg Prettin

In der Gedenkstätte Lichtenburg Prettin haben Aachener Studenten ihre Entwürfe für die Nutzung der Lichtenburg vorgestellt. Wie einige Gäste reagieren.

Von Thomas Keil 02.06.2024, 10:02
Studenten mit Besuchern, Besucher mit Besuchern – in der Gedenkstätte KZ Lichtenburg in Prettin  werden die  Konzepte der angehenden Aachener Architekten für Kirche, Höfe und Zellenbau nach der Ideenvorstellung rege diskutiert.
Studenten mit Besuchern, Besucher mit Besuchern – in der Gedenkstätte KZ Lichtenburg in Prettin werden die Konzepte der angehenden Aachener Architekten für Kirche, Höfe und Zellenbau nach der Ideenvorstellung rege diskutiert. )Foto: Thomas Keil)

Prettin/MZ. - Dem Wittenberger Uwe Loos muss es durch Mark und Bein fahren, als Leila Nagil und Pia Houpperichs ihr Konzept für die Innenhöfe der Lichtenburg vorstellen. Die beiden wollen wie in der Renaissance eine Freitreppe im Nordhof an den Balkon bauen, der während der KZ-Zeit als Schießstand diente. Damit werfen die beiden Frauen eher zufällig die Frage auf: Wie verbindet man bei einem künftigen Nutzungskonzept denkmalgerechte Wiederherstellung mit pietätvollem Gedenken?

Höfe, Kirche und Zellentrakt

Pia Houpperichs und Leila Nagil sind zwei von insgesamt dreizehn Architekturstudenten der Fachhochschule Aachen, die am Donnerstag ihre Konzepte für eine künftige Nutzung der Lichtenburg vorstellen. Dabei konzentrieren sie sich auf die drei Bereiche: Höfe, Schlosskirche und Zellentrakt. Anschließend diskutieren sie rund eine halbe Stunde mit den etwa 40 Gästen über die dargelegten Ideen.

Auch mit Modellen werden die Ideen dargestellt.
Auch mit Modellen werden die Ideen dargestellt.
(Foto: Thomas Keil)

Die Präsentationen beginnen mit drei Ideen zum Zellentrakt. Shirley Peters und Gero Mutz wollen diesen zu einem sogenannten Kompaktdepot machen. „Dabei werden die einzelnen Zellen zu Funktionsräumen wie Depots oder Arbeitsräume“, erläutert Shirley Peters. Ganz ähnlich sehen dies Anne Köppl und Pavlina Nikolovska. Für sie ist das Gebäude eine Art Gedächtnis. „Ein sensorisches, ein Arbeits- und ein Langzeitgedächtnis“, präzisiert Pavlina Nikolovska. Ähnlich wie zuvor sollen die einzelnen Zellen dafür unterschiedliche Funktionen erfüllen. „Arbeits- und Interaktivräume, sowie Lapidarienlager“, zählt Anne Köppl auf.

Beiden Gruppen ist gemein, dass sie die Zellen erhalten wollen. Dagegen benötigt die Idee von Sönke Freund und Jesse Dilworth ein paar Eingriffe in die Bausubstanz. „Wir wollen hier Zeitkapseln schaffen“, sagt Sönke Freund. Dazu sollen unter anderem Seminarräume durch die Zusammenlegung von Zellen entstehen. Ein passender Zeitstrahl führe durchs Gebäude.

Böden mit Zeitschichten

Die nächsten zwei Gruppen widmen sich den Innenhöfen. Beide wollen die Böden unangetastet lassen. „Deshalb sollen unsere Bäume der Erinnerung in Pflanzkübeln wachsen“, sagen Leila Nagil und Pia Houpperichs. Sie setzen bei Sitzmöbeln ebenso wie Michelle Ulfig und Dominik Gilles auf temporäre Installationen. Außerdem wollen Leila Nagil und Pia Houpperichs mit der eingangs erwähnten Treppe die Renaissance betonen.

Verschattungen, Wege, Sichtachsen – vor der Konzeptionierung haben  Dominik Gilles (l.) und Michelle Ulfig die Lichtenburg eingehend analysiert.
Verschattungen, Wege, Sichtachsen – vor der Konzeptionierung haben Dominik Gilles (l.) und Michelle Ulfig die Lichtenburg eingehend analysiert.
(Foto: Thomas Keil)

In ihrer Präsentation weisen Michelle Ulfig und Dominik Gilles nochmals den Erhalt des Bodens hin. „Es ist schwierig, Zeitschichten zu erkennen“, meint sie. Für ihre Idee haben sie zunächst die Sichtachsen und Verschattungen im Gebäudeensemble analysiert.

Zu guter Letzt widmen sich einerseits Jona Hahnengress und andererseits Aurelia Gashi sowie Linus Ahlers mit zwei Konzepten der Kirche. Beide sehen dort einen Veranstaltungsraum. „Eine Bühne um die mittlere Säule, Kinoleinwand vor der Orgel oder Kunstausstellung“, schlägt Jona Hahnengress vor. Die Nebenräume sieht er als Backstage-Bereich oder Werkstätten für Kunstprojekte. „Wie gehen wir mit dem Bauwerk um?“, fragen sich seine Kommilitonen. Für Aurelia Gashi und Linus Ahlers soll alles reversibel sein. Vor allem wollen sie bisher versteckte Wandmalereien im Bereich der Orgel wieder sichtbar machen.

Heidrun Mörchen meint, der Zellentrakt werde schwierig.
Heidrun Mörchen meint, der Zellentrakt werde schwierig.
( Foto: Thomas Keil)

Erstmals vor Ort

Alle dreizehn besuchen zum ersten Mal die Lichtenburg. „Wir sind Sonntag für eine Woche angereist“, blickt Sönke Freund zurück. Bisher hätten sie nur wenige Pläne und Fotos zur Verfügung gehabt. Zusammen mit der Gedenkstättenleiterin Melanie Engler hätten sie die Lichtenburg ausgiebig erkundet. „Erst vor Ort ist der Groschen gefallen“, beschreibt Michelle Ulfig ihre Eindrücke.

Für Mario Titze sind die Entwürfe ein Quantensprung.
Für Mario Titze sind die Entwürfe ein Quantensprung.
(Foto: Thomas Keil)

Mit den Ideen und Ansätzen beeindrucken die 13 Master-Anwärter auch das Publikum. „Ich bin von der analytischen Herangehensweise fasziniert“, sagt Annaburgs Bürgermeister Stefan Schmidt (FWG). Die ehemalige Prettiner Ortsbürgermeisterin Helga Welz ist ebenfalls ganz angetan: „Ich hoffe, dass es schnell umgesetzt wird.“ Das wird laut Jürgen Dannenberg aber nur Stück für Stück gehen. „Manche Ideen werden bestimmt auch zusammengelegt“, sinniert der einstige Landrat. Mario Titze vom Landesamt für Denkmalpflege sieht in den Konzepten einen Quantensprung für die Gebäude.

Christiane Hennen freut sich über den Begriff „Zeitschichten“.
Christiane Hennen freut sich über den Begriff „Zeitschichten“.
(Foto: Thomas Keil)

Von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben meldet sich unter anderem Heidrun Mörchen zu Wort. „Der Zellentrakt wird am schwierigsten“, ordnet sie ein. Christiane Hennen vom Förderverein Hofgestüt Bleesern freut sich über den Begriff der „Zeitschichten“.

Uwe Loos empfindet die Treppe zum Schießstand als Schock.
Uwe Loos empfindet die Treppe zum Schießstand als Schock.
(Foto: Thomas Keil)

Schlussendlich ist es für Uwe Loos trotz des Treppenschocks offensichtlich ein gelungener Abend. „Ich finde es gut, dass Menschen von außerhalb einen Blick darauf geworfen haben. Wir haben schon Scheuklappen auf“, ordnet das Mitglied des Freundeskreises Lichtenburg ein.