Kriegsende an der Elbe Deshalb will Henrik Simon in Torgau den Schwur an der Elbe auch nach 79 Jahren erneuern
Zum 79. Jahrestag der Begegnung sowjetischer und amerikanischer Truppen an der Elbe sprechen Henrik Simon, Markus Pieper und Mathias Imbusch. Wen sie begrüßen, wer fehlt.
Torgau/MZ. - Recht einsam sitzt Toni Leuschner mit seinem Akkordeon auf dem Sockel des Denkmals. Vor sich steht eine Reihe Drahtgestelle. Man könnte meinen, er sei ein Straßenmusiker exzellenter Qualität – immerhin haben sich schätzungsweise 80 Leute rund um das Denkmal versammelt, lauschen ergriffen. So spielt er erst einen Blues, später ein russisches Lied.
Ohne Sieger
Dieses musikalische Treffen von Ost und West bildet den kulturellen Rahmen der diesjährigen Elbe-Day-Gedenkveranstaltung in Torgau. So begrüßt an diesem Donnerstag Torgaus Oberbürgermeister Henrik Simon die Gäste am Denkmal der Begegnung. Offizielle Vertreter der einstigen Siegermächte fehlen dieses Jahr wieder. Lediglich Vertreter des Russischen Hauses aus Berlin – der Kulturbotschaft – waren vor Ort und legen einen Kranz nieder. Außerdem gedenken einige Vertreter des russischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ den einstigen Ereignissen. Ein Teil dieser Abordnung tritt dazu in historischen sowjetischen Uniformen auf.
In seinen Worten blickt das Stadtoberhaupt auf die aktuellen Kriege in der Ukraine und dem Gazastreifen. „Diese zeigen, wie schnell es vorbei sein kann mit dem Frieden“, mahnt das Stadtoberhaupt. Deshalb setze diese Gedenkveranstaltung ein Zeichen für den Frieden. Man müsse sich an die Gräueltaten des Zweiten Weltkriegs erinnern. „Denn sonst hätten wir nichts aus der Vergangenheit gelernt – aber genau das haben wir.“ Deshalb wolle er den zwar 79 Jahre alten, aber nicht minder aktuellen Friedensschwur an der Elbe vom 25. April 1945 erneuern.
Als Festredner erinnert zunächst Markus Pieper an die historische Begegnung – ein Handschlag sei es gewesen. „Zwischen Soldaten aus unterschiedlichen Gesellschaftssystemen mit ebenso unterschiedlichen Rechts- und Wertvorstellungen“, ordnet der Geschäftsführer der Stiftung Sächsische Gedenkstätten ein. Der Handschlag sei dennoch ein Zeichen für Frieden und Völkerfreundschaft gewesen. „Mit dem Elbe-Day halten wir die Erinnerung daran bis heute wach und bekräftigen sie.“
In seinem Rückblick auf die Geschichte führte er aus, dass die Begegnung im Prinzip eine Art Ungehorsam gewesen sei. „Auf eigene Faust stieß die amerikanische Bill-Robertson-Patrouille an diesem Morgen bis Torgau vor – über die befohlen maximal fünf Meilen hinaus.“ Das Ziel sei das Wehrmachtsgefängnis Fort Zinna gewesen. „Sie wollten mögliche Gefangene befreien.“ Von dort aus sei zwei Tage zuvor der Gefangene Joseph Stephany in einem sogenannten Räumungsmarsch evakuiert worden. „Er überlebte.“ So freue sich Markus Pieper, drei Kinder und eine Enkelin des NS-Opfers hier begrüßen zu können.
Keine einfachen Antworten
Als zweiter Redner tritt Mathias Imbusch auf. „Das Gedenken am Elbe-Day ist anders geworden in den vergangenen Jahren – sensibler, unübersichtlicher, nicht mehr selbstverständlich“, ordnet der Superintendent des Kirchenkreises Torgau-Oschatz ein. Einfache Antworten auf die aktuellen Probleme gebe es nicht. So mahnte er zwar den Frieden an, widersprach aber Forderungen nach dem Einfrieren des Konfliktes. „Wahrer Frieden ist mehr als die Abwesenheit von Krieg“, macht er klar.