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Gewerbe Bunte Sträuße gehen in Jessen immer

Jessener „Blumeneck“ feiert 30. Geburtstag. Was Männer wünschen und welche Zeit besonders schlimm gewesen ist, verrät Chefin Bettina Schmager-Scheil.

22.04.2021, 07:14
Das Jessener ?Blumeneck? an der Rosa-Luxemburg-Straße    feiert  am  10. Mai seinen 30. Geburtstag.  Chefin  Bettina Schmager-Scheil (links) und Mitarbeiterin Annett Hübner  gehören  seit  Anfang an  zum  Team.
Das Jessener ?Blumeneck? an der Rosa-Luxemburg-Straße feiert am 10. Mai seinen 30. Geburtstag. Chefin Bettina Schmager-Scheil (links) und Mitarbeiterin Annett Hübner gehören seit Anfang an zum Team. Foto: Thomas Tominski

Jessen - „Ich habe mir in der Region einen Namen gemacht“, sagt Bettina Schmager-Scheil, die am 10.?Mai mit ihrem „Blumeneck“ 30. Geburtstag feiert. Die Chefin blickt auf drei ereignisreiche Jahrzehnte zurück. Sie erzählt von ihrer Ausbildung zur Blumenbinderin in der LPG „Hermann Matern“, der Wende und dem Baubeginn am 10. März 1991.

Die Jessenerin ist überzeugt, dass solch ein Rekordtempo aufgrund der vielen bürokratischen Hürden heute nicht mehr möglich sei. Grundstück besorgt, Architekten beauftragt - und nach zwei Monaten Bauzeit den ersten Kunden an der Ladentür begrüßt.

Sie bewundert selbst mit Abstand ihren Mut, den Sprung ins kalte Wasser gewagt zu haben. „Es war ja nur die halbe Kreditsumme des sechsstelligen Betrages“, erzählt sie. Ingrid Dehmelt, die inzwischen ihren Ruhestand genießt, ist 1991 mit ins Geschäft eingestiegen. „Ich habe mit Ingrid schon zu DDR-Zeiten im Garten- und Blumengeschäft der LPG zusammen gearbeitet. Hat super funktioniert“, so die 53-Jährige.

Vor der Wende lautete das Zauberwort Improvisation. Zum Wochenende sind die Auftragsbücher voll gewesen und die Lieferungen spärlich ausgefallen. Trotzdem haben sie zusammen versucht, aus dem Wenigen etwas Schönes zu zaubern.

Männer mögen Beratung

Nach der politischen Wende folgt das Kontrastprogramm. „Uns stand plötzlich die ganze Welt offen“, so Bettina Schmager-Scheil, die vor allem „von der feinen Keramik“ fasziniert ist. Nach der Eröffnung stellt sich ein lang anhaltender Boom ein. Die Menschen, sagt sie, sind aus allen Richtungen gekommen, hübsch gebundene Sträuße waren der Renner. Daran habe sich bis heute wenig geändert. Und: Männer möchten beraten werden. „Wir bringen erst einmal in Erfahrung, ob es sich um eine jüngere oder ältere Dame handelt.“ Die reifere Jugend bevorzugt klassische Sträuße, junge Frauen mögen es sehr farbenfroh.

Am 8. März sind die Herren nicht kleinlich. Denn es gilt folgende Regel: Frauentag ist Blumentag! In den 30 Jahren hat die Chefin insgesamt 15 Lehrlinge ausgebildet. Nach dem ersten Ansturm auf eine Stelle als Floristin sei es holpriger gelaufen, seit September 2020 arbeitet wieder eine Auszubildende im „Blumeneck“ an der Rosa-Luxemburg-Straße. Das verhaltene Interesse an diesem eigentlich sehr interessanten und abwechslungsreichen Job, kann sich Schmager-Scheil eigentlich nur wie folgt erklären: „Man macht sich die Hände schmutzig und muss Ostern oder Pfingsten arbeiten. Vor allem vor den Feiertagen häufen sich die Bestellungen.“ Andererseits bekommt eine Floristin viel Lob für ihre Arbeit, vor allem, wenn sie bei Sträußen oder Tischdekorationen den Geschmack der Kunden voll getroffen hat.

Neue Herausforderungen

Corona ist auch im „Blumeneck“ ein Thema. Im Frühjahr 2020 hat die Chefin kurzzeitig überlegt, den Laden zu schließen. Die Sperrung der Städte Schweinitz und Jessen sei „echt krass gewesen“. Allein die Übergabe der bestellten Ware ist als ultimativer Kraftakt in die Geschichte des Hauses eingegangen, Kränze zur Beerdigung zu bringen, war erst nach dem Überwinden bürokratischer Hürden möglich. „Das war eine wirklich schlimme Zeit“, sagt sie, andererseits habe es das Team zusammengeschweißt.

Nach Corona-Wellen, Lockdown plus vieler Beschränkungen für Gewerbetreibende sehnt sich die 53-Jährige nach Normalität. Sie möchte wieder Säle, Tische oder Partyräume dekorieren, auf Geburtstagen, Geburten, Taufen, Jugendweihen, Konformationen sowie Jubiläen Blumensträuße überreichen. Da die Menschen in der Region „sehr feierlustig“ sind, hofft sie, dass die Pandemie ihnen den Spaß nicht völlig verdorben hat. Ihr fehlt das Lachen der Leute, das Schulterklopfen als Anerkennung, der kurze Schwatz beim Überreichen. „Derzeit ist es schwierig“, meint sie.

Im Mai 1991 sind Dehmelt und Schmager-Scheil mit sechs Mitarbeiterinnen an den Start gegangen, Elke Krebs und Annett Hübner gehören auch nach 30 Jahren noch zum Team. Das im hinteren Teil des Gebäudes eingebaute Eiscafé ist nach knapp zwei Jahren Betrieb geschlossen worden. „Sieben Tage Arbeit in der Woche funktioniert nicht auf Dauer“, so die 53-Jährige, irgendwann ist die anfängliche Euphorie verschwunden. Die vielen Stammkunden sind geblieben. Daran hat auch Corona nichts geändert. Die Frage, ob sie diesen Weg mit allen Konsequenzen noch einmal so gehen würde, kann Bettina Schmager-Scheil nur mit einem Schulterzucken beantworten. (mz/Thomas Tominski)

Zur Eröffnung einen  Blumenstrauß.   Ingrid  Dehmelt  (2. v. r.) und Bettina Schmager-Scheil (r.)  haben früher auf der  LPG zusammen gearbeitet.
Zur Eröffnung einen Blumenstrauß. Ingrid Dehmelt (2. v. r.) und Bettina Schmager-Scheil (r.) haben früher auf der LPG zusammen gearbeitet.
Foto: Repro Tominski
Ein Bild  von den Bauarbeiten im Frühjahr  1991.
Ein Bild von den Bauarbeiten im Frühjahr 1991.
Foto: Repro Tominski
Das Fachgeschäft ist nicht zu  übersehen. Schilder am Eingang weisen auf die  geltenden  Sicherheits- und Hygienebestimmungen hin.
Das Fachgeschäft ist nicht zu übersehen. Schilder am Eingang weisen auf die geltenden Sicherheits- und Hygienebestimmungen hin.
Fotos: Thomas Tominski