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Arbeitsschutz am Bau Arbeitsschutz am Bau: Warmes Örtchen ist Pflicht

Von ILKA HILLGER und andreas richter 22.01.2015, 12:13
Das stille Örtchen auf einer Winterbaustelle muss seit 2013 beheizbar sein. Damit Bauarbeiter, die beispielsweise derzeit in Jessen aktiv sind, ihr Geschäft auch bei Minusgraden unverfroren verrichten können.
Das stille Örtchen auf einer Winterbaustelle muss seit 2013 beheizbar sein. Damit Bauarbeiter, die beispielsweise derzeit in Jessen aktiv sind, ihr Geschäft auch bei Minusgraden unverfroren verrichten können. Thomas Christel Lizenz

jessen/wittenberg - Temperaturen um den Gefrierpunkt, brummende Baumaschinen, Männer in Thermokleidung: eine Baustelle im Winter - und zwar mit beheizbarer Toilette. Bauarbeiter haben jetzt ein Recht auf ein warmes stilles Örtchen. Die Arbeitsstättenregeln (ASR) schreiben das sogar schon im zweiten Winter vor. Seit September 2013 gibt es nämlich für die ASR - A4.1 den Unterpunkt, der die Branche ein bisschen in Aufregung versetzt.

Die Nutzer

Heinz Rotte, Geschäftsführer Elster Bau GmbH in Elster, lacht. „Ja, davon habe ich gehört, auch wenn die Bestimmungen im Detail nicht so bekannt sind.“ Und können seine Mitarbeiter aufs beheizte stille Örtchen? Bislang nicht, denn bislang war es gar nicht nötig, so Rotte. „Das Thema Winterbaustelle ist bei uns nicht so sehr relevant. Zum einen müssen wir, wenn das Thermometer nach unten rutscht, ohnehin viele Außenaktivitäten einstellen. Baumaterialien lassen sich nun mal nicht bei Minusgraden vernünftig verarbeiten.“ Daher sei man den Winter über meist nur dort aktiv, wo es warm ist.

Zum anderen laufe es in der Regel so, „dass der Auftraggeber sich um alles kümmern muss, also auch vernünftige Toilettenmöglichkeiten. Im Winter greift man da oft auf bereits bestehende und warme Varianten zurück.“ Heinz Rotte ist persönlich die neue Deluxe-Winter-Klo-Variante noch nicht untergekommen. Und: „Ich glaube schon, dass die Idee gut ist, aber neue und höhere Kosten verursacht.“ Und das könne durchaus ein Problem werden.

Die Örtchen-Gänger selbst machen sich offensichtlich eh keinen großen Kopf, ob der „Donnerbalken“ warm ist oder eben nicht. Bei Nachfragen auf aktuellen regionalen Baustellen hört man einen Satz immer wieder: „Schön sind die Dinger sowieso nicht und jeder sieht zu, dass man dort rasch rauskommt.“ Etwas anders sieht es da auf Großbaustellen aus, die über einen langen Zeitraum betrieben werden. Dies ist neben anderem in Wittenberg beim Neubau des Schlosses der Fall. Dort finden sich richtige Containeranlagen, entsprechend gedämmt, mit warmem Wasser und einem - den Verhältnissen nach - gemütlichen Klo.

Der Hersteller

Wie lange jemand in dem berühmten kleinen Häusle bleibt, wie oft er drauf geht – für all das gibt es Statistiken, die Peter Fliegenschmidt aus dem Effeff kennt. Das wundert nicht, ist er doch Chef eines Unternehmens, das sich ums mobile Geschäft kümmert. Seine Coswiger Firma Global Fliegenschmidt ist eines von zwei Unternehmen, die deutschlandweit die mobilen Toiletten herstellen. In den Kabinen von Global sitzt man von Grönland – zwei stehen auf einem Golfplatz – bis nach Afghanistan, und in ganz Europa sowieso. Gut 5 000 mobile Toiletten werden jährlich hergestellt.

Fliegenschmidt und seine Männer erfüllen so ziemlich jeden Kundenwunsch - jetzt eben auch die Warmkabine. Isolierte und beheizbare Modelle sind schon lange im Sortiment, vor allem Skandinavien hat nachvollziehbaren Bedarf. Aber sie sind schwer, benötigen zum Umsetzen einen Kran und brauchen Anschlüsse. „Wir basteln momentan an einem preiswerten und praktikablen Modell für den deutschen Markt“, sagt Peter Fliegenschmidt.

Die Arbeitsstättenverordnung enthält die Bestimmungen und Anforderungen, die Unternehmen beim Einrichten und Betreiben von Arbeitsstätten beachten müssen. Die Bestimmungen gehen auf europäisch harmonisiertes Recht zurück, um Verzerrungen im Wettbewerb zu vermeiden. Die Arbeitsstättenverordnung dient der Gewährleistung von Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten am Arbeitsplatz im Betrieb.

Zu den wichtigsten Eigenschaften guter Arbeitsstätten und Arbeitsplätze zählen beispielsweise benutzerfreundlich und ergonomisch gestaltete Arbeits-, Pausen-, Bereitschafts- und Sanitärräume, gesunde Luft, angemessene Raumtemperaturen und Beleuchtung in Arbeitsräumen.

Zu den einzelnen Anforderungen aus der Arbeitsstättenverordnung wurden Arbeitsstättenregeln (ASR) veröffentlicht. Sie enthalten den Stand der Technik und konkretisieren die Verordnung. Bei Einhaltung der technischen Regeln kann der Arbeitgeber davon ausgehen, dass die entsprechenden Anforderungen der Verordnung erfüllt sind. Wählt der Arbeitgeber eine andere Lösung, muss er mindestens die gleiche Sicherheit und den gleichen Gesundheitsschutz für die Beschäftigten erreichen. Für die Kontrolle der Umsetzung sind die Gewerbeaufsichtsämter zuständig.

Die konkrete Regelung zu mobilen Toiletten findet sich in den technischen Regeln ASR A4.1 „Sanitärräume“ unter Punkt 8: „Mobile anschlussfreie Toilettenkabinen sollen in der Zeit vom 15. Oktober bis 30. April beheizbar sein“, heißt es da lapidar. (ihi)

Die Arbeitsstättenverordnung und die nachgeordneten Regeln findet man im Internet unter www.bmas.de und www.baua.de.

In diesem Jahr will er es präsentieren und produzieren, wenn es von den Toilettenvermietern angefragt wird. Die Pflicht zum Heizen kam für Fliegenschmidt nicht überraschend. Sein Verkaufsleiter Dirk Fritzsche hat sich damit sechs Jahre beschäftigt. Er war Mitglied der Arbeitsgruppe, die den Vorschlag unterbreitet hat. Vertreter der Länder, Unternehmen, Gewerkschaften und Behörden diskutierten, sie legten fest, was eine mobile Toilette ist und brachten eine DIN-Norm auf den Weg, die der Europäischen Union als Vorbild für deren Normenkatalog diente.

„Diese wurde bewusst einfach gehalten, denn wenn man das System mobile Toilette mit Regeln überfrachtet, geht am Ende gar nichts mehr“, erklärt Peter Fliegenschmidt. Die Wärme-Klausel hat ihn freilich nicht begeistert, aber man wird damit umgehen. Fraglich findet der Toilettenbauer, dass der Energieverbrauch im Regelwerk so gar keine Rolle spielt. „Der könnte die eigentliche Miete für eine Kabine finanziell schnell übersteigen“, gibt er zu bedenken. Auch juristische Fragen, die Versicherung, Haftung und Unfallgefahr betreffen, seien vorab zu klären. So kann ein kleiner Zusatz in einem Regelwerk schnell Dimensionen an Vorkehrungen auslösen, die eine ganze Branche mehr als gedacht beschäftigen können.

Der Vermieter

An jedem Toilettenhäuschen hat Peter Tappert aus Mühlanger die Telefonnummer seines Unternehmens angebracht. So liest man sie an den 80 Kabinen in Berlin, Dessau oder im Brandenburgischen. Tapperts Firma bietet Mietservice für Mobiltoiletten und Kanalreinigung an. Er kann die ganze Region mit Global-Fliegenschmidt-Produkten versorgen, in allen denkbaren Varianten. „Natürlich auch beheizbare“, sagt Peter Tappert. „Aber alles hat seinen Preis“, meint der Vermieter. Die warme Variante werde eindeutig seltener gewünscht. Es sind nicht nur die höheren Mietkosten. „Man braucht einen Stromanschluss, den es auf vielen Baustellen anfangs noch gar nicht gibt“, sagt er. Und weil Baustellen gerne von Dieben heimgesucht werden, macht sich Tappert auch Sorgen ums Inventar. Je teurer die Einrichtung, desto höher der Schaden. „Es wird doch alles abmontiert“, klagt er. Bewegungsmelder, Spiegel oder Desinfektionsflaschen sind Beispiele.

Die Behörde

„18 Grad müssen es nicht unbedingt sein“, relativiert Günter Laux das ganze Thema. Er ist Fachbereichsleiter für den Arbeitsschutz beim Landesamt für Verbraucherschutz in Dessau. 14 Mitarbeiter kontrollieren landauf und landab und haben, so Laux, ganz andere Sorgen als beheizte Toiletten. „Wir sind froh, wenn der Arbeitsschutz erfüllt ist und es anständige Unterkünfte gibt“, sagt er. Angesichts von 90 Prozent Kleinstunternehmen im Land weiß er, wie schwer es ohnehin ist, dem Regelwerk gerecht zu werden. Blasenentzündungen seien wahrlich keine häufige Krankheit bei Bauarbeitern. „Das sind Muskelskeletterkrankungen, Sturzgefahr und die Gefahr, etwas auf den Kopf zu bekommen“, sagt Laux. Natürlich werde man nun auch auf die beheizbaren Kabinen achten, aber derzeit eher auch beratend tätig sein. Was bei Günter Laux Priorität hat: „GMV – gesunder Menschenverstand“. Der hört auch am privatesten aller Orte nicht auf. Egal, wie warm er laut Regelwerk sein soll. (mz)

Das stille Örtchen auf einer Winterbaustelle muss seit 2013 beheizbar sein. Damit Bauarbeiter, die beispielsweise derzeit in Jessen aktiv sind, ihr Geschäft auch bei Minusgraden unverfroren verrichten können.
Das stille Örtchen auf einer Winterbaustelle muss seit 2013 beheizbar sein. Damit Bauarbeiter, die beispielsweise derzeit in Jessen aktiv sind, ihr Geschäft auch bei Minusgraden unverfroren verrichten können.
Thomas Christel Lizenz