1. MZ.de
  2. >
  3. Lokal
  4. >
  5. Nachrichten Jessen
  6. >
  7. 10. März: Störfabrik: 10. März: Störfabrik: Kaviar aus Jessen für Scheiche

10. März: Störfabrik 10. März: Störfabrik: Kaviar aus Jessen für Scheiche

15.12.2011, 18:11
Fischwirt-Azubi Mark Saalmann zeigt einen Stör, der bald in einem Beckenim Emirat Abu Dhabi schwimmen wird. (FOTO: THOMAS CHRISTEL)
Fischwirt-Azubi Mark Saalmann zeigt einen Stör, der bald in einem Beckenim Emirat Abu Dhabi schwimmen wird. (FOTO: THOMAS CHRISTEL) CARDO

Jessen/MZ. - Für viele Menschen ister der ultimative Gourmet-Luxus, den sichOtto Normalverbraucher kaum leisten kann:Kaviar. In Jessen (Kreis Wittenberg) wirdder Stör-Rogen produziert. Dort unterhältdie Aqua Orbis AG eine der bundesweit dreiAnlagen für die Aufzucht des sibirischen Edelfischesund die Gewinnung des Feinschmecker-Produkts.Doch nicht der Kaviar an sich sorgt dieserTage für Aufsehen. Es sind die Fische selbst,die auf eine große Reise gehen.

Insgesamt gut 130000 Störe, die in Jessenherangewachsen sind, werden in den nächstenMonaten in übermannshohen Spezialcontainernnach Abu Dhabi gebracht, wo sie nahe der Hauptstadtdes gleichnamigen Emirats eine neue Fischfarmbevölkern sollen. Damit die bis zu zehn Kilogrammschweren Tiere auf der dreiwöchigen Reisean den Persischen Golf, die per Lkw und Schiffbewältigt wird, keinen Schaden nehmen, wirddas Wasser in den Behältern konstant bei dreiGrad Celsius gehalten. Am Donnerstag wurde die ersteFuhre aus der Stadt im Osten Sachsen-Anhaltsauf den Weg gebracht.

Weltweit größte Anlage

Der enorme Aufwand erklärt sich leicht.Während die Tiere in Jessen fast zur Geschlechtsreifeheranwuchsen, wurde in Abu Dhabi noch gebaut.Dort entstand die "weltweit größte geschlosseneKreislaufanlage für Störe", wie ChristophHartung, Aufsichtsratschef der United FoodTechnologies AG, beteuert. Das in Baden-Württembergansässige Unternehmen, das auch in Jesseneine Außenstelle unterhält, hat schon dievor zweieinhalb Jahren an der Schwarzen Elsterin Betrieb gegangene Anlage gebaut. Per Internetwurden daraufhin die Investoren der Bin SalemHolding in Abu Dhabi auf das Technologie-Unternehmenneugierig. Sie sehen, wie Hartung berichtet,am Golf einen s>hervorragenden Markt fürdieses Luxus-Produkt. Und sie verbinden dieswohl auch mit dem Stolz, den Kaviar in dereigenen Region produziert zu haben. Werdenin Mitteleuropa für den in Jessen produziertenschwarzen Kaviar s>schon Preise zwischen1400 und 1500 Euro pro Kilogramm gezahlt,so rechne man sich am Golf durchaus weit höherenEinnahmen aus. Die in europäischen Feinkostlädengebräuchliche Größe ist die 50-Gramm-Dose,erläutert Hartung. Doch auch für die stehenPreise zwischen 70 und 80 Euro auf dem Kassenzettel.

Vier bis fünf Jahre brauchen die Störe, umKaviar ausbilden zu können. Um diese Zeitnicht zu verschenken, erhielt die United FoodTechnologies AG aus den Emiraten neben demBauauftrag auch jenen, frühzeitig Fische heranzuziehen.So könne die Anlage in dem Wüstenstaat binneneines halben Jahres den ersten Kaviar ernten.

Natürliche Bestände dezimiert

Die aufwändige Aufzucht von Stören insogenannten Aqua-Kulturen ist vor allem deshalbinteressant geworden, weil die natürlichenBestände etwa im Kaspischen Meer durch Überfischungund Umweltverschmutzung in den vergangenenJahrzehnten stark dezimiert wurden. Jessen,das in einer strukturschwachen Gegend liegt,bot sich damals für die Investoren nicht nurwegen der großzügigen öffentlichen Förderungdes 7,5-Millionen-Euro-Projektes und einesgerade erschlossenen Gewerbegebietes mit ausreichendFläche an. Auch das in Mineralwasser-Qualitätvorhandene Brunnenwasser, das aus 70 MeterTiefe gefördert wird, bietet den anspruchsvollenTieren ideale Bedingungen.

Der Auftrag aus Abu Dhabi habe zwar, wie Aqua-Orbis-VorstandschefPeter Gründken einräumt, die Kapazität derJessener Kaviar-Produktion etwas geschmälert.Doch die Auftraggeber hätten gut bezahlt dafür.

Dass der Transport nicht auf dem schnellerenLuftweg erfolgt, begründet Hartung mit denenormen Kosten. Schließlich gehe es um insgesamt140 Tonnen lebenden Fisch - zuzüglich Behälterund Wasser. Und auch Umwelt-Argumente sprächendagegen. Beim Lufttransport würde der Kohlendioxid-Ausstoßpro Kilogramm Fisch 3,5 Kilogramm betragen,auf Straße und Wasser sei es lediglich einZehntel davon.