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Straßengeschichten Straßengeschichten: 200-jährige Gaststätte «Wilde Rose» in Saurasen

Von katharina thormann 14.08.2012, 17:55

Saurasen/MZ. - Kaum zehn Sekunden. So lange dauert eine Autofahrt quer durch Saurasen, vorbei an den 14 Häuschen. Und was einem in der einzigen Straße im Dorf, die in Richtung Harz führt, ins Auge springt, ist eine Lore. Einsam und verlassen steht sie am Wegesrand. "Ein Kumpel aus Hettstedt, der sich im Mansfeld-Museum engagiert hat, hat mich vor vielen Jahren gefragt, ob er sie vor unserem Haus aufstellen kann", erzählt Alfred Adolf, der mit seiner Partnerin Heidelore Weidling seit mehr als 20 Jahren die "Wilde Rose" betreibt. Quasi der einzige Ort, in dem noch was los ist. Konsum, Friseur, Bäcker? Fehlanzeige!

Stattdessen werden die neuesten Nachrichten zwischen Schnitzel und Wildbraten ausgetauscht, den Koch Alfred Adolf selbst zubereitet. Seit Jahrzehnten. "Ich war ab 1967 sogar sieben Jahre lang Schiffskoch bei der Handelsmarine", erzählt der Saurasener. Viel hat er damals von der großen weiten Welt gesehen, sogar Ostasien.

Auch der Liebe wegen folgte dann ein echtes Kontrastprogramm zum Kulturschock. Aber das Leben in Saurasen ist für den 69-Jährigen noch nie ein Problem gewesen. "Ich liebe die Natur, bin auch in einer landwirtschaftlichen Gegend in Schlesien aufgewachsen", erzählt er. Und wenn am 1. Juli 2014 die "Wilde Rose" nach 200 Jahren im Familienbesitz für immer schließt, wollen die beiden noch mehr als jetzt die umliegende Natur genießen. "Ich bin dann 65 Jahre alt, da kann man aufhören", sagt Heidelore Weidling. Auch ihr Partner hat dann genug: "Ich stehe seit 1960 am Kochtopf", sagt er. Nur eins ist schade: dass keines von den drei Kindern Weidlings die Gaststätte übernehmen will, wenn sich die beiden umringt von Wiesen und Wäldern zur Ruhe setzen.

Die Natur genießen? An einer Hauptstraße? Nachbarin Karin Grimke winkt ab. "Wir haben nur den Stall an der Straße liegen. Das Haus steht dahinter", erzählt die ehemalige Volkstedterin, die erst seit vier Jahren in Saurasen wohnt. Die Abgeschiedenheit hat sie und ihren Mann hierher gelockt und das Haus, das die Kinder nicht haben wollten. "Die Ruhe ist nichts für junge Menschen", weiß Grimke. Sie hingegen hat sich gut eingerichtet, vor allem mit den vielen Tieren, die hier genug Platz haben. Katze, Hund, Hühner, Kaninchen. Ihr größter Schatz allerdings ist Rudi. "Das Schaf habe ich selbst mit der Flasche aufgezogen." Und deshalb soll er auch vorerst nicht im Kochtopf landen. Zu lieb hat ihn Grimke gewonnen. Auf das Tier sind aber auch noch andere im Ort gekommen. "Wir haben hier sogar eine Geflügelfarm", sagt Alfred Adolf. Und seit wenigen Jahren sogar einen Wertholzplatz, zu dem Menschen aus ganz Deutschland anreisen. "Dort wird das ganze Holz aus der Umgebung hingebracht", sagt der Saurasener. Doch lange lagern Eichen-, Buchen- und Lindenstämme dort nicht. "Sie werden international über das Internet angeboten", sagt Alfred Adolf. Manchmal geht er auch dorthin in den Wald, um Pilze zu sammeln oder auf dem Wanderweg in Richtung Einetal zu spazieren. Wenn er seine Kochmütze endgültig auf dem Dachboden verstaut, sollen die Ausflüge in die Natur sogar noch weiter gehen. Vielleicht nach Polen. Nur wegziehen wollen er und seine Partnerin nicht aus ihrem Naturidyll in Saurasen. "Solange wie es geht, bleiben wir hier", sagt Heidelore Weidling. Schließlich gibt es trotz der Abgeschiedenheit immer etwas Neues im Dorf. Zum Beispiel auch seit kurzem Nachwuchs. Etwas mehr als ein Jahr ist der jüngste Saurasener mittlerweile alt, die älteste ist 88. "Leider sind viele Einwohner schon sehr alt, deshalb kommen sie so gut wie nicht mehr zu uns. Aber dafür sind wir in ganz Deutschland mit der Gaststätte bekannt", sagt Alfred Adolf. Dank des Durchgangsverkehrs, der in Richtung Harz fährt und hin und wieder mit dem Blick an der Lore vor der Tür hängen bleibt.

Nächste Woche schauen wir uns in Wormsleben um.