Hettstedt Hettstedt: Ethikkomitee bietet Rat in schweren Stunden an

hettstedt/MZ - Andrea Kühne ist Oberärztin für Anästhesie, Intensivmedizin und Schmerztherapie bei der Helios-Klinik Hettstedt. Sie und ihre Kollegen haben oft mit Problemen zu tun, die über den rein medizinischen Aspekt hinausgehen. Wenn zum Beispiel ein schwer kranker Mensch eine bestimmte Behandlung nicht haben wollte, ist es für ihn beziehungsweise die Angehörigen schwierig, in so einer Situation eine Entscheidung zu treffen. Nun soll dabei ein Ethikkomitee helfen, das an der Klinik gegründet wurde. Andrea Kühne ist dessen Vorsitzende.
„Wir haben uns schon länger mit dem Gedanken beschäftigt, so ein Komitee zu gründen“, erläutert der ärztliche Direktor Frank Schöning die Hintergründe. „Wir haben mit immer älteren Menschen zu tun, die oft an mehreren Erkrankungen zugleich leiden. Viele machen sich Gedanken darüber, was passiert, wenn sie nicht mehr in der Lage sind, über ihre Behandlung selbst zu entscheiden.“ Eine Patientenverfügung helfe da nicht immer, da der Betreuer nicht immer genau wisse, was der Patient wolle.
Andrea Kühne hat ein Beispiel parat. Ein 85-Jähriger wollte nicht mehr behandelt werden, wenn er so schwer erkrankt, dass er seine Angehörigen nicht mehr erkennt und nicht mehr weiß, wo er sich befindet. Irgendwann kommt der Mann in ein Pflegeheim, ihm geht es trotz der fortschreitender Demenz gut, er scheint glücklich zu sein. Dann bekommt er eine schwere Lungenentzündung, die Lage ist hoffnungslos. Laut seiner Patientenverfügung entscheiden sein Sohn und seine Tochter, ob Lebensverlängerungsmaßnahmen weiter angewendet werden oder nicht. Der Sohn sagt Nein. Die Tochter widerspricht, da ihr Vater sich doch so glücklich fühlte und bestimmt nicht sterben wolle.
In so einem Fall kann das Ethikkomitee beratend helfen. Ihm gehören insgesamt zwölf Mitglieder an, unter ihnen nicht nur Mediziner, sondern auch Seelsorger und Rechtsexperten. „Wir entscheiden nicht, wir geben Empfehlungen“, beschreibt Thomas Schweiger, Chefarzt Psychiatrie/Psychotherapie und ebenfalls Mitglied des Komitees. „Dabei betrachten wir den jeweiligen Kranken nicht nur als Patienten, sondern in seiner Ganzheit als Person.“ Es handele sich eben um ein ethisches Problem.
„Es ist nicht so, dass wir nur dann aktiv werden, wenn es um Leben oder Tod geht“, umreißt Andrea Kühne das Aufgabenbereich. „Wenn eine werdende Mutter ohne Not eine Entbindung durch Kaiserschnitt will, werden wir versuchen, sie umzustimmen.“
Das Komitee steht auch Mitarbeitern der Klinik zur Seite, falls sie dies wünschen. „Zwischen dem Arzt und seinem Patienten entwickelt sich im Laufe der Zeit eine Partnerschaft“, weiß Thomas Schweiger. In schwierigen Situationen könnte der Arzt deshalb bei einer Entscheidung „ein Brett vor dem Kopf“ haben und einen Rat brauchen.
