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Fast eine weibliche Tamme Hanken Fast eine weibliche Tamme Hanken: Die Pferdeflüsterin aus Walbeck

Von Anja Förtsch 22.04.2017, 17:00
Sie spricht die Sprache der Pferde: Andrea Blath betreibt in Walbeck die Tierheilpraxis Blath.
Sie spricht die Sprache der Pferde: Andrea Blath betreibt in Walbeck die Tierheilpraxis Blath. Jürgen Lukaschek

Walbeck - In Kreisen sprintet der weiß-braune Hengst über die Koppel. Immer wieder fliegt Stroh vom Boden in die Luft, immer wieder wird das Tier schneller, energischer, jeder Muskel in dem großen, kraftvollen Körper angespannt. Mit jeder Runde scheint es, als wolle er nie wieder anhalten. Dann hebt Andrea Blath in der Mitte der Koppel ohne ein Wort zu sagen die Hand. Und der Hengst bleibt sofort stehen.

Andrea Blath lässt bei Pferden nur manchmal Knochen knacken

Blath ist so etwas wie eine Pferdeflüsterin. „Die weibliche Tamme Hanken, ich weiß gar nicht, wie oft ich das schon gehört habe“, sagt die 39-Jährige mit einem Lachen. Das gehe zwar ungefähr in die richtige Richtung, Physiotherapie bei Pferden - aber eben nur ungefähr. Denn Blath geht doch anders mit Pferden um: „Sanfter. Ich lasse zwar auch mal Knochen knacken. Aber nur wenn es wirklich sein muss.“

Tamme Hanken, der durch seine Fernsehauftritte unter dem Titel „Der XXL-Ostfriese“ bekannt wurde, war ein Tierheilpraktiker aus Ostfriesland. Er arbeitete nach den Methoden eines traditionellen ostfriesischen Knochenbrechers. So werden alternative Heilkundler bezeichnet.

Ein sogenannter Knochenbrecher renkt etwa Gliedmaßen ein oder rückt Wirbel zurecht, Methoden, die der Physiotherapie ähneln. Hanken war als Knochenbrecher auf Pferde spezialisiert und auch aufgrund seiner bis dahin eher unbekannten Behandlungsarten bekanntgeworden.

Unter Tiermedizinern sind die Methoden, die Tamme Hanken angewandt hat, allerdings nicht unumstritten, auch weil Langzeitergebnisse seiner Arbeit nicht dokumentiert wurden. (mz)

Die zierliche Frau betreibt schon seit Jahren ihre mobile Tierpflege. Seit September ist sie mit ihrer Praxis auf dem Schloss sesshaft geworden. „Der Besitzer findet es ganz toll, dass hier mal etwas anderes entsteht.“

Und etwas anderes ist die Praxis von Blath wirklich. Von der Decke im Stall hängt ein dachförmiges Gebilde mit Rotlichtlampen. „Ein Pferdesolarium“, erklärt sie. „Das ist gut, um Verspannungen zu lösen, für den Stoffwechsel und bei Lungenproblemen. Ich will auch noch eine Pferdesauna anschaffen, mit der ich Allergien und Bronchitis behandeln kann.“ Pillen, Tropfen und Cremes aus der Schulmedizin sucht man bei ihr vergeblich. Stattdessen behandelt sie mit alternativen Mitteln: Bei Blath kommen etwa Bachblüten, Blutegel oder Magnetfelddecken zum Einsatz.

Von allen Tieren, die sie behandelt, liegen ihr Pferde am meisten am Herzen. Die gebürtige Düsseldorferin, die seit 17 Jahren hier im Mansfelder Land lebt, ist eine sogenannte Horsewoman, eine besondere Art der Pferdetrainerin. „Horsemanship ist die natürliche Art mit Pferden umzugehen. Kurz gesagt: Der Mensch stellt dem Pferd eine Frage und bekommt eine Antwort. Stellt er die falsche Frage, bekommt er die falsche Antwort. Die Kommunikation ist der Dreh- und Angelpunkt von allem“, erklärt die Frau überzeugend.

Andrea Blath kommuniziert mit Handzeichen und Berührungen mit Pferden

Dabei kommt es nicht einmal auf die Sprache an. „Ich kommuniziere mit den Pferden, indem ich auf eine bestimmte Weise und in einem bestimmten Winkel vor ihnen stehe und meine Hände einsetze“, sagt Blath. Das Horsemanship lebt von Handzeichen und Berührungen, nicht von Zügeln und Kommandos. „Es ist trotzdem harte Arbeit. Ich gehe sanft und respektvoll mit den Tieren um. Das heißt aber nicht, dass ich sie verhätschele.“

Konzentriert führt Blath den aufgeregten Hengst von der Koppel zurück in den Stall. Das Tier überragt die Frau um gut drei Köpfe, sie weiß, dass ein einziger gezielter Tritt von ihm tödlich sein kann. Anmerken lässt sie sich das nicht. Blaths Blick ruht auf dem Pferd, ihre Hände drücken langsam und sanft gegen seinen beeindruckenden Körper. Der Hengst beruhigt sich. Die Pferdeflüsterin hat ihm die richtigen Signale gesendet. In seiner Sprache. (mz)