970-jähriges Bestehen 970-jähriges Bestehen: Historie der Stadt Hettstedt wird auf Bühne gebracht

Hettstedt - Stille. Mit gekrümmtem Rücken, eine grüne Kiste in ihrer Hand haltend, betritt Annette Böttcher sichtlich angestrengt die Bühne in der Aula des Hettstedter Humboldt-Gymnasiums. Dort wartet bereits Beate Liebig, vor der ein Papierkorb steht. Oben angekommen, stellt Böttcher die Kiste zu ihren Füßen ab. Die Hand streicht über die Stirn, so als rinnen von der gerade getanen Trageanstrengung Schweißströme über ihr Gesicht.
Blick hinter die Kulissen
Worum es geht, kann der Betrachter mit Blick auf Mimik und Gestik vielleicht schon erahnen. Auf dem Podest wird gerade ein mittelalterliches Markttreiben nachgeahmt. Was sich in der Aula darbietet, ist ein Blick hinter die Kulissen der Stadterprober. Zum 970. Geburtstag Hettstedts haben es sich der führende Kopf, Theaterpädagogin Katrin Schinköth-Haase, und derzeit weitere 25 Laiendarsteller zur Aufgabe gemacht, die Stadtgeschichte zum Stadtgeburtstag episodenweise nachzuspielen.
Premiere am 12. August
Ziel ist eine schauspielerische Zeitcollage, die von 919 bis in die Gegenwart reichen soll. Drei Bilder wird es geben. Das erste steht. Das zweite, dessen sieben bis acht Szenen im Jahr 1199 spielen, werden durch Schinköth-Haases Anleitungen in den Proben verfeinert. Das dritte Bild wird die hallische Theaterpädagogin in den nächsten Wochen entwerfen. Mit Unterstützung der Akteure selbst. Premiere des gesamten Stückes wird der 12. August sein. Bis dahin ist nicht mehr viel Zeit. Das wissen alle Beteiligten. Sie sehen den Zeitrahmen als eine der größten Herausforderungen. Deshalb fänden in den Sommerferien bis zu dreimal wöchentliche Proben statt. Block und Stift sind zu diesen Terminen die wichtigsten Utensilien, derer sich die Hallenserin bedient. Darauf notiert sie Gesten, die in die Szenen eingeschoben werden. Am Rand vermerkt sie die entsprechenden Requisiten.
Selbstredend werden zur Premiere Körbe, vielleicht Kiepen die Papierkörbe als Handelsbehältnis ablösen. Festgehalten werden auch die jeweiligen Waren. Böttcher möchte Töpferwaren anpreisen. Elke Prinz will zur Premiere gefärbte Wolle vorzeigen. Und am besten präsentieren sich die Händler auf einem Melkschemel. „Das ist bestimmt auch gut für die Optik“, so Thomas Schlegel, der an dem Projekt mitwirkt.
Teufel liegt im Detail
So originalgetreu wie möglich sollen die Szenen nachgestellt werden. Wie beinahe überall liegt der Fehlerteufel dabei im Detail: Womit wurde 1199 gezahlt? Dukaten oder Pfennig? Was wurde auf einem Markt angeboten? „Kartoffeln und Tomaten wurden auf einem mittelalterlichen Markt jedenfalls nicht gehandelt“, schmettert sie einige Vorschläge ab. Welchen Inhalts waren die Gespräche unter den Marktweibern? Ja, klar: Klatsch und Tratsch. Das beherzigen auch die Frauen auf der Bühne. Nur die Stimmen dürfen nicht so zaghaft erklingen, ruft Schinköth-Haase zu mehr Mut auf. Die Autorin achtet penibel darauf, dass alle Handlungen für den Zuschauer nachvollziehbar sind. „Wenn du zuerst zum Markt kommst, dann wegen des besten Platzes - und der ist in der Mitte“, gibt sie eine korrigierende Anleitung an Beate Liebig. Händlerin Elke wartet auf eine besondere Marktteilnehmerin: Die Köhlerstochter (gespielt von Alina). Wirkungsvolle Heilsalbe soll sie verkaufen. Auf den Kontakt zur Köhlerfamilie sind nicht alle erpicht. „Früher dachten die Leute, sie hätten einen Bund mit dem Teufel“, erklärt Schinköth-Haase den Hintergrund.
Ersatz muss her
Eine Szene weiter sitzen drei Generationen von Köhlerfrauen auf Baumstümpfen, als sich ihnen zwei Unbekannte nähern. Es sind Nappian und Neucke, zwei Brüder, die der Sage nach 1199 das erste Kupferschiefer in Hettstedt gefunden haben sollen. „Unser Neucke-Spieler verlässt vor der Premiere leider das Team“, bedauert die Pädagogin. Ein anderer Mann muss her. Optimalerweise ein junger Mann. An diesem Punkt wird der Männermangel problematisch. „Wir brauchen unbedingt noch Mitspieler; vor allem Männer“, betont die Regieführende. Jeder könne mitmachen. Sechs weitere Akteure wären optimal. Lediglich spielfreudig sollte derjenige sein. (mz)
