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24-Stunden-Kita in Hettstedt 24-Stunden-Kita in Hettstedt: Das Konzept des Zwergenstübchens sorgt für Diskussionen

Von Anke Losack und Fabian Wagener 20.10.2016, 11:21
Nachts im Kindergarten? Für Alleinerziehende oder Eltern im Schichtdienst eine tolle Alternative zur fehlenden Oma in der Nähe - für manche aber auch ein Unding.
Nachts im Kindergarten? Für Alleinerziehende oder Eltern im Schichtdienst eine tolle Alternative zur fehlenden Oma in der Nähe - für manche aber auch ein Unding. Maik Schumann

Hettstedt - „Ich wüsste nicht, wie ich es ohne den Kindergarten schaffen sollte“, sagt Sarah Hoch aus Hettstedt. Die 19-Jährige ist alleinerziehend, hat eine drei Jahre alte Tochter, und macht derzeit eine Ausbildung im Lebensmitteleinzelhandel. Jeden zweiten Samstag muss sie arbeiten. Doch wer passt da auf die kleine Sophie auf? Kontakt zu ihren Eltern hat sie nicht. Der Vater von Sophie ist gestorben, Kontakt zu dessen Eltern gibt es auch nicht. „Ich habe niemanden zur Betreuung“, erklärt Sarah Hoch, die ihre Tochter jeden zweiten Samstag zur Betreuung in die Kita „Zwergenstübchen“ in Hettstedt bringt.

Zwei Elternpaare nutzen das Angebot der 24-Stunden-Kita in Hettstedt bereits

Neben Hoch gibt es derzeit noch ein Elternpaar, das das Angebot der Einrichtung in der Kupferstadt, Kinder bei Bedarf zu außergewöhnlichen Zeiten betreuen zu lassen, nutzt. Seit August dieses Jahres ist das „Zwergenstübchen“ eine 24-Stunden-Kita. Die Öffnungszeiten wurden auf sieben Tage pro Woche mit täglich 24 Stunden Betreuungszeit erweitert - bei entsprechender Nachfrage. Das soll berufstätigen Eltern die Möglichkeit geben, ihre Kinder in den Abendstunden, in der Nacht oder an den Wochenenden in die Kita zu geben. Die Hettstedter Kita ist die erste im Landkreis Mansfeld-Südharz, die Eltern dieses Angebot bereitstellt.

Ein echte Alternative also für berufstätige Eltern? Oder doch eher eine Zumutung für die Kinder? Über diese Fragen ist insbesondere in den sozialen Medien in den vergangenen Tagen heftig diskutiert worden. Allein auf der Facebook-Seite der MZ wurde der erste Artikel über das neue Angebot in der Hettstedter Kita mehr als 500 Mal kommentiert. Und dabei gehen die Meinungen deutlich auseinander: Sie reichen von fast euphorischer Zustimmung bis zu klarer Ablehnung.

So schreibt die 26-jährige Hettstedterin Anna Eggert, selbst Mutter einer acht Jahre alten Tochter : „Für mich persönlich kommt dieses Angebot zwar zu spät. Aber ich freue mich für alle, die darauf angewiesen sind. Ich finde die Idee super!“ Auf Nachfrage der MZ antwortet sie, dass sie lange alleinerziehend war, auch zur Zeit ihrer Ausbildung. Ihre Arbeitszeiten seien damals „nicht ideal“ gewesen für eine Mutter mit Kind.

Viele Facebook-Nutzer üben Kritik an dem Konzept der 24-Stunden-Kita in Hettstedt

Viele sehen das ganz ähnlich wie Eggert und loben das Angebot im „Zwergenstübchen“. So zum Beispiel Jana Krauße. Sie findet: „Für Schichtarbeiter und Alleinerziehende im Schichtdienst ist das eine super Sache.“ Und ein anderer Nutzer schreibt: „Endlich. Eine richtige Hilfe für berufstätige Eltern und alleinerziehende Mütter. Längst überfällig. Danke. Danke.“

Doch nicht alle sind derart angetan von der Idee. So kommentiert Mareike Hoffmann, selbst berufstätig und Mutter von drei Kindern: „An sich finde ich es gut, andererseits auch traurig.“ Ein richtiges Familienleben gebe es nicht mehr. „Idealerweise sollte ein Kind abends in seinem eigenen Bettchen schlafen.“ Andere Facebook-Nutzer gehen in ihrer Kritik noch deutlich weiter. So heißt es in einem Kommentar: „Mir fällt dazu nichts mehr ein. Denken viele mal daran, wie die Kinder sich fühlen, wenn sie um späte Uhrzeiten abgegeben werden? Arme Kinder!“.

Falsches Bild von der 24-Stunden-Betreuung im Hettstedter Zwergenstübchen

Kita-Leiterin Mandy Hensel hat von der Diskussion um ihr „Zwergenstübchen“ gar nicht so viel mitbekommen. „Ich bin nicht bei Facebook“, sagt die Mansfelderin. Sie kenne aber die Einwände gegen eine 24-Stunden-Betreuung.

Manche hätten allerdings ein falsches Bild von einem solchen Konzept. Sie würden denken, dass es Eltern damit möglich sei, Kinder einfach 24 Stunden wegzugeben, um dann die Freizeit zu genießen. „Das ist aber nicht so. Die Eltern müssen Nachweise bringen, dass sie auch wirklich in der Nachtschicht arbeiten. Sie können nicht einfach ins Kino gehen.“ Und die Kinder selbst blieben insgesamt auch nicht mehr Stunden als andere in der Einrichtung. „Sie haben keinen anderen Stundenschlüssel als die Kinder, die tagsüber da sind“, sagt Mandy Hensel.

Für Sarah Hoch aus Hettstedt ist die ganze Aufregung über das Kita-Konzept in Hettstedt ohnehin nebensächlich. Sie hat sich längst entschieden. Und sie ist glücklich, dass ihre kleine Sophie auch am Wochenende im Zwergenstübchen betreut wird. „Ich schiebe mein Kind nicht ab“, sagt sie. „Ich mache das, damit ich meinem Kind was bieten kann.“ (mz)

Mandy Hensel leitet die 24-Stunden-Kita in Hettstedt.
Mandy Hensel leitet die 24-Stunden-Kita in Hettstedt.
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