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Zehnkampf Zehnkampf: Gewichtiger Trostpreis für Norman Müller

Von Christoph Karpe 25.06.2012, 20:37

Halle (Saale)/MZ. - Die Ersatztrikots liegen auf der Holzbank sorgsam übereinander auf Kante. "Das ist so eine Wettkampf-Marotte von mir", sagt Norman Müller grinsend. Jetzt ist zwar gerade nur Training, aber diese spezielle Ordnung muss sein. Das Detail zeigt: Der Mann ist fokussiert. Außerdem simuliert er gerade einen Wettkampf.

Sprintstarts sind dran. Zunächst nur als Gewöhnungs-Test. Jörg Graf, der als Athletik-Coach die Übungen des halleschen Zehnkämpfers detailgenau beobachtet, hat sich hinter Müller aufgebaut und gibt die Vorstart-Ansage auf Englisch, genauso, wie sie am Mittwoch in Helsinki erfolgen wird. Zum "Go" klatscht er kräftig in die Hände und imitiert so den Startschuss. Norman Müller schnellt aus dem Block. Der erste Versuch bekommt ein Abwinken, der zweite ist explosiver, Daumen hoch. Dann geht es durch die zwei Lichtschranken, die 30 Meter mitten in der Sprintstrecke eingrenzen. Bei 2,937 Sekunden laufen sich die Digital-Zahlen fest. Ein kleines "Wow" rutscht dem Athleten durch die Zähne. So schnell war er bei dieser Übung niemals zuvor. Ein prima Zeichen: Die Form stimmt, die EM in Finnlands Hauptstadt kann beginnen.

Endlich ein 8000er-Wettkampf

Längst hat sich Norman Müller mit diesem "Trostpreis" arrangiert. Natürlich wäre er viel lieber in London anstatt in Helsinki gestartet. Doch die Norm für die Olympischen Spiele von 8 300 Zählern hat er beim Wettkampf im Mai in Götzis verpasst. "Schade, ich wäre gern dabei gewesen", sagt er leise. Es hat nicht sollen sein. Allerdings waren seine 8 034 Zähler dennoch ein persönlicher Triumph.

"Wichtig war die Acht vorn - vor allem für den Kopf. Sie hat mir gezeigt, dass ich es noch kann - und auch den anderen, die zu mir gestanden haben", sagt Norman Müller rückblickend. Schließlich hatte der 26-Jährige zuvor ein Jahr lang keinen Wettkampf bestreiten können. Ein Lungenflügel war im Juni 2011 zusammengefallen, zum zweiten Mal nach 2008. "Die Sache mit dem Pneumothorax war eine Episode aus der Jugend." Er mag nicht mehr daran denken oder darüber sprechen. Vorbei, verdrängt. Die latente Rückfall-Sorge hat Götzis auch genommen. Also redet er lieber über das Bevorstehende, seinen Jahreshöhepunkt, diese EM.

"In Götzis habe ich im Hürdenlauf gepatzt. Auch Speerwurf und Diskus waren nicht gut. Ich habe etwa 200 Punkte liegengelassen", sagt Norman Müller. Die möchte er nun draufpacken. Wozu reicht das eventuell? "Theoretisch zu einer Medaille, viele der Besten verzichten ja, weil sie sich auf London vorbereiten", sagt Trainer Graf.

Die Konkurrenten: Pascal Behrenbruch, der in Götzis 8 433 Punkte erreicht hat und auf Gold spekuliert. Deshalb schont er sich nicht für die Sommerspiele, wie es beispielsweise der ebenfalls qualifizierte Hallenser Rico Freimuth tut. Auch der Serbe Mihail Dudas, der Sechste der letztjährigen WM, und der Ukrainer Oleksiy Kasaynow, Vierter der WM 2009, sind Kandidaten auf Edelmetall. "Dahinter ist alles offen", sagt Norman Müller, der nicht auf das Dahinter, sondern heimlich auf ein Mittendrin in diesem Trio spekuliert. Und weil er sich akribisch vorbereitet hat, weiß er auch, dass das Wetter auf seiner Seite mitspielen wird: "Es soll nieseln, und die Temperaturen dürften bei 15 Grad liegen. Ideal für mich." Er ist bekennender "Hitzehasser".

Keine Gedanken an Olympia 2016

Norman Müller wirkt locker. "Von mir erwartet doch niemand etwas", sagt er. Was er sofort einschränkt: "Okay, meine Frau." Und natürlich er selbst. Das ist zu spüren, wenn der Polizeimeister der Bundespolizei martialisch sagt: "Wenn der Wettkampf dann läuft, ist es ein Krieg gegen alle." Der mit einem persönlichen Sieg in der nächsten Schlacht gegen die Geister der Vergangenheit enden soll.

Und geht das Comeback weiter voran, gibt es vielleicht in vier Jahren noch einmal eine Olympia-Chance. "Soweit denke ich nicht. Denn da bin ich doch schon ein altes Eisen. Also eher nicht", sagt Norman Müller. Doch den Eindruck, dass er vielleicht doch davon träumt, kann er trotzdem nicht verwischen. Und Helsinki könnte diesen Traum beflügeln.