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Zachow Stadtteilserie 6 Zachow Stadtteilserie 6: Gesundbrunnen-Viertel

Von ANDREAS LÖFFLER 29.08.2012, 12:11
Gesundbrunnen-Viertel: Der gleichnamige Stadtteil wird durch Sportstätten und grüne Idylle geprägt.
Gesundbrunnen-Viertel: Der gleichnamige Stadtteil wird durch Sportstätten und grüne Idylle geprägt. Andreas Löffler Lizenz

Halle (Saale)/MZ. - Der Kiez wird wie kein anderer in Halle durch Sportstätten geprägt. Allen voran der „Erdgas Sportpark“ (ehemals Kurt-Wabbel-Stadion) sowie der Sportkomplex Robert-Koch-Straße, der neben Leichtathletik- Arena, Schwimm-, Turn- und Ballsporthalle auch die Sportschule und das „Hauptquartier” des Olympiastützpunkts beherbergt.

Nur Kühe und das Pferdefuhrwerk fehlen

Gesundbrunnen ist aber zweifellos auch einer der grünsten und lauschigsten Stadtteile Halles. Dafür sorgt der Pestalozzipark, welcher sich, beiderseits flankiert von Laubenpieper- Kolonien, wie ein langes grünes Band vom Gesundbrunnen südwärts bis zur Diesterwegstraße zieht. „Vorne raus Stadtanbindung, hinten raus Dorfleben – nur ohne Kühe”, bringt es Claudia Dittmann, die wir an einem Haus in der Benkendorfer Straße treffen, auf den Punkt.

Zum Stichwort lauschig passt auch dies: „Noch bis in die 80er Jahre hinein gab es am Amselweg Gas-Laternen, die Tag für Tag von einem Nachtwächter in Betrieb gesetzt wurden”, erinnert sich Eberhard Probst. Der zweifache Olympiateilnehmer im Ringen hat kürzlich eine Broschüre zur Geschichte des Stadtteils erstellt. Seinen Namen Gesundbrunnen hat das Viertel von der gleichnamigen, mineralien- und eisenreichen Quelle, die bereits im Mittelalter urkundlich erwähnt wurde. Als das darüber errichtete achteckige Brunnenhäuschen zunehmend verfiel und im Zuge des Stadion-Neubaus abgerissen werden sollte, schlossen sich 2008 Mitglieder der Gesundbrunnen-Kirchengemeinde und weitere Anwohner zu einem Bürgerverein zusammen, um das Kleinod zu retten. Inzwischen erstrahlt die Außenfassade wieder im ursprünglichen Glanz. „Im Inneren des Baus wollen wir noch ein Leuchtmittelkonzept mit bläulich nach draußen schimmerndem Licht realisieren und das Areal rund ums Häuschen aufhübschen”, nennt Paul Zeisler vom Bürgerverein die weiteren Vorhaben.

Die Gesundbrunnen-Siedlung wurde zwischen 1926 und 1931 im Geiste der Gartenstadtbewegung als Stadterweiterung nach Südwesten errichtet. Architektonisch reicht die Bandbreite vom (bereits 1896 fertiggestellten) „Hallenser Schloss”, dem Paul-Riebeck-Stift mit Pfl egeheim und Park an der Kantstraße über ungewöhnliche „Türmchen-Häuser” wie ,Vor dem Hamstertor‘ bis hin zum Bauhaus-Stil an der nördlichen Vogelweide. Während die Genossenschaften vor allem entlang der Hauptverkehrsachsen wie etwa der Pestalozzistraße großzügige, freistehende Mietshäuser bauten, reihen sich in den Querstraßen wie beispielsweise Ammendorfer oder Rockendorfer Weg die typischen „Eigene Scholle”-Häuschen dicht an dicht. „In denen ist zwar auch nicht viel mehr Platz als in einer Drei-Raum-Wohnung, aber es gibt doch einen gewissen Dünkel”, sagt Dittmann lachend.

1950 bis 1970 wurde der Anschluss der Siedlung an die Stadt und die südliche Erweiterung vollzogen. Frank Menzel hat als Kind noch auf der Gleisbaustelle der Straßenbahnlinie am Böllberger Weg gespielt. Der Sportlehrer verbindet seine vier Jahrzehnte im Kiez vor allem mit sportlichen Aspekten. Da war zunächst das Gesundbrunnen-Bad: „Zwei Wochen Ferienlager, zwei Wochen Urlaub mit Mama und Papa – und vier Wochen nonstop im Freibad”, so Menzel. „Das war genial. Die Dauerkarte 2 Mark oder so, ein Eis vom Kiosk und Wassersportvergnügen von früh bis spät”, schwärmt er über das Bad, das 1999 wegen des überbordenden Sanierungsaufwandes geschlossen wurde und dessen Ruine im Zuge des Stadion- Neubaus völlig verschwand. „Im Winter fungierte das Schwimmbecken auch als Eisfl äche, sogar Glühwein wurde angeboten”, erinnert sich Menzel. Gleichfalls in der kalten Jahreszeit seien er und seine Kumpel an den Hängen der Zuschauertribünen im Sportdreieck auch Schlitten-, Gleitschuh- und sogar Ski gefahren.

Polizeisperre und Presslufthämmer

In der Bugenhagenstraße laufen wir Matthias Riesing über den Weg. Riesing kann als Sportwart des Tennisclubs Sandanger gewiss als dem Sport zugeneigter Mann gelten, doch das HFC-Stadion hat ihm als Anwohner manchen Kummer bereitet. Da waren die massive Einschränkungen bei Hochsicherheitsspielen. „Meine Freundin wurde einmal trotz Vorzeigen ihres Ausweises von der Polizei nicht zu unserer Wohnung durchgelassen und musste anderthalb Stunden in der Gegend rumfahren”, sagt Riesing. Und bei den Bauarbeiten zum neuen Stadion, gerade in der Abrissphase, seien sie mit ihren Nerven beinahe am Ende gewesen: „Punkt sechs Uhr in der Früh ratterten die Presslufthämmer los.” Insgesamt hebt aber auch Riesing die Vorzüge des Kiezes hervor, und Hardy Gnewuch ergänzt: „Hier wird nicht rumgepinkelt, fliegen keine Flaschen.” Eben ganz so, wie es schon in dem Sinnspruch am Gesundbrunnen- Häuschen geschrieben steht: “Kein Menschenfreund zerstört, was ihm und andern nützt.”

1953: Im Gesundbrunnen-Bad konnte man nicht nur seine Sommerferien «nonstop» verbringen.
1953: Im Gesundbrunnen-Bad konnte man nicht nur seine Sommerferien «nonstop» verbringen.
Privat Lizenz
Der Gesundbrunnen.
Der Gesundbrunnen.
Andreas Löffler Lizenz