Zachow Stadtteilserie 14 Zachow Stadtteilserie 14: Seeben/Tornau

Halle (Saale)/MZ. - Das idyllisch in hügeliger Umgebung liegende Fleckchen im Nordosten des Stadtgebietes hat sich zu einem richtiggehenden „Pferdedorf” entwickelt. Gleich mehrere Reitvereine, Stallbetreiber und sogar eine Reittherapie haben sich hier angesiedelt.
Glück im Unglück
Zu verdanken ist dies letztlich etwas kuriosen und eigentümlichen Umständen, wie sich Günter Hebner erinnert. Der 61-Jährige war dereinst Chef des heutigen Reit- und Fahrvereins Seeben. „1990 hatten wir hier ganze sieben Pferde. Dann ist eines unserer Rosse im Gelände leider tödlich verunglückt. Das war mit 25 000 Mark aber ganz gut versichert, welche wir durch die Aufteilung auf mehrere Vereinsmitglieder bei der Währungsunion dann auch komplett 1:1 in D-Mark umtauschen konnten“, erzählt Hebner. Mit jenem „Startkapital“ sei man anschließend in der Pferdesportsektion der damaligen LPG Queis, die gerade aufgelöst wurde, auf große Einkaufstour gegangen. Dass es in Seeben heute so viele verschiedene Anbieter in Sachen Pferd gibt, habe aus seiner Sicht auch damit zu tun, „dass sich alle untereinander verstritten haben und inzwischen jeder sein eigenes Ding macht.”
Ökohof und Prachtbau
Seebens Ursprung geht wohl auf slawische Siedler zurück, die ihrer neuen Heimstatt den Namen Sieba (nach der slawischen Göttin der Lebenskraft und der Fruchtbarkeit) gaben. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Seeben um 1300 im Zusammenhang mit einem dort befindlichen Rittergut. Ebenjenes Gut überdauerte die Jahrhunderte unter anderem als preußische Staatsdomäne, später, zu DDRZeiten, als Volkseigenes Gut, und ist bis zum heutigen Tage in städtischer Hand. Im Rahmen eines Erbpachtvertrages hat sich auf dem weitläufigen Areal mit dem charakteristischen Taubenturm als Wahrzeichen ein Ökohof-Betrieb angesiedelt, der neben anderem mehr in Seebens Umgebung großflächig Ökoweizen und Braugerste anbaut. Ein verstecktes Kleinod ist das 1904 im Jugendstil errichtete Herrenhaus des Gutes. Der im Volksmund nur Seebener Schloss genannte Prachtbau – zuletzt bis 1990 noch als Wohnheim für Landwirtschafts-Lehrlinge genutzt – wird gerade eben aus seinem zwischenzeitlichen „Dornröschenschlaf” geweckt: Investor Temba Schuh will die denkmalgeschützte Villa und deren Nebengelasse bis 2013 zu neun hochexklusiven Wohneinheiten umbauen. Freilich: Des einen Freud ist des anderen Leid: Sabine Neumann, die in unmittelbarer Nachbarschaft des Herrenhauses ihre Reittherapie „LebensPferd” betreibt, sieht sich wegen des unvermeidlichen Baulärms gezwungen, in eine weiter entfernt liegende Reithalle auf dem Guts-Areal umzuziehen. „Drei Monate Pause mitten in meiner Hauptsaison treffen mich hart. Doch meine Klienten brauchen einfach Ruhe und verlässliche Abläufe”, sagt Neumann, die versucht, „nun das Beste aus der Situation zu machen”.
Mit dem Glück (aus) dieser Erde hat es in Seeben (und auch in Tornau, wo in einer Baumschule Setzlinge aus dem Boden sprießen) noch manch andere Bewandtnis: Auf den Hügeln nordöstlich von Seeben gedeihen auch zahllose Obstbäume; allein Horst Märker zählt auf seinem 8 000 Quadtratmeter großen Grundstück um die 300 Exemplare – „vom Klarapfel über Boskoop bis hin zur Birnensorte Gute Luise und Sauer- sowie Süßkirschen ist da alles vertreten.” Nomen est omen: An der Kirschallee Richtung Tornau haben gleich drei Obst- und Gemüse-Großhändler Standort bezogen. Ein Blumen-Großhandel in unmittelbarer Nachbarschaft komplettiert das Bild vom Glück (aus) der Erde.
Als solches konnte auch die Braunkohle gelten, die noch bis kurz nach dem zweiten Weltkrieg in und um Seeben abgebaut wurde. „Vom Grubeneingang im heutigen Karl-Ernst-Weg aus wurden die gefüllten Kohle-Loren an einer Art Schwebahn Richtung Trothaer Kraftwerk transportiert”, erinnert sich die 70-jährige Roswitha Stoye. Auch am Hagelsberg habe es einen Eingang zu einem Kohle-Schacht gegeben. „Der wurde zwar schon 1895 geschlossen, aber es hat noch lange Jahre danach immer wieder Stolleneinbrüche gegeben”, weiß Horst Märker. Zwei Pferde und ein ganzer Birnbaum seien dabei buchstäblich vom Erdboden verschluckt worden.
Augenzwinkern in Tornau
Ostwärts hin, über den Berg, der mit dem „Fernsehturm”, einem weithin sichtbaren Sendemast der Telekom, ein weiteres Wahrzeichen aufweist, landen wir schließlich im 1182 erstmals urkundlich erwähnten Tornau (= Besitz an der Dornenhecke). „Die unserem Ort nächstgelegene Kirche stand in Mötzlich, so dass sich über all die Jahre eher Bezüge dorthin als nach Seeben entwickelt haben”, sagt Gunnar Schaaf vom Bürger- und Heimatverein Tornau, der seit 2004 mit Aktivitäten wie etwa Teich- oder Feuerwehrfest das Gemeinschaftsleben vor Ort wieder ankurbeln will. Und Stichwort Kirche: „Wir Tornauer haben eine auf einem benachbarten Feld liegende Pumpstation mit darüber gebauten Elektro- Häuschen augenzwinkernd zu unserer ,Partisanenkirche’ erklärt – Partisan deshalb, weil im Osten unseres Stadtteils liegend”, verrät der 38-Jährige und lächelt schelmisch. Alles Glück dieser Erde – liegt manchmal auch im Erfindungsreichtum.