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Wohngebiet in Brachwitz Wohngebiet in Brachwitz: Leben mit Notstrom am Schlossberg

Von kornelia privenau 09.10.2014, 06:37
Das geschmückte Schild weist auf die Wohnsiedlung am Schlossberg in Brachwitz hin.
Das geschmückte Schild weist auf die Wohnsiedlung am Schlossberg in Brachwitz hin. A. Heine Lizenz

Brachwitz - Wer jemanden auf dem Brachwitzer Schlossberg besuchen will, tut gut daran, dies am Tage zu machen. Bei Einbruch der Nacht liegen die zahlreichen Wohnhäuser weitestgehend im Dunkeln. Telefone, Fernseher, Computer, Radios und Hausklingeln funktionieren nicht und das schon seit vier Monaten. Der Grund: Der Energieversorger Stadtwerke Halle hat den Strom abgedreht. Zwar haben die Mieter ihre Stromrechnungen pünktlich an den privaten Vermieter (Name der Redaktion bekannt) bezahlt. Der habe das Geld nach Auskunft der Stadtwerke aber nicht an den Versorger weitergeleitet. Die Außenstände sollen sich nach MZ-Informationen auf rund 16.000 Euro belaufen.

Zu denen, die mit diesen schwierigen Zuständen auskommen müssen, gehören auch Christian Wernicke und seine Lebensgefährtin Sabrina Schlömp. Die Lehrerin und der Gastronom haben das Haus im Grünen vor eineinhalb Jahren gemietet, weil „es uns hier oben mitten in der Natur sehr gefällt“, sagt der junge Mann. Ähnlich sei es einer Familie mit einem behinderten Kind und Leuten, die den Reiterhof nebenan nutzen wollten, gegangen, sagt Wernicke. Und dies seien nur einige Beispiele. Leider habe dieses positive Lebensgefühl nicht lange angehalten.

Meterlange Kabel in der Wohnung

„Wir haben natürlich sofort nachgeforscht, als uns der Strom abgedreht wurde“, erzählt Wernicke. Durch die Wohnstube der Familie ziehen sich meterlange Kabel. Als die Schlossberg-Bewohner die Information über die nicht bezahlten Rechnungen erhalten haben, sei die Reaktion der Mieter sehr unterschiedlich gewesen. „Einige sind ganz weggezogen, wie die Familie mit dem behinderten Kind und ein junges Paar, das ein Baby erwartet“, erzählt Wernicke.

Unabhängig davon hätten sich die Betroffenen kundig gemacht, was sie tun könnten, um das Unheil abzuwenden. Wichtigster Anlaufpunkt sei der Mieterschutzbund gewesen. Da die Brachwitzer pünktlich ihre Stromrechnungen an den Vermieter gezahlt hätten, sei ihnen empfohlen worden, die Mietzahlungen zu unterbrechen und die Betriebskosten auf ein gesondertes Konto einzuzahlen. „Wir haben das gemacht, um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein“, erklärt Wernicke.

Wieviel Benzin das Notstromaggregat verbraucht und Was die Stadtwerke zu dem Problem sagen, lesen Sie auf der nächsten Seite.

Der zweite Schritt sei die Anschaffung eines Notstromaggregates gewesen, das mehrere Nachbarn gemeinsam betreiben und finanzieren. Ungefähr 20 Liter Benzin brauche es täglich, um die Kühlschränke und andere lebensnotwendige technische Geräte betreiben zu können. „Um mal kurz den Staubsauger einzusetzen, muss ich den Stecker vom Kühlschrank ziehen“, sagt Wernicke.

Natürlich hätten die Betroffenen Schriftverkehr mit allen Beteiligten geführt. „Aber Antworten haben wir keine bekommen“, sagt Wernicke. Und ihm schwane nichts Gutes: „Wir fürchten, auch von der Wasserversorgung abgeschnitten zu werden, da soll es ebenfalls Außenstände geben“, so der Gastronom. Mehr noch. Der Winter steht bevor. Ohne Elektroenergie werden die Pumpen im Heizhaus auf dem Schlossberg nicht arbeiten. Was dann passiere, zeige sich bereits: Es ist nicht nur finster, sondern auch kalt und ins Mauerwerk krie-cht die Feuchtigkeit. Bücher und Kleidung seien schon betroffen.

Stadtwerke wollen Vertrag beenden

Die Stadtwerke Halle haben jetzt mitgeteilt, dass sich die Zahlungsmoral des Vermieters bereits im September 2013 verschlechtert habe. Es seien auch mehrere Mahnschreiben an ihn gegangen, so Sprecherin Iris Rudolph. Mittlerweile habe die Schuldensumme ein nicht mehr vertretbares Maß erreicht. „Und wir haben auch keine Hoffnung mehr, von unserem Kunden das Geld zu erhalten“, so Rudolph weiter. Deshalb werde der Vertrag mit ihm zum 31. Oktober beendet. Die Mieter könnten wieder Strom bekommen, wenn sie eine Vorauszahlung von 1.500 Euro leisten würden. Sie sollten umgehend Kontakt mit dem Forderungsmanagement der Stadtwerke aufnehmen, um die Einzelheiten zu besprechen.

Ein Interessent, der das Areal auf dem Schlossberg pachten möchte, will sich nach eigener Aussage zurückziehen. Der bisherige Vermieter war weder per Mail noch telefonisch erreichbar. Mehrfache Versuche der MZ scheiterten, weil „kein Anschluss unter dieser Nummer“ möglich ist. Im Internet wird weiter unter seinem Namen geworben, es werden „Hallen und überdachte Stellflächen für Wohnwagen, Mobile, Caravane und Motorbootanhänger“ angeboten. (MZ)

Kabelrolle für den Notstrom in einem Wohnzimmer
Kabelrolle für den Notstrom in einem Wohnzimmer
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Kleines Notstrom-Aggregat im Container
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