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Queere Literatur Wie sich ein Hallenser für mehr Vielfalt im Bücherregal engagiert

Ein Instagram-Account empfiehlt queere Literatur und leistet nebenbei noch Aufklärungsarbeit. Dahinter steckt Chris aus Halle.

Von Denny Kleindienst Aktualisiert: 29.06.2021, 15:21
Fingernägel orange lackiert, Buch in der Tasche: Das ist Chris.
Fingernägel orange lackiert, Buch in der Tasche: Das ist Chris. Foto: Denny Kleindienst

Halle (Saale) - Das Buchcover zeigt das Bild eines jungen Mannes mit nacktem Oberkörper und grüner Schildkappe. Es handelt sich um „Nach der Sonne“, das Debüt des Autors Jonas Eika, und es ist die erste Buchempfehlung, die auf dem Instagram-Account „queer bookster“ geteilt wurde. Ein halbes Jahr und viele Buchempfehlungen später folgen diesem Account online nun schon rund 850 Abonnenten.

Mehr Vielfalt im Bücherregal: Hallenser betreibt queere, digitale Buchplattform

Die Person hinter dem Account ist Chris, 30 Jahre, aus Sachsen-Anhalt. Nach vielen Jahren in Berlin ist Chris Ende letzten Jahres nach Halle gezogen. „Ich habe lange im Bereich Jugendbildung gearbeitet, mich dabei auf queere Themen und Diskriminierung konzentriert.“ Nun soll ein Studium in Merseburg folgen. Chris will nicht zu viel Privates preisgeben, auch nicht den vollständigen Namen, stellt aber klar: „Ich verwende für mich keine Personalpronomen, weil ich nicht-binär bin.“ Nicht-binär heißt, weder ausschließlich männlich noch weiblich. Es bedeutet, sich außerhalb der zweigeteilten Geschlechterordnung zu befinden.

Mit „queer bookster“ verfolgt Chris ein klares Ziel: „Ich habe von Anfang an queere und feministische Bücher vorgestellt.“ Wer den Instagram-Account besucht, bekommt nicht nur reichlich Leseempfehlungen, die von Romanen über Sachbücher bis hin zu Lyrikbänden und Comics reichen, sondern wird auch aufgeklärt, was queer eigentlich heißt. Und erfährt dabei zunächst einmal: „Queer ist ein Begriff, der für viele etwas anderes bedeutet.“ Im Gespräch sagt Chris: „Für mich heißt queer intersektional.“ Was wiederum bedeutet: Es gibt nicht nur eine Identitätskategorie, sondern viele. Geschlecht, Hautfarbe und noch manches mehr können solche Kategorien sein. Intersektional bedeutet, alles gleichzeitig zu betrachten.

Hallenser erlebte selbst Beschimpfungen, Gewalt und wurde wegen sexueller Orientierung angespuckt

Häufig wird auf „queer bookster“ auch ein aktivistischer Ton angeschlagen: „Queer muss intersektional gegen Machtsysteme und Unterdrückung kämpfen. Nicht nur für freie Liebe, sondern auch gegen Rassismus, Klassismus, binäre Vorstellungen von Geschlecht und und und.“ Und oftmals gibt Chris dann doch sehr persönliche Gedanken und Erfahrungen preis. Wenn etwa zu lesen ist: „Als nicht-binäre queere Person, die auch queer liebt, habe ich selbst einiges von Beschimpfungen, Anspucken und körperlicher Gewalt erlebt.“

Der Behauptung, ein Nischenthema zu bedienen, widerspricht Chris und kontert: „Menschen, die abgeschreckt sind vom Feminismus, wissen oft nicht, dass es um Probleme geht, die alle angehen.“ Und toxische Männlichkeit sei auch für Männer ein Problem, wenn es heißt, Männer dürfen nicht über Gefühle sprechen. Chris findet: „Wir alle sollten eine bessere psychische Gesundheit haben. Wir alle sollten unseren Platz in der Gesellschaft haben.“ (mz)