Wie Geschichten zu Musik werden
HALLE/MZ. - Das Mädchen spielt seit sechs Jahren Klavier und besucht im dritten Jahr die Komponistenklasse, die im halleschen Händel-Konservatorium in der Lessingstraße angesiedelt ist. In Kleingruppen von bis zu drei Schülern nehmen hier 15 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen neun und 15 Jahren zusätzlich zu den normalen Musikstunden auch Kompositionsunterricht.
Vor 33 Jahren gründete der gerade verstorbene Komponist und Kompositionslehrer Hans Jürgen Wenzel das damals einmalige Musikprojekt, von dessen Art es heute gerade mal fünf in ganz Deutschland gibt. "Heute wie damals fangen wir mit der Phantasie der Kinder an", sagt Kompositionslehrerin Karoline Schulz. "Wir sehen uns als kreative Insel, wo die Kinder in sich hineinhorchen und dann Ideen für eigene Kompositionen entwickeln können." Musizieren bedeute nicht nur, bereits existierende Stücke nachzuspielen, sondern auch selbst schöpferisch tätig zu werden. Dabei würden die Kinder oft damit beginnen, sich eigene Geschichten auszudenken oder Bilder zu malen, so Schulze. Paulines Geschichte handelt von einer Klarinette und einem Cello, die in Ruhe mit einanderer musizieren wollen. Doch bald kommen immer mehr Instrumente hinzu und stören die beiden mit schiefen Tönen.
Ihre Ideen entwickeln die Kinder nicht nur im Unterricht, sondern vor allem bei Kompositionsfahrten, die der Förderverein der Klasse zweimal im Jahr - zu Ostern und im Sommer - organisiert. Im August ging es mit den jungen Kompositionsschülern für ein Wochenende ins brandenburgische Ilow. Dort standen Chorproben, Musiktheorie, Gruppen- und Einzelunterricht auf dem Programm. Erfahrene Konzertmusiker gaben den Kindern und Jugendlichen zudem Tipps für ihre eigenen Werke. Herausgekommen sind dabei zwölf verschiedene Kompositionen - vom Geigensolo bis hin zu Konzerten für sechs Personen. Die Ergebnisse werden auf dem nun schon traditionellen Jahreskonzert am 1. November im Händelhaus präsentiert. Für das Konzert wird wieder ein professionelles Ensemble verpflichtet. Denn die Kinder komponieren natürlich auch Stücke und Begleitungen für Instrumente, die sie selber gar nicht beherrschen. Das sei allerdings kein Problem, so die 13-jährige Lea. "Wenn ich den Notenschlüssel kenne, dann kann ich auch alles komponieren", meint die junge Tonsetzerin.
Am Schluss der Stunde geht Kompositionslehrerin Schulz mit Pauline noch einmal deren neues Werk durch. "Versuch doch, diesen Takt an der Stelle dort nochmal zu spielen", schlägt sie vor. Pauline verzieht das Gesicht. Denn jetzt muss sie noch mehr Noten in die Zeile quetschen. "Doch, das ist schön, das fetzt", ermuntert die Lehrerin das Mädchen. "Na gut", sagt Pauline. "Aber den letzten Takt macht die Oboe."
Das Jahreskonzert von "Kinder komponieren" findet am 1. November, 16 Uhr, im Händelhaus statt.