Meditation ist nicht immer „Wellness“ Wie erleben Halles Buddhisten die Pandemie?

Halle (Saale) - In der Ruine des alten Pavillons auf der Peißnitzinsel ertönt ein Gong. Mehrere Personen sitzen regungslos mit offenen Augen auf ihren Knien. Der frische Wind umstreift sie. Obwohl es einem beim Anblick schon fröstelt, bewegen sich die Gläubigen keinen Zentimeter.
Die kleine Gruppe auf der Peißnitz praktiziert Zazen, eine japanische Sitzmeditation. Der Begriff könnte in der verwandten Form „Zen“ bekannt klingen. Diese japanische Silbe schmückt mehr und mehr Produkte in Supermärkten und Drogerien. Meist wird so Tee oder Duschbad als besonders entspannend verkauft. Aber Zen ist ursprünglich ganz und gar kein Wellness-Trend, sondern eine traditionsreiche Variante der buddhistischen Religion.
„Es ist ein Missverständnis, dass Meditation leicht ist“
„Es ist ein Missverständnis, dass Meditation leicht ist“, sagt Rei Un, Zen-Mönch und Leiter der Meditationsgruppe „Sangha ohne Bleibe“ auf der Peißnitz. Viele Leute kämen für ein bisschen Entspannung und seien dann erstaunt über die schmerzenden Knie. Dennoch hat die Gruppe um Rei Un, die seit der Pandemie die Hygieneauflagen erfüllt und mit viel Abstand im Freien praktiziert, Zulauf. In der Dezemberkälte wuchs die Gruppe zwischenzeitlich auf 15 Teilnehmende.
In Halle gibt es drei zen-buddhistische Gemeinden. Während Rei Un zu Corona auf die Peißnitz ausweicht, stellte das gute Dutzend Praktizierender des „Zen-Kreis-Halle“ um Übungsleiter Torsten Evers das Meditieren unter Hygienebedingungen letztes Jahr nach kurzer Zeit ein. „Seit sechs Wochen treffen wir uns jetzt aber per Video-Tool und führen damit sogar unsere vertraulichen Lehrer-Schüler-Gespräche“, sagt Zen-Mönch Evers.
Mit Abstand im Tempel „Wolkentor“
Einen ganz anderen Weg ist die Gemeinde um Zen-Mönch Dirk Künne in Trotha gegangen. In Absprache mit der Stadt trafen sich die Meditierenden mit Abstand an ihrem angestammten Platz im Tempel „Wolkentor“. Die Gruppe beruft sich dabei auf die Religionsfreiheit. Seit der Ausgangssperre aber sind auch sie online.
Auch wenn Zen eine Religion ist, ist das Verständnis von Priesterschaft und Gemeinde anders als im Christentum. So tragen die Mönche nicht immer Roben, sondern gehen in der Regel Hauptberufen nach. Außerdem verstehen sich alle halleschen Zen-Gemeinden als offene Gruppen, die zum Mit-Praktizieren kein Glaubensbekenntnis erwarten. (mz/Phillip Kampert)