Raus aus der Misere Wie Beratungsstellen Schuldner unterstützen
Beratungsstellen zeigen Auswege auf und richten den Blick auf den Menschen hinter den Schulden. Warum ein Haushaltsbuch wichtig ist.

Halle (Saale) - Es sind Fälle, die Elke Neuendorf von der Schuldnerberatung der Verbraucherzentrale betroffen machen: Immer mehr Jugendliche suchen die Verbraucherzentrale auf, weil sie unverschuldet in die Miesen geraten sind. „Es gibt Fälle, wo die Eltern, die bereits in einer Insolvenz sind, auf den Namen ihrer Kinder Waren bestellen. Die jungen Erwachsenen, die gerade in ihre erste eigene Wohnung eingezogen sind, erhalten so Mahnungen, die sie nicht bezahlen können.“
Aber auch durch Krankheit, Scheidung, Arbeitslosigkeit und die Corona-Krise können Menschen finanzielle Probleme bekommen, die dann im schlimmsten Fall in der Privat-Insolvenz enden. In einer Aktionswoche ab diesem Montag wollen die Schuldnerberatungsstellen bundesweit unter dem Motto „Der Mensch hinter den Schulden“ auf die Problematik hinweisen. Die Verbraucherzentrale bietet in der Aktionswoche kostenlose Beratung ohne vorherige Terminvereinbarung an (siehe Kasten).
„Je früher sich die Betroffenen bei uns melden, um so besser“
„Je früher sich die Betroffenen bei uns melden, um so besser“, rät Elke Neuendorf. Doch gerade das sei ein Problem für einige: „Es ist ihnen peinlich, Schulden zu haben, das hat immer auch etwas mit Schuld zu tun.“ Dabei könne die Schuldnerberatung Lösungswege aufzeigen, Ratenzahlungen vereinbaren - und vor allem Unterlagen sichten und auflisten, welche Schulden überhaupt bestehen. „Das wissen die Schuldner zum Teil gar nicht“, sagt Elke Neuendorf.
Das wichtigste Instrument sei aber das Haushaltsbuch, in dem Einnahmen und Ausgaben aufgelistet werden. „So behält man den Überblick“, rät Brunhilde Franke vom Beratungsteam. Regelmäßig Kassenzettel aufbewahren und am Wochenende Kassensturz machen. „Man erschreckt sich, wie schnell das wöchentliche Limit ausgegeben ist“, sagt sie. Tipp Nummer zwei: Nicht mit Karte zahlen, sondern immer bar - und das Geld, das pro Woche verfügbar ist, in einen Umschlag legen.
Wie führe ich ein Haushaltsbuch?
Solche Tipps gibt die Schuldnerberatung der Verbraucherzentrale auch seit diesem Jahr jungen Menschen, die im Jobcenter betreut werden. Alle drei Monate gibt es hier Infoveranstaltungen, um dien Heranwachsenden Fragen zu beantworten wie: Worauf muss ich achten, wenn ich die erste eigenen Wohnung habe? Wie führe ich ein Haushaltsbuch? Welche Versicherungen brauche ich? „Junge Leute rechnen oft mit Geld , das sie gar nicht haben“, erklärt Elke Neuendorf, warum solche präventiven Veranstaltungen wichtig sind.
Jedoch seien es keineswegs nur die jungen Menschen, die in die Schuldenfalle geraten: Quer durch alle Schichten hat die Schuldnerberatung Fälle betreut vom Kurzarbeiter, dessen Einkommen nicht mehr für die laufenden Kosten reicht, bis hin zum psychisch erkrankten Akademiker, der dadurch in die Insolvenz geraten ist.
Zwar ist die Dauer einer Privatinsolvenz zum 1. Januar 2021 von sechs auf drei Jahre reduziert worden. Aber das ist für Franziska Thalheim von der Schuldenberatung der Arbeiterwohlfahrt Halle-Merseburg nicht genug: „Nun sind weitere Reformen notwendig. Die Verbände fordern, die Speicherfristen von Schuldendaten bei Auskunfteien deutlich zu kürzen. Dass bei der Schufa Schuldendaten weitere drei Jahre nach Ende des dreijährigen Insolvenzverfahrens gespeichert bleiben, erschwert ehemals Verschuldeten den Neustart.“
„Es ist zu erwarten, dass sich die Verschuldensproblematik ausweitet und verschärft“
Daher fordern die Verbände eine Speicherfrist bei der Schufa von höchstens einem, besser einem halben Jahr. Zudem spricht sich Franziska Thalheim dafür aus, die Schuldnerberatungen mit Hilfe einer Finanzierung von Kommunen und Ländern bedarfsgerechter auszubauen, um der seit Beginn der Corona-Pandemie zunehmenden Anzahl verschuldeter Menschen besser helfen zu können.
„Es ist zu erwarten, dass sich die Verschuldensproblematik ausweitet und verschärft. Wir sprechen da mittlerweile nicht mehr nur über Empfänger von Grundsicherung und im Niedriglohnsektor Beschäftigte. Jetzt drohen auch Menschen in Verschuldung zu geraten, die es vorher niemals für möglich gehalten hätten“, sagt Franziska Thalheim. Nach Schätzungen seien auch in Folge der Corona-Pandemie deutschlandweit zwei Millionen Soloselbstständige und Freiberufler von Überschuldung bedroht.
Vor diesem Hintergrund sei der Ausbau der Schuldnerberatungen wichtig: Denn jeder Verschuldete, dem nicht gut geholfen werden kann, belaste die Kommunen und die Länder mit dem Bezug von Sozialleistungen. (mz)