Ausgrabungen in Sachsen-Anhalt Kind mit Wasserkopf bestattet: Gräber im Saalekreis entdeckt
Die fruchtbaren Böden in Sachsen-Anhalt bescheren den Archäologen reiche Funde. Bei Grabungen entlang der künftigen Gleichstromtrasse SuedOstLink wurde bei Wettin-Löbejün nun eine 1.000 Jahre alte Siedlung samt Gräberfeld entdeckt.
Wettin-Löbejün. - Archäologen haben bei Wettin-Löbejün im Saalekreis eine rund 1.000 Jahre alte Siedlung mit komplettem Gräberfeld entdeckt. Die Grabungen laufen im Vorfeld des Netzausbaus der Gleichstromtrasse SuedOstLink.
„Auf dem kleinen Friedhof von nur 5 mal 30 Meter Grundfläche liegen 60 Bestattungen in zwei parallelen Reihen dicht an dicht beieinander“, sagte Projektleiterin und Archäologin Susanne Friederich auf der Grabungsfläche.
Archäologen entdecken 1.000 Jahre alte Siedlung bei Wettin-Löbejün
Und weiter: „Die Nord-Süd ausgerichteten Toten wurden auf dem Rücken liegend mit Blick nach Osten, nach christlichem Ritus, ohne Beigaben beigesetzt.“
Lesen Sie auch: Grabungen nahe Halle - Archäologischer Sensationsfund bei Bauarbeiten für Stromtrasse
Lediglich Trachtgegenstände, wie Bronzeringe und Perlen, lagen in den Gräbern. Es handelt sich meist um Kopfnischengräber, wie sie im 10. bis 12. Jahrhundert verbreitet waren. Teilweise gab es auch Steinumfassungen an Kopf oder Beinen.
„Besonders auffällig ist eine quadratisch ausgehobene Grabstelle: ein Familiengrab mit zwei Erwachsenen und zwei Kindern. Spuren von Eckpfosten und Holzbalken belegen eine komplexe Grabarchitektur“, erläutert Grabungsleiter Markus Fitzek.
Grabungsleiter: "komplexe Grabarchitektur"
Ebenso außergewöhnlich ist die Bestattung eines kranken Kindes, das an einem Hydrocephalus - auch Wasserkopf genannt - litt. Bei dieser Krankheit sammelt sich übermäßig viel Gehirn- und Rückenmarksflüssigkeit im Schädelinneren an.
Lesen Sie auch: Mit Video - Imbiss aus der Steinzeit? Archäologen machen bei Ilberstedt überraschende Entdeckung
Bei Säuglingen mit noch unfesten Schädelknochen wird der Druck durch ballonartige Aufblähung des Schädels ausgeglichen. Im Brustbereich des Kindes fanden sich Perlen. Möglicherweise war der Schmuck ein Zeichen der Sorge der Gemeinschaft.
Wasserversorgung über unbefestigte Brunnengruben
Zudem wurde auf 5.000 Quadratmetern Fläche ein slawischer Siedlungsbereich freigelegt. Die Fläche umfasst ein Handwerksviertel mit Materialabbaugruben, die vorwiegend der Gewinnung von Raseneisenerz dienten. Ein Hochofen mit angesammeltem Roheisen auf der Ofensohle belegt die Verarbeitung vor Ort.
Funde von Spinnwirteln weisen auf eine Textilherstellung hin. Für die Wasserversorgung dienten zwei unbefestigte Brunnengruben, die circa 1,50 Meter tief erhalten sind.
Lesen Sie auch: Bei Grabungen im Saalekreis entdeckt - Warum hockt diese Leiche in einer kleinen Hütte?
Es gab zwei Siedlungsphasen. In der früheren Phase wurde der Platz von einem vier Meter breiten Umfassungsgraben geschützt. Später, in der zweiten Phase, wurde dieser Schutz aufgegeben.
Stromtrasse SuedOstLink führt durch Altsiedelland mit überaus fruchtbaren Böden
Die Siedlung bestand nun aus einzelnen Gehöften, die von kleineren, etwa 50 Zentimeter breiten Gräben umgeben waren. Zu den besonderen Funden aus dem Siedlungsbereich zählen eine Perle aus einem Gehöftgraben und ein Bronzearmreif aus dem Umfassungsgraben.
Projektkoordinator Christian Lau erläutert das komplexe Gesamtbild. „Etwa 25 Meter von der Siedlungsstelle entfernt befindet sich der zugehörige Friedhof. Auf dem Weg dorthin kamen die Einwohner an Pferdebestattungen vorbei.“
Lesen Sie auch: Vor Bau von SuedOstLink - Rund 4.200 Jahre altes Familiengrab im Saalekreis entdeckt
Auf 170 Kilometern Länge durch Sachsen-Anhalt führt die Trasse durch Altsiedelland mit überaus fruchtbaren Böden. Die gesamte Trasse ist rund 540 Kilometer lang.
Seit 7.500 Jahren: Bodenqualität ausschlaggebender Faktor bei Wahl von Siedlungsorten
Seit der Sesshaftwerdung von Menschen in der Region vor etwa 7.500 Jahren war die Qualität des Bodens der ausschlaggebende Faktor bei der Wahl von Siedlungsorten.
Dies führt dazu, dass die Dichte archäologischer Befunde in der Region sehr hoch ist. Bislang wurden am SuedOstLink in Sachsen-Anhalt durch alle Zeiten hinweg insgesamt 300 Fundstellen von Siedlungs- und Bestattungsplätzen identifiziert.
Die archäologischen Dokumentationsarbeiten im Bereich Wettin-Löbejün werden Ende August 2024 abgeschlossen.