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Wenig Interesse an Politik

Von SILVIA ZÖLLER 29.09.2008, 16:09

HALLE/MZ. - "Im Moment ist kein Juso im Stadtrat vertreten. Das wollen wir bei der nächsten Kommunalwahl ändern", hat Andrej Stephan, 25-jähriger Vorsitzender der Nachwuchsorganisation der SPD, ein klares Ziel für das kommende Jahr. Mit Themen wie der Forderung nach einer kostenfreien Fahrradmitnahme in Straßenbahnen und anderem wollen die Jusos auch ein eigenes Jugendwahlprogramm aufstellen. Unter den 25 aktiven Jusos (von 130 Mitgliedern, die anders als in anderen Parteien bis zum 35. Lebensjahr Pflichtmitglied in der Nachwuchsorganisation sind) seien vorwiegend Studenten. Nur zwei 18-jährige Schüler und eine 25-jährige Berufsschülerin sind nach Stephans Angaben darunter.

Stefan Schulz, der seit 2002 Vorsitzender der Jungen Union (JU) ist, glaubt dagegen, dass es noch viele Jahre braucht, bis wieder ein breites Interesse an Politik auch bei jungen Leuten gewachsen ist. Mangels Masse gibt es auch keine Schülerunion in Halle: Nur eine Hand voll Jugendlicher ab 16 Jahren machen bei der Jungen Union mit.

"Ostdeutsche haben eine Abneigung gegen Parteien und Gewerkschaften, weil die Mitgliedschaft zu DDR-Zeiten verordnet war. Diese Abwehrhaltung wird in den Familien auch auf die Kinder übertragen", glaubt der 28-Jährige. Man müsse immer wieder appellieren, dass sich diese Grundhaltung ändere - aber als Organisation könne man daran wenig ändern. "Auch nicht, wenn wir jeden Tag einen Infostand auf dem Markt machen", so Schulz.

Seine eigene Biographie mag ein Beleg dafür sein, dass Interesse an der Politik vor allem in der eigenen Familie - trotz unterschiedlicher politischer Meinungen - geweckt wird: Schulz' peruanischem Vater wurde wegen seines Engagements für die Kommunistische Partei Perus das Studium in der DDR überhaupt erst ermöglicht; die von der damaligen PDS in die KPD übergewechselte Großmutter war mit dem Eintritt ihres Enkels in die CDU überhaupt nicht einverstanden, verrät der JU-Vorsitzende.

"Der Nachwuchs fehlt", bedauert auch Christian Härig von den Jungen Liberalen ("Julis"). Auch wenn unter den 35 Mitgliedern in Halle immerhin drei Schüler aktiv sind, so währt diese Mitgliedschaft nach Härigs Erfahrungen meist nicht lange - haben die Schüler ihr Abitur gemacht, ziehen sie oft zum Studium weg. Wie auch die anderen Nachwuchsorganisationen konzentrieren sich die Julis daher darauf, Studenten zu einer Mitarbeit zu ermutigen.

Andere Erfahrungen gibt es dagegen bei der grünen Nachwuchsorganisation "Grüne Jugend". Bei einer landesweiten Kampagne für freie Schülerbeförderung sei man gut in Kontakt mit Schülern gekommen, da das Thema Jugendliche betreffe, berichtet Grit Michelmann. Der 25-jährigen Studentin der Geschichte und Germanistik bedeutet es viel, jungen Leuten die Botschaft herüber zu bringen: "Es ist gut, dass man wichtige Themen auch öffentlich diskutieren darf."

Keinen Jugendverband hat die "Linke" in Halle, auch wenn zurzeit 18 junge Hallenser unter 25 Jahren Mitglied sind, so Stadtverbandsvorsitzendem Swen Knöchel. "Ich habe in Gesprächen festgestellt, dass kein Wunsch nach klassischer Jugendarbeit besteht, sondern Interesse an Themen wie Bildungspolitik", erläutert er. In dem 730 Mitglieder starken Stadtverband mit vielen älteren Mitstreitern seien vor allem Jüngere bis 40 Jahre aktiv.