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Weltwärts Weltwärts: Mit dem Zug zum Studium in den Iran

Von DOMINIK PETERS 03.09.2009, 16:41

HALLE/MZ. - Marie Pfister will sich ein eigenes Farbbild machen und Schwarzweiß-Denken ausklammern. Ab Oktober wird die hallesche Studentin in Teheran Persisch studieren und hofft, die Menschen, ihre Geschichten und das Alltagsleben vor Ort selbst kennen zulernen.

"Ich werde keine einfache Situation vorfinden", ist die 23-Jährige überzeugt. "Angst habe ich aber keine." Ein halbes Jahr wird sie an der Teheraner Universität Farsi - wie die persische Sprache richtig heißt - studieren, Kalligraphie-Kurse belegen und das Land bereisen.

Iran - ein ungewöhnlicher Studienort. Noch ungewöhnlicher ist Maries Weg dorthin: Drei Tage lang wird die Arabistik- und Ethnologiestudentin auf den Schienen des Trans-Asia-Expresses durch die Türkei und das von Karl May beschriebene "wilde Kurdistan" fahren, vorbei an riesigen Ölraffinerien und fremden Orten, bis es heißt: Nächster Halt, Teheran.

Farsi zu lernen und die persische Kultur zu erleben, ist für die Studentin ein Herzensangelegenheit. Leicht fällt es ihr sowieso, denn: Sie ist eine rastlose Nomadin zwischen Orient und Okzident.

Angefangen hat alles vor vier Jahren. 2005 ging die Weltenbummlerin für ein Freiwilliges Soziales Jahr in den Libanon. "Es war eine Bauchentscheidung. Ich hatte weder Sprach- noch Landeskenntnisse - eigentlich war es naiv", sagt sie rückblickend, betont aber gleichzeitig: "Gerade deshalb konnte ich unvoreingenommen an die Sache ran gehen."

In Beirut arbeitete sie in einer Schule, gab drei Jungs Englischunterricht und lernte nebenher Arabisch - heute spricht sie es fließend. Als es im Sommer 2006 zum Krieg zwischen Israel und der libanesischen Hisbollah kam, musste die junge Deutsche das Land verlassen. "Es gab zwei Stunden am Tag Elektrizität, jede Nacht konnte ich die Bombenangriffe hören." Mit einem Bus wurde sie in einer 23-stündigen Fahrt mitten durch das Kampfgebiet nach Syrien, ins sichere Damaskus evakuiert. Die Zeit im Libanon war für sie "tragisch, faszinierend und extrem".

Seit vier Semestern studiert sie nun am Orientalischen Institut in Halle und versucht zumindest im Freundes- und Bekanntenkreis "die vorherrschenden Klischees über die islamische Welt aufzuweichen". Fliegende Teppiche, Wasserpfeife rauchende Ölscheichs und fanatische Terroristen - diese Abziehbilder reichen ihr nicht: "Die Realität ist wesentlich komplexer." Genau deshalb hat sie ihre Semesterferien auch immer wieder dazu genutzt, intensiv die Region zu bereisen, um sich ein eigenes Bild machen zu können.

Dass das nicht immer angenehme Bilder sein müssen, erfuhr die junge Frau Anfang des Jahres: Nach dem Krieg zwischen Israel und der palästinensischen Hamas ging sie im Februar mit einem Team von Ärzten, Pädagogen und Psychologen in den Gaza-Streifen. Über die ägyptische Sinai-Halbinsel gelangte sie in den abgeriegelten Küstenstreifen und arbeitete dort mit traumatisierten Kindern. "Zerstörte Häuser und Straßen, Wut und Verzweiflung - die Menschen hatten ein großes Bedürfnis sich mitzuteilen", berichtet die engagierte Studentin. "Ich habe erst nach meiner Rückkehr das ganze Ausmaß, das sich aus den vielen Einzelschicksalen zusammensetzt, realisiert."

In wenigen Wochen wird sie Halle nun Richtung Teheran verlassen. Und dann? "Ich habe keine große Vision. Aber die Welt ist groß. Türkisch zu lernen und in Istanbul zu leben, das wäre noch ein großer Wunsch von mir."