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"Weltenbummler" in Halle  "Weltenbummler" in Halle : Kerzen-Unfall in Kita wird Fall für den Landtag

Von Jan-Ole Prasse 16.03.2016, 15:05
Großplakat vor der Kita "Weltenbummler" in Halle
Großplakat vor der Kita "Weltenbummler" in Halle Günter Bauer

Halle (Saale) - Bis heute denkt Isabell Wittek immer wieder an den 1. Dezember 2014 zurück. Dieser Tag hat ihr Leben und vor allem das Leben ihrer vierjährigen Tochter verändert. An diesem Montag in der Vorweihnachtszeit entzündete sich die Kleidung ihres Kindes in der Kita „Weltenbummler“ an einer Kerze des Adventskranzes. Zuvor war die Tochter geschubst worden. Sie trug schwere Verbrennungen davon, schwebte mehrere Tage in Lebensgefahr. Anschließend folgten elf Operationen. Erst heute ist ihre Tochter einigermaßen wieder genesen. „Es ist natürlich alles nicht mehr das gleiche. Aber langsam verheilen die Wunden und sie erholt sich“, sagt Wittek.

Petition prangert Betreuungsverhältnis an

Das ist einer der Gründe, warum sie jetzt mit dem Fall an die Öffentlichkeit geht. Denn Wittek hat nun die Kraft dazu, die politischen Folgen des Unglücks zu bedenken. Zusammen mit ihrem Mann hat die 33-Jährige eine Petition an den Landtag initiiert. Ihre Forderung: Der Betreuungsschlüssel - das heißt die Zahl der Erzieher pro Kindergartenkind - muss verbessert werden. Der liegt - zumindest auf dem Papier - bei eins zu 12,5. Doch dieses Verhältnis muss nicht täglich und bei jeder Gruppe eingehalten werden. Gesetzlich vorgeschrieben ist, dass dieser Schlüssel pro Einrichtung im Jahresmittel erreicht wird. „Wir brauchen aber eine Betreuung, die den Kindern gerecht wird“, sagt Wittek. Bis Ende April will sie möglichst viele Unterschriften zusammen haben.

Dass das bisher anders ist, war aus ihrer Sicht eine der Ursachen für die schweren Verletzungen ihrer Tochter. An dem Tag des Unglücks war in der Kita-Gruppe eine Erzieherin für 22 Kindern zuständig. Zu viele, um die Adventsstunde mit echten Kerzen sicher abzuhalten, wie Wittek sagt. „Es darf nie wieder passieren, dass eine Erzieherin vor 22 Kindern steht.“ Um auf ihre Petition aufmerksam zu machen, hat sie ein Großplakat entworfen und in der Nähe der Kita aufstellen lassen. Darauf die verbrannte Kleidung ihrer Tochter und die mahnenden Worte: „Ist ihr Kind sicher? Unseres war es nicht.“

Unterstützung durch GEW

Unterstützung erhält die Initiative von Wittek von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft. „Wir mahnen seit Jahren an, dass der Betreuungsschlüssel verändert werden muss“, sagte Gewerkschaftssekretär Frank Wolters. Dazu gehöre, dass es klar festgelegte Größen für die Gruppen und das Verhältnis zwischen Kindern und Erziehern geben müsse. Das Sozialministerium will sich angesichts der laufenden Koalitionsverhandlungen nicht konkret zu einer möglichen gesetzlichen Änderung äußern. Allerdings würde der Personalschlüssel keine Fragen der Aufsichtspflicht berühren.

Die Staatsanwaltschaft in Halle hat aber eine solche Verletzung der Aufsichts- beziehungsweise Sorgfaltspflicht durch die Erzieherin oder den Träger, die Jugendwerkstatt Frohe Zukunft, nicht gesehen. Auch mit der Begründung, dass der Betreuungsschlüssel trotz der 22 Kindern eingehalten worden sei. „Wir haben keinen rechtlichen Verstoß begangen. Aber klar ist: Hier ist etwas passiert, was nicht hätte passieren dürfen“, sagte der Geschäftsführer der Jugendwerkstatt, Klaus Roth. Er unterstützt die Forderung der Eltern nach einem neuen Betreuungsschlüssel.

Doch für Isabell Wittek ist das Verfahren nicht nur politisch, sondern auch strafrechtlich noch nicht abgeschlossen. Aus ihrer Sicht hat sich die Erzieherin fahrlässig verhalten. Sie habe sich zum Zeitpunkt des Unglücks von den Kindern weggedreht. Zudem sei kein Löschwasser in der Nähe abgestellt worden. Wittek will jetzt den Weg der Privatklage gehen. Ausgang offen.

Die Petition im Internet unter:www.kerzen-im-kindergarten.de (mz)