Wasser- und Abwasserzweckverband Saalkreis Wasser- und Abwasserzweckverband Saalkreis: 1.500 Widersprüche nach Preisanhebungen

petersberg/MZ - Die zu Jahresanfang teils drastisch erhöhten Trinkwasserpreise im nördlichen Saalekreis hatten in den vergangenen Monaten für Bürgerproteste gesorgt. Zum aktuellen Stand bei dem strittigen Thema sprach Michael Tempel mit dem Geschäftsführer des Wasser- und Abwasserzweckverbands Saalkreis (WAZV), Holger Herrmann. Der Verband versorgt 76.000 Einwohner mit Trinkwasser und entsorgt das Abwasser von 86 000 Einwohnern.
Sie waren vor der Sommerpause für viele Bürger der Prügelknabe. Jetzt sind Sie aus dem Urlaub wieder zurück. Verspüren Sie noch einen Erholungseffekt?
Herrmann: Die ersten Tage nach dem Urlaub sind immer die schlimmsten, da hat sich einiges angestaut. Beim Trinkwasser steht die Senkung der hohen Wasserverluste durch Lecks in den Leitungen ganz weit oben auf unserer Prioritätenliste. Denn in den vergangenen vier Wochen gab es an einigen Stellen massive Probleme, wegen der Lecks genügend Wasser zur Verfügung zu stellen.
Welche Bereiche waren davon betroffen?
Herrmann: Das war die Straße Am Busch in Höhnstedt, dort hatten wir Wasserverluste von bis zu fünf Kubikmetern in der Stunde. Angesichts der großen Wasserabnahme durch die Kunden an den heißen Tagen zum Beispiel zum Bewässern von Rasen und Gärten konnten wir durch die hohen Verluste nicht genügend Wasser liefern, die Versorgung ist teilweise zusammengebrochen. Ähnliche Probleme mit Verlusten von rund 20 Prozent hatten wir auch in Möderau, Morl und Gimritz.
Sind die Schäden behoben?
Herrmann: Ja. Nach langer und aufwendiger Suche haben wir den Schaden in Höhnstedt gefunden und behoben. Dafür wurden 290 Meter Leitung ausgetauscht.
Die vielen Leitungsschäden und der damit verbundene Sanierungsbedarf war ja ein Grund für die Preisanhebung. Wie weit sind Sie mit der Sanierung?
Herrmann: Wir sind in Teutschenthal-Bahnhof, in einigen Straßen in Löbejün, in Nauendorf, in Beesenstedt und an einigen weiteren Stellen dabei, die Leitungen zu erneuern. Kürzlich erfolgte dies auch in Köllme. Dafür sind im laufenden Wirtschaftsplan gut zwei Millionen Euro vorgesehen.
Bis wann soll das Trinkwasserleitungsnetz des WAZV durchsaniert sein?
Herrmann: Wir haben ein insgesamt fast 800 Kilometer langes Leitungsnetz. Dafür brauchen wir ungefähr 15 Jahre, um den Investitionsstau aufzuholen.
Nach der Preisanhebung hatten viele Bürger gegen ihre Bescheide Widerspruch eingelegt. Stand Juni waren es 1.300. Wie viele Widersprüche sind aktuell noch anhängig?
Herrmann: Aktuell sind etwa 1.500 Widersprüche eingegangen – bei insgesamt rund 27.000 Bescheiden. Dabei geht es um unterschiedlichste Sachverhalte: Die einen monieren die Höhe des Preises, die anderen wollen einen anderen Abschlag. Und: Etwa ein Drittel teilt in seinem Widerspruch lediglich mit, dass sich Zählerstände oder persönliche Daten geändert haben.
Müssen Sie durch die Widersprüche auf Einnahmen verzichten, weil die Leute ihre Abschläge nicht zahlen?
Herrmann: Nein, Einnahmenverluste gibt es bei uns nicht. Die Kunden wissen, dass die Rechnungen erst einmal zu begleichen sind. Ansonsten riskieren sie ein Mahnverfahren und letztlich, dass wir die Lieferung einstellen.
Führen diese Widersprüche auch zu Gerichtsverfahren?
Herrmann: Es ist nicht unser Ziel, den Klageweg zu beschreiten. Wir wollen die Sachen im Austausch mit den Bürgern klären.
Sie hatten für 2016 eine neue Preiskalkulation angekündigt, die die Kostenbelastung für viele Trinkwasserkunden abmildern könnte. Wie weit sind Sie damit?
Herrmann: Wir haben von den Kunden die Anzahl der Wohneinheiten auf den Grundstücken abgefragt, die für die neue Kalkulation wichtig ist. Dort sind Tausende Antworten zurückgekommen, für eine verlässliche Berechnung ist das aber noch nicht ausreichend. Deswegen bitten wir die Bürger, die Bögen auszufüllen, damit wir eine ordentliche Basis für die neue Preiskalkulation haben.
Aber es wird 2016 auf alle Fälle neue Preise geben?
Herrmann: Die neue Kalkulation wird es geben. Konkrete Auswirkungen auf die Preise sind aber noch nicht zu beziffern.
Sind auch beim Abwasser Preisänderungen zu erwarten? Und wenn ja, werden sie erhöht oder verringert?
Herrmann: Priorität hat für uns, dass wir im Verbandsgebiet einen einheitlichen Abwassertarif bekommen. Durch die Fusion mehrerer Zweckverbände zum WAZV haben wir derzeit neun unterschiedliche Abrechnungsgebiete mit insgesamt 37 unterschiedlichen Tarifen. Bei der Vereinheitlichung der Preise wird es daher voraussichtlich Bewegung in beide Richtungen geben. Derzeit bereiten wir hier eine Kalkulation vor.
Wann soll die Vereinheitlichung umgesetzt werden?
Herrmann: 2016, schrittweise.
In welcher Spanne bewegen sich die Abwasserpreise im WAZV-Gebiet?
Herrmann: Die Mengengebühren variieren von 2,65 Euro bis 5 Euro je Kubikmeter. Die Grundgebühren von 120 bis 228 Euro pro Jahr.
Was investieren Sie in diesem Jahr ins Abwassernetz?
Herrmann: Rund 3,5 Millionen Euro mit Schwerpunkt Teutschenthal, Wettin-Löbejün und Landsberg.
Ist das Abwassernetz ähnlich marode wie beim Trinkwasser?
Herrmann: Nein, beim Abwassernetz geht es um Neuerschließungen, wo Bürger noch keinen Anschluss ans zentrale Leitungsnetz haben.
Wie groß ist das Abwassernetz des WAZV insgesamt?
Herrmann: Das sind rund 900 Kilometer. Dabei sind Trink- und Abwassernetz nicht deckungsgleich.
In einigen Regionen Sachsen-Anhalts gibt es aktuell großen Streit, weil rückwirkende Anschlussbeiträge erhoben werden. Wollen auch Sie solche Beiträge erheben?
Herrmann: Nein. Bei diesen Beiträgen geht es um Abwasseranschlüsse an ein zentrales Abwassernetz, die vor 1990 gelegt worden sind. Bei uns auf den Dörfern gab es diese zentrale Abwasserentsorgung nicht. Im Prinzip hatte jedes Grundstück eine eigene Klärgrube. Wir haben erst nach der Wende begonnen, ein zentrales Abwassersystem aufzubauen. Für diese Investitionen haben die Bürger bis auf einige Ausnahmen bereits ihre Beiträge bezahlt.