Pop Art in der Zeitkunstgalerie Wasja Götze und Hans Ticha in der Zeitkunstgalerie Halle von Jutta Wittenbecher

Halle (Saale) - Das Datum hat etwas für sich - eine gewisse Ironie nämlich. Ausgerechnet am Gründungstag der DDR, dem 7. Oktober, wird in der Zeitkunstgalerie Halle eine Doppel-Schau mit Werken des halleschen Malers Wasja Götze und seines Kollegen Hans Ticha eröffnet.
Götze, der wegen seiner anarchischen Lebensfreude und seinem Abscheu vor den SED-Bürokraten zeitweilig zum „Staatsfeind“ geworden war und erst jetzt späte Anerkennung genießt, hatte so gar nichts mit diesen Leuten am Hut, die ihn als Künstler und Freigeist nicht anerkannten.
Bei Ticha, der als Illustrator und Maler einen Namen hatte und bitterböse, gallige Bilder über die Zustände im Lande Honeckers malte, war es im Grunde genommen nicht anders. Immerhin war er in der Öffentlichkeit und namentlich auch in der Szene vom Prenzlauer Berg in Berlin bekannt, während Götze der hallesche Geheimtipp blieb, den dort allerdings wohl jede und jeder der vielen, die ihn kennen, auch ins Herz geschlossen hat.
Mit Sachsen und Mitteldeutschland verbindet beide Künstler etwas. Ticha wurde 1940 in Tetschen-Bodenbach, heute Děčín (Tschechien) geboren, nach dem Krieg vertrieben, ging in Schkeuditz zwischen Halle und Leipzig zur Schule und studierte später in Leipzig. Götze, der Wahl-Hallenser, ist ein Jahr jünger als Ticha und ein waschechter Sachse aus Altmügeln bei Oschatz. Man hört seine singende Erzählung auch der Klangfarbe wegen mit Freude.
New York Times würdigt Ausstellung „Point of no return“
Merkwürdig nur, dass sich die beiden Helden der in der DDR ungeliebten Pop-Art tatsächlich jüngst in Leipzig zum ersten Mal persönlich begegnet sind. Beide sind in der vielbeachteten, sogar von der New York Times wohlwollend bemerkten Ausstellung „Point of No Return. Wende und Umbruch in der ostdeutschen Kunst“ vertreten, die noch bis zum 3. November im Museum der bildenden Künste gezeigt wird.
Kollegen wie Ticha und Willy Wolff habe er geschätzt, ja bewundert, sagt Wasja Götze, aber er habe nie ihre Nähe gesucht: „Ich wollte mich nicht aufdrängen.“ Auch diese zwar ehrenhafte, aber unnötige Bescheidenheit hat wahrscheinlich eine Aktie daran, dass Wasja Götze als Künstler lange im Schatten seines gleichfalls in der Pop-Art-Sparte aktiven Sohnes Moritz stand.
Aber der „Junge“, 55 inzwischen, macht dem leidenschaftlich radfahrenden Vater in dieser Hinsicht Beine, und dieser selbst ist durchaus ehrgeiziger, als er manchmal eingestehen will.
Mehrere große Gemälde sind in den letzten Jahren entstanden, darunter das erst Anfang 2019 beendete „Ach könnte das schön sein“ und „Jede schwarze Wolke fängt mal grau an. Die Schande von Schwaan“. Was für herrliche Titel allein! Sie unterstreichen noch, was man auf den ersten Blick sieht: Die förmlich übersprudelnde Fantasie des Malers, der im Übrigen ein äußerst disziplinierter Arbeiter ist. Das enthüllen die knallbunten Wimmelbilder auf den zweiten Blick.
Ticha ist anders, er hält sich streng an die selbst gegebene, reduzierte Form, man spürt förmlich, wie er dabei um die Ecke denkt und einen dazu anstiften will, es ihm gleich zu tun. Die Zeiten des finsteren, wütenden Spottes über den phrasendreschenden, bedrohlichen „Agitator“ aus dem Jahr 1988, der in der Leipziger Schau über die Kunst in der DDR zu sehen ist, sind nun, gottlob, lange vorbei.
Wasja Götze, Vater von Moritz Götze, wünscht sich ein Rennrad
Aber Tichas ebenfalls farbsatte Figuren und Konstrukte aus jüngerer Zeit sind nicht nur schön und stets auch ein bisschen rätselhaft anzusehen, sondern sie teilen zugleich eine heitere Skepsis mit, die sich nach einem langen Künstlerleben wohl einstellen kann. Auch das haben die beiden gemeinsam. Nach all dem Trubel der Jahre spüre er jetzt auch etwas Wehmut aufkommen, bekennt Wasja Götze.
„Ich freue mich, wenn ich ein Bild verkaufe. Aber ich bin auch froh, wenn ich es behalten kann“, sagt er. Für solche Sätze muss man ihn eigentlich auf der Stelle umarmen. Und er sagt auch, dass er, den Achtzig immerhin nahe, sich ein neues Rennrad wünscht. Das spricht nun freilich eher für das Verkaufen.
In jedem Fall lohnt das Anschauen, die Doppelausstellung in Halle verspricht ein Hingucker zu werden. Und wer gerade noch bewundernd vor den Meistern der Moderne im Kunstmuseum Moritzburg stand, wird hernach, keine zehn Minuten Fußweges entfernt, in Jutta Wittenbechers Galerie eine schöne, zeitgenössische Entsprechung finden.
Wasja Götze/Hans Ticha: „Farbencircus“, Zeitkunstgalerie Halle, Kleine Marktstr. 4, Eröffnung am 7. 10., 20 Uhr, Di-Fr 11-13.30 und 14-18.30, Sa 11-15 Uhr (mz)